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Gesund dank Kalzium

Wenn es Böden der Landwirtschaft an wichtigen Nährstoffen fehlt, wirkt sich das auch auf Menschen aus. Denn auf ihnen wachsen Agrarprodukte, welche in nicht ausreichendem Maß notwendige und lebenswichtige Substanzen enthalten. Das ist auch im Norden Nigerias der Fall, wo es aufgrund von Kalziummangel gehäuft zu Missbildungen kommt. Die „Hope for the Village Child Foundation“ in Kaduna sorgt für die medizinische Betreuung betroffener Kinder. Anja Heuschen, Referentin für Spenderkommunikation, hat das Projekt vor Ort kennenlernen dürfen. Bis heute hallt der Besuch in ihr nach.

Im Jahr 2008 hat Anja Heuschen das Projekt „Hope for the Village Child“ in Nigeria besucht. © Misereor

Anja, wieso ist die „Hope for the Village Child Foundation“ dein Lieblingsprojekt?

Ehrlich gesagt habe ich lange überlegt, welches Projekt mein Lieblingsprojekt ist. Bevor ich in die Spenderkommunikation wechselte, habe ich 16 Jahre lang in der Abteilung „Afrika und Naher Osten“ gearbeitet und bin dienstlich in viele verschiedene Länder gereist. Als ehemals zuständige Mitarbeiterin im Bereich der administrativen Projektarbeit, habe ich mir vor Ort Eindrücke unserer Projekte verschafft und konnte administrative Fragen mit unseren Partnerorganisationen persönlich klären.

Immer wieder begegneten mir beeindruckende Projekte, doch „Hope for the Village Child“ in Nigeria hat mich ganz besonders berührt. In dem Projekt geht es um die medizinische Betreuung von Kindern mit Fehl- und Missbildungen, die an Rachitis erkrankt sind.

Wie sieht die medizinische Betreuung vor Ort aus?

Da die Fehlbildungen aufgrund von langfristigen Kalziummangel entstehen, kann man diesen mit ziemlich einfachen Mitteln vorbeugen. Unsere Projektpartner*innen händigen werdenden Müttern bereits während der Schwangerschaft Kalzium-Präparate aus, damit kann schon ein sehr großer Teil der Fehlbildungen beim ungeborenen Kind verhindert werden. Für Kinder, die bereits Fehlbildungen haben und unter großen Schmerzen leiden, führt ein lokales Ärzteteam Operationen durch, mit dem Ziel Körpergliedmaßen zu begradigen und die Schmerzen zu lindern. Die Kinder erhalten dadurch mehr Lebensqualität und können wieder am gesellschaftlichen Leben sowie am Schulunterricht teilnehmen. Sie können durch die Hilfe von „Hope for the village child“ ein neues und schmerzfreies Leben führen. Besonders hervorzuheben ist die wichtige Aufklärungsarbeit durch das Projektpersonal. Nach und nach werden die verschiedenen Ortschaften aufgesucht und unter anderem über die Risiken von Monokulturen in der Landwirtschaft und den daraus resultierenden Auswirkungen aufgeklärt. Dem Boden fehlt es durch diese Anbauweise an Nährstoffen, so dass es überhaupt erst zu einem Kalziummangel kommt. Über die Notwendigkeit einer ausgewogenen und kalziumhaltigen Ernährung wird ebenfalls aufgeklärt. Das Gebiet ist allerdings regelmäßig von gewaltsamen Auseinandersetzungen betroffen, was eine gesunde Ernährung erschwert.

Du sprichst von Auseinandersetzungen. Welche gesellschaftlichen
Herausforderungen müssen bewältigt werden?

Die Nigerianer*innen müssen mit vielen Problemen fertig werden: Es gibt Spannungen zwischen den ethnischen Gruppen, der Norden des Landes ist überwiegend muslimisch geprägt, der Süden christlich. Die Lage ist aktuell wegen des Banditentums und verschiedener Konflikte sehr gefährlich. Sogar die Projekt-Direktorin vor Ort lebt an einem geheimen Ort, weil sie bedroht wird und das Risiko, entführt zu werden, zu groß ist. Teilweise können die Menschen nicht mehr ihre Felder bestellen oder gehen mit ständiger Angst dort hin. Damit hat die Bevölkerung schwer zu kämpfen. Dann auch noch auf eine ausgewogene Ernährung und auf den Anbau von nährstoffreichen Lebensmitteln zu achten, ist schwierig.

Bei vielen Kindern konnte die Knochenkrankheit Rachitis durch Nährstoffzugaben vorgebeugt werden. © Misereor

Welche Erfolge konnten bisher verzeichnet werden?

Es ist inzwischen so, dass 95 Prozent der Neugeborenen, deren Mütter die Kalziumzugaben schon während der Schwangerschaft bekommen haben, gesund geboren werden und keine Rachitis haben. Das Projekt wurde außerdem auf weitere Gebiete ausgedehnt und zieht weitere Kreise. Nicht mehr nur im ländlichen Kaduna, sondern auch in den Städten. Die Projektverantwortlichen behandeln Kinder, Jugendliche und Mütter. Das Projekt spricht sich herum und die Menschen werden aktiv auf die Angebote hingewiesen.

Hattest du beim Projektbesuch eine besondere Begegnung, die nachhallt?

