Gute Ernährung hat ihren Preis, schlechte Ernährung gefährdet Menschenleben. Warum sich so viele keine gesunde Ernährung leisten können und was die Folgen davon sind.
Nahrung ist ein Menschenrecht. Alle sollten die Möglichkeit haben, sich gut zu ernähren. Das heißt, ausreichend Nahrungsmittel essen zu können, die gesund sind und kulturell akzeptabel – zum Beispiel koscher im jüdischen Kontext. So ist es im Völkerrecht verankert. Die Realität sieht anders aus: Seit 2014 wächst der Hunger weltweit wieder, nachdem er zuvor zurückgegangen war. Doch selbst wer kalorisch ausreichend Nahrung zu sich nimmt, ist oft weit vom Recht auf eine angemessene Ernährung entfernt. Eine der Hauptursachen ist Armut. Sie zwingt Menschen dazu, sich unzureichend und ungesund zu ernähren – mit weitreichenden Folgen, auch für die gesamte Gesellschaft.
Gerade die besonders nährstoffreichen Produkte wie Obst und Gemüse sind verhältnismäßig teuer und für Personen mit wenig Einkommen unerschwinglich. So verhindert Armut, dass sich Menschen gesunde Lebensmittel leisten können. Und: Armut trägt – insbesondere in Ländern mit etwas höheren Einkommen – zum übermäßigen Verzehr nährstoffarmer, aber energiereicher Produkte bei, die viel Fett, Zucker und Kohlenhydrate, aber wenig Mineralien und Vitamine enthalten. Denn diese werden durch moderne Vertriebswege – zum Beispiel abgepackte Produkte in Supermärkten – omnipräsent, bequem und oftmals im Verhältnis günstiger angeboten als etwa frisches Obst und Gemüse. Wissenschaftler*innen sprechen hier von der „doppelten Belastung“: Die Unterversorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Nährstoffen besteht weiter, während Übergewicht zum zusätzlichen Problem wird.
Die Kosten gesunder Ernährung
Um sichtbar zu machen, wie sich die Einkünfte auf die Ernährung auswirken, haben Forschende den Mindestpreis einer gesunden Ernährung in jedem Land weltweit berechnet. Dafür haben sie die offiziellen Empfehlungen für den Verzehr der verschiedenen Nahrungsmittelgruppen betrachtet. Für jede dieser Nahrungsgruppen haben sie die Kosten der günstigsten Produkte im jeweiligen Land addiert, um jeweils den minimalen Preis einer gesunden Ernährung zu berechnen. Weltweit lag dieser Preis 2021 bei umgerechnet 2,89 Euro pro Tag. Die Untersuchung zeigt: Mehr als drei Milliarden Menschen können sich selbst diese geringen Preise in ihrem Land nicht leisten.[1]
Der Preis einer schlechten Ernährung
Eine schlechte Ernährung hat schwerwiegende Folgen und wirkt sich auf den gesamten Lebensweg eines Menschen aus: Das Fehlen vitaler Nährstoffe wie Jod, Vitamin A oder Eisen schränkt nicht nur die körperliche Entwicklung von Kindern ein, sondern auch die motorische und kognitive. Die Kinder werden anfälliger für Krankheiten und können schlechter lernen als gut ernährte Gleichaltrige. Fatal ist: Die Folgen einer Mangelernährung in den ersten 1.000 Tagen des Lebens sind kaum mehr aufzuholen. Viele Menschen werden ein Leben lang darunter leiden. Auch die ökonomischen Chancen verschlechtern sich. Laut Schätzungen verdienen Personen, die in ihrer Kindheit eine Wachstumsverzögerung erfahren haben, im Laufe ihres Lebens 20 Prozent weniger als diejenigen mit einer gesunden Entwicklung.[2] Für jene Menschen und Gesellschaften, die mit diesen Folgen leben, entsteht so eine weitere Barriere, die verhindert, dass der Teufelskreis von Armut und schlechter Ernährung durchbrochen werden kann.
Armut und Hunger zusammen bekämpfen
Auch nach der Kindheit führt Mangelernährung zu schweren Schäden. Einerseits trägt das Fehlen von Nährstoffen zu gesundheitlichen Einschränkungen bei. Beispielsweise leiden 29,9 Prozent aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren weltweit unter Blutarmut.[3] Ein Grund ist die zu geringe Aufnahme von Eisen. Andererseits führt der zu hohe Konsum besonders energiereicher und hoch verarbeiteter Produkte, wie stark gesüßter Getränke oder fettiger Speisen, zu einer globalen Epidemie des Übergewichts. Dies erhöht ebenfalls das Krankheitsrisiko. Allein die weltweiten Kosten der dadurch mitverursachten Diabetes bezifferten sich bereits 2015 auf 1,3 Billionen US-Dollar.[4] Die Belastung für die Gesundheitssysteme, die Wirtschaft, aber vor allem für die Menschen ist dramatisch. In Indien zum Beispiel stieg der Anteil der übergewichtigen Frauen in der Bevölkerung in nur vier Jahren um fast vier Prozentpunkte auf 23 Prozent an. Auch der Anteil der Frauen mit Anämie erhöhte sich um vier auf nun 57 Prozent. Die Lösung dieses Problems wird keine neue Wundertechnologie sein. Es braucht eine entschiedene Politik auf dem Weg gegen Hunger und Mangelernährung. Dazu gehören mehr Bildung, eine bessere Regulierung von Lebensmittelwerbung, eine klimaresistente und agrarökologische Landwirtschaft und in vielen Teilen der Welt das Beenden bewaffneter Konflikte. Doch wenn Menschen sich die gesunden Lebensmittel nicht leisten können, reicht all das nicht aus. Ohne einen Sieg über die Armut wird es auch keinen Sieg über Hunger und Mangelernährung geben.
