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Lieblingsprojekt: Freiwilligendienst – eine Lernphase für sich und für das Leben

Thomas Antkowiak ist seit 2006 in der Geschäftsführung von Misereor tätig. Als Leiter der Personalabteilung ist er unter anderem für die Belange des Misereor-Freiwilligendienstes zuständig. Im Interview erzählt er, weshalb der Freiwilligendienst ihm so am Herzen liegt.

Portraitbild von Misereor-Geschäftsführer Thomas Antkowiak
Als Leiter der Personalabteilung ist Thomas Antkowiak unter anderem für die Belange des Misereor-Freiwilligendienstes zuständig. © Klaus Mellenthin / Misereor

Herr Antkowiak, welches ist Ihr Lieblingsprojekt?

Ein direktes Lieblingsprojekt habe ich nicht, weil meine Aufgabe nicht die Projektarbeit ist. Aber ich kenne Projekte im Bereich des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes, die ich auch besucht habe. Insofern könnte ich sagen, dieser Bereich liegt mir sehr am Herzen.

Warum liegt Ihnen der Freiwilligendienst am Herzen? Was macht ihn zu etwas Besonderem?

Weil ich finde, dass der Freiwilligendienst im Ausland, wo junge Leute einen „Lerndienst“ leisten können, ganz andere Erfahrungsfelder eröffnet. Ich habe das immer so beschrieben, dass es für die jungen Erwachsenen ein Lerndienst ist, weil sie häufig nach der Schule ein knappes Jahr in einer völlig anderen Umgebung, unter völlig anderen Bedingungen leben und in Projekten mitarbeiten können. Dabei lernen sie enorm viel für sich selber und für ihr Leben. Auch für die Eltern ist es eine Lernerfahrung, wenn ihre Kinder mal zehn Monate wirklich und weit weg sind. Und wir bei Misereor lernen viel daraus, weil die jungen Menschen anders wiederkommen – den Kopf voll, das Herz voll. Mit Erfahrungen, mit Fragen, mit Anfragen, auch an uns. Und das heißt, dass wir auch immer wieder unsere Arbeit, ja, ein Stück neu ausrichten und überdenken müssen. Und den Rückkehrer*innen natürlich auch Chancen zu öffnen, sich weiter zu engagieren.

Wie kann man sich den Freiwilligendienst konkret vorstellen?

Zunächst werden aus dem Kreis der Bewerber*innen die passenden Freiwilligen ausgesucht. Sie absolvieren dann einen Kurs über etwa eine Woche. Dort wird alles von Auslandserfahrungen, Erwartungen und -herausforderungen vielfältiger Art bis hin zur Sicherheit besprochen. Schließlich haben wir am Schluss der Vorbereitung noch einen Kurs, der die Misereor spezifischen Dinge berücksichtigt, z.B. die konkreten Projekte. Nach einem Aussendungsgottesdienst geht es dann nach und nach in die unterschiedlichen Länder. Und vor Ort sind die Freiwilligen dann in den Projekten. Oft sind es Projekte für Kinder und Jugendliche, in denen der Lerndienst geleistet wird. Dort machen sie Unterricht, Sport- und Freizeitangebote, manchmal auch Verwaltungstätigkeiten ganz unterschiedlicher Art.

Aber der Freiwilligendienst ist nicht zu Ende, wenn man heimkommt. Wir haben eine gute Rückkehrer*innen-Arbeit, die ansetzt bei den Erfahrungen, Möglichkeiten und Wünschen der Zurückgekehrten. So kann das die Unterstützung konkreter Misereor-Aktivitäten sein. Oder Veranstaltungen, die die zurückgekehrten Freiwilligen selbst vorbereiten, bis hin zu anspruchsvollen Themen entwicklungspolitischer Bildungsarbeit. Die Rückkehrer*innen beschäftigen sich mit Themen, die auch Misereor-Themen sind. Es ist für uns sehr, sehr wertvoll, finde ich, diesen Zugang zu haben. Und ich freue mich sehr, dass wir so mit mehr als der Hälfte der ehemaligen Freiwilligen noch in intensivem Kontakt stehen.

Der Freiwilligendienst stellt die Welt auf den Kopf
Beim Freiwilligendienst wird die eigene Welt auf den Kopf gestellt: Hier lernen die Freiwilligen viel für sich und ihr Leben.