Ja, aus diesem Grund ist mir das Projekt auch in den Sinn gekommen. Ich bin bereits 2008 in dem Projekt im Bundestaat Kaduna gewesen, das ist nun schon etwas länger her. Es war eine anstrengende Reise, wir sind 2.500 Kilometer mit dem Auto durch die Region gefahren. Bei unserer Ankunft habe ich mir zunächst die Verwaltung angesehen. Dann kamen wir zu den Kindern. Viele von ihnen saßen auf dem Boden und haben gestrahlt, obwohl sie wegen der Operationen teilweise komplett eingegipst waren. Die Arme, die Beine… Sie konnten sich kaum bewegen, nicht selber laufen und mussten getragen werden. Aber sie wirkten so glücklich und froh, das war herzzerreißend. Dieser Moment, ist mir sehr in Erinnerung geblieben.

Was wünschst du dir für die Zukunft des Projektes?

Ich wünsche mir für die Zukunft des Projektes, dass die Auswirkungen von Mangelernährung bekannter werden und die Menschen der Region so aufgeklärt sind, dass eine ausgewogene Ernährung Bestandteil des täglichen Lebens ist. Aber auch eine stärkere Beteiligung und Unterstützung der Regierung, damit die Nachhaltigkeit des Projekts gesichert ist. Schön wäre, wenn die Zahl der Operationen weiter zurückgeht, weil vorweg die Aufklärungsarbeit und Zugabe von Kalziumpräparaten schon gegriffen hat.


Hintergrund

Der Bundesstaat Kaduna liegt im Nordwesten Nigerias und ist in zwei Regionen unterteilt: den christlich dominierten Süden und den muslimisch dominierten Norden. Kaduna-Stadt hat aufgrund ethnisch-religiöser Konflikte einen Kreislauf der Gewalt erlebt und gilt als eine der instabilsten Städte im Norden Nigerias. Aufgrund von Entführungen, Erpressung, Viehdiebstählen usw. gilt Kaduna auch als der unsicherste Bundesstaat in ganz Nigeria.

„Hope for the Village Child Foundation“ hat bei ihrer Arbeit im Basisgesundheitsbereich in ländlichen Regionen festgestellt, dass viele Kinder und Jugendliche unter Kleinwuchs oder starken Deformationen der Beine sowie damit einhergehenden andauernden Schmerzzuständen leiden. Insbesondere die Volksgruppe der Gbaygi ist von den Knochenverformungen betroffen.

Die Ursachenforschung hat ergeben, dass die Betroffenen an Rachitis leiden, eine Krankheit, bei der es zu der erwähnten Knochenverformung kommt. Die Knochen verbiegen und verdrehen sich aufgrund des Kalziummangels. Daher ist es nicht ungewöhnlich, in den Gebieten der Stadt Kaduna Kinder zu sehen, die aufgrund von Missbildungen in den Beiden nur schwer gehen können.

Weitere Informationen:
Hope for the Village Child Foundation – A Home for all. (hvcfoundation.org.ng)


Mein Lieblingsprojekt

Mein Lieblingsprojekt: Hände machen ein Herz

In der Reihe „Mein Lieblingsprojekt“ stellen Misereor-Mitarbeitende regelmäßig Projekte vor, die ihnen besonders am Herzen liegen und geben so Menschen aus dem Süden ein Gesicht.

Geschrieben von:

Portrait einer Mitarbeiterin

Charleen Kovac ist Presse-Volontärin bei Misereor.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Portrait einer Mitarbeiterin

    Lieber Herr Lappe,

    bitte entschuldigen Sie vielmals die verspätete Rückmeldung. Ich habe nun mit der entsprechenden Länderreferentin gesprochen, die Folgenendes ausrichten lässt:

    Es werden bevorzugt Familien/Frauen ausgewählt, die Rachitis in der Vorgeschichte haben (Kinder mit Rachitis). Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit besonders hoch, dass während der Schwangerschaft, Stillzeit und durch sonstige mangelhafte Ernährung weitere Kinder wiederum an Rachitis leiden. Durch die Kalziumgabe haben 95 % von 100 Frauen Kinder ohne Rachitis, aber auch Aufklärung zur Vorbeugung, der Anbau von Feldfrüchte mit erhöhtem Kalziumgehalt und verbesserte Ernährung spielen dabei eine Rolle. Zudem erhalten betroffene Kinder Kalziumgaben und falls notwendig auch Operationen.

    Bäuerliche Familien erhalten Aufklärung zu Anbaufrüchten mit höherem Kalziumgehalt, verbesserte Anbaumethoden und wie die Nahrungsmittel in unterschiedlichen Variationen gekocht werden können, damit auch ausreichend davon gegessen wird. Abgesehen von diesen Maßnahmen werden lokale Führungspersönlichkeiten zu der Thematik aufgeklärt und durch Advocacy-Arbeit werden Regierungsverantwortliche auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine aktive Rolle in der Bekämpfung von Rachitis einzunehmen.

    Falls Sie weitere Informationen wünschen, kann ich Sie gerne mit der zuständigen Ansprechpartnerin in Kontakt bringen.

    Beste Grüße

    Charleen Kovac

  2. Avatar-Foto

    Hallo Frau Kovac,

    in Ihrem Bericht erwähnen Sie das ca. 5% der Neugeborenen, deren Mütter Kalziumgaben erhalten haben, keine Rachitis haben. Immer noch ein großer Anteil! Aber: wie hoch ist denn der Anteil der Rachitischen Kinder wenn keine Kalziumgaben erfolgen? Oder konkret: Wie hoch ist der tatsächliche Vorteil der vorbeugenden Kalziumgaben?

    Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

    Herzliche Grüße

    Martin Lappe

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