Gute Ernährung ist mehr als ein voller Magen
Was macht gute Ernährung aus, auf die jeder Mensch ein Anrecht hat? Sie muss die Nährstoffe für ein gesundes Leben liefern. Täglich ausreichend vorhanden sein. Keine krank machenden Stoffe oder Keime enthalten und kulturell angemessen sein. Entscheidend für die Versorgung mit lebenswichtigen Nährstoffen ist eine ausgewogene Mischung verschiedener Lebensmittelgruppen. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bedeutet das: viel Gemüse, Obst, Vollkorn, Hülsenfrüchte, eine angemessene Menge ungesättigter Fette und nur sehr geringe Mengen an Salz, Zucker und gesättigten Fetten.
Statement zum Welternährungstag 2023 von Lutz Depenbusch, Experte für Landwirtschaft und Welternährung bei Misereor.
Die Misereor-Publikation „Herausforderung Hunger – Jahresheft Welternährung 2023/24″ zeigt: Hunger und Armut sind eng miteinander verstrickt. Wie viel Geld den Menschen weltweit fehlt, um sich eine ausgewogene Ernährung leisten zu können, stellt die „Armutslücke gesunder Ernährung“ dar. Wer Hunger bekämpfen will, muss gegen Armut und Ungleichheit angehen. Wie die Misereor-Partnerorganisationen mit gutem Beispiel vorangehen, lesen Sie in der Publikation.
[1] FAO, IFAD, UNICEF, WFP und WHO (2023). The State of Food Security and Nutrition in the World 2023.
[2] FAO, IFAD, UNICEF, WFP und WHO (2020). The State of Food Security and Nutrition in the World 2020. Grantham-McGregor et al. (2007). Developmental potential in the first 5 years for children in developing countries.
[3] ³ FAO, IFAD, UNICEF, WFP und WHO (2023). The State of Food Security and Nutrition in the World 2023.
[4] Bommer et al. (2018). Global Economic Burden of Diabetes in Adults: Projections From 2015 to 2030.
Lieber Jens,
Der Sorge um die Ernährung in Deutschland kann ich mich anschließen. Im Jahr 2017 waren in der Altersgruppe von 3 bis 17 Jahren rund 15% der Jungen und Mädchen von Übergewicht betroffen. Dabei waren Kinder aus (sogenannten) sozial schwächeren Kontexten deutlich öfter betroffen als Kinder aus bessergestellten Familien. Individuelles Verhalten und die Entscheidung zu einer guten Ernährung sind wichtig, aber als Gesellschaft müssen wir auch auf unsere Politik schauen. Es muss einfacher sein sich gut zu ernähren und zu wissen was eine gute Ernährung ist.
An dieser Stelle könnten wir in Deutschland viel von anderen Ländern lernen. Chile hat schon 2016 ein Gesetz beschlossen laut dem Produkte mit besonders ungesunden Inhaltsstoffen (z.B. besonders viel Zucker) deutlich markiert sein müssen. Diese Produkte dürfen Kindern nicht mehr mit Werbeanzeigen, Spielzeugen, oder Comicfiguren auf der Packung angepriesen werden. An Schulen oder in Krankenhäusern dürfen die Produkte nicht mehr verkauft werden. Man kann alles weiter im (Super)markt kaufen, es geht also nicht um eine Verbotspolitik, sondern darum eine bewusstere, gesündere Ernährung zu fördern. Vor langer Zeit schrieb die Zeit über die Reform, aber es gibt auch neuere Artikel in englischer Sprache.
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Maßnahmen wirken. Zum Beispiel nahm der Zuckerkonsum um 10% ab.
In Deutschland wird im Rahmen der Ernährungsstrategie jetzt auch eine Werbeverbot für ungesunde Produkte an Kinder geplant, aber leider wird versucht dieses aufzuweichen.
Mit besten Grüßen,
Lutz Depenbusch
Der Beitrag hat mich sehr nachdenklich gemacht. Ich sehe das Problem der richtigen Ernährung auch in unserer hochentwickelten Welt. Kinder bekommen viel zu essen. Aber ob es das Richtige mit den notwendigen Inhaltsstoffen ist, kann bezweifelt werden.
Wer einen eigenen Garten hat, kann sein Gemüse selbst anbauen. Das gilt auch für „Bio“. Etwas teurer, aber nahrhaft.