Das lässt sich doch schon als Erfolg bezeichnen. Gibt es noch weitere Erfolge, die sich nennen lassen?

Ich glaube wirklich, dass es ein Erfolg ist, eine so gute Rückkehrer-Arbeit zu haben. Und das liegt natürlich einmal daran, dass wir Mitarbeitende haben, die den Freiwilligendienst verantworten und begleiten. Und ich sehe auch als Erfolg, dass wir eben auch bei den Freiwilligen ganz tolle Menschen haben. Unterschiedliche junge Leute, von denen wir später auch hören, was sie beruflich Interessantes machen und wo sie gelandet sind. Und es freut mich schon, weil sie immer noch die Verbindung zu uns haben und halten.

Gibt es denn auch Probleme, einerseits für den Freiwilligendienst selber, andererseits aber auch für die Freiwilligen vor Ort, die bewältigt werden müssen?

Natürlich, es gibt einige Probleme beziehungsweise Herausforderungen. Manche sprechen wir natürlich an, zum Beispiel kulturelle Unterschiede. Es ist zum Beispiel immer ein Thema „was gibt es zu Essen”? Da gibt es weltweit wirklich sehr, sehr unterschiedliche Kochkünste, Geschmäcker, Zutaten, Essensbestandteile und das wird schon thematisiert.

Oder wir haben auch schon Partner gehabt, die haben den natürlichen Reflex auf die jungen Leute aufpassen zu wollen. Jetzt sind die Freiwilligen aber alles Erwachsene, keine und keiner ist unter 18. Aber dieses Behüten und Aufpassen ist natürlich noch mal anders, wenn eine junge Person kommt, der das Land, die Kultur, die Umgebung fremd sind. Und wenn solche Betreuung zu intensiv wird, dann kann es natürlich schon mal zu Konflikten kommen.
Es kann natürlich auch passieren, dass sich mal jemand ein Bein bricht, anders verletzt oder krank wird. Das kommt alles vor.

Wie ist das für den Freiwilligendienst selber, gibt es da auch Probleme?

Es gibt Partner, die sagen, wir können keine Freiwilligen mehr nehmen. In Thailand gibt es eine ganze Reihe guter Stellen. Dennoch ist der Freiwilligendienst derzeit nicht möglich, weil die Freiwilligen eine Arbeitserlaubnis brauchen. Aber eine Arbeitserlaubnis kann man nicht vergeben, weil Freiwillige nicht Arbeitsplätze besetzen sollen, es nicht ein Gehalt, sondern ein Taschengeld gibt.

Manche Partner wollen auch die Verantwortung nicht tragen, andere fordern bestimmte Kompetenzen, Ausbildung, oder besondere sprachliche Kenntnisse. Ohne die geht es dann nicht. Und es bleibt eine Herausforderung, immer wieder auch neue Partner zu motivieren. Schließlich merken wir natürlich, dass es mit der Corona-Pandemie einen Einbruch bei den Bewerberzahlen gegeben hat. Das ist nicht ganz einfach aufzuholen. Ich hoffe, dass das wieder aufwärts geht.

Gibt es dementsprechend etwas, das Sie sich für die Zukunft des Freiwilligendienstes wünschen würden?

Ja, das Erste ist natürlich, dass es immer wieder junge Frauen und Männer gibt, die so etwas machen. Dass es immer wieder neue Ideen gibt und dass wir auf der anderen Seite immer wieder Partner finden, die mit Freiwilligen zusammenarbeiten wollen, denn das ist nicht selbstverständlich.
Und wir haben ein Reverse-Programm, das heißt, es kommen auch Freiwillige aus dem globalen Süden von Partnern zu uns. Ich würde mir wünschen, dass wir diese Komponente auch immer wieder besetzen können. Das ist wichtig in diesem Zusammenhang, weil es dazu beiträgt, dass der Freiwilligendienst keine Einbahnstraßen-Geschichte ist, sondern dass beide Seiten etwas davon haben. Zwei Wünsche, von denen ich glaube, dass sie die wichtigsten sind. Der Dritte wäre eben mit Blick auf die Zurückgekehrten, dass die Tendenz, sich zu engagieren oder zumindest in Verbindung zu bleiben, auch weiter anhält.


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Julia Stollenwerk ist Referentin für Kommunikation bei Misereor.

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