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Misereor Jahresempfang 2023: Globale Gerechtigkeit am Ende?

Die wirtschaftspolitische Zeitenwende

Klimawandel, Zinswende und der Ukrainekrieg haben die Weltwirtschaft schwer erschüttert. Die aktuelle Mehrfachkrise stellt mühsam erreichte Fortschritte für mehr globale Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit infrage und verschlechtert die Lebensbedingungen von Millionen von Menschen.

Ein Abend rund um die Frage, wie wir den aktuellen wirtschaftspolitischen Herausforderungen begegnen können. Darüber diskutierten Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel, Staatssekretär Sven Giegold, Prof. Dr. Stefanie Lorenzen und Misereor Projektpartnerin Maureen Santos.

Die Rednerinnen und Redner des Abends: Maureen Santos, Pirmin Spiegel, Tanja Samrotzki, Sven Giegold, Prof. Dr. Stefanie Lorenzen (v.l.n.r.) © Bredehorst | Misereor
Die Rednerinnen und Redner des Abends: Maureen Santos, Pirmin Spiegel, Prof. Dr. Stefanie Lorenzen, Sven Giegold, Tanja Samrotzki (v.l.n.r.) © Bredehorst | Misereor

Herr Spiegel, wie stellt sich die wirtschaftspolitische Zeitenwende, von der aktuell die Rede ist, aus Ihrer Sicht dar?

 „Anstatt in der Krisenbekämpfung entschlossen gemeinsam und multilateral zu handeln – wie es jüngst Papst Franziskus in seinem apostolischen Schreiben Schreiben „Laudato Deum“ eindrücklich gefordert hat – sind wir Zeugen einer zunehmenden weltpolitischen Blockbildung entlang nationaler Interessenlagen. (…) Papst Franziskus stellt an die Machthaber der Welt die Frage: ‚Wozu wollt ihr heute eine Macht aufrechterhalten, die in der Erinnerung fortlebt wegen ihrer Unfähigkeit einzugreifen, wann immer es dringend und notwendig war?‘“

Ungebändigter Freihandel oder die Liberalisierung von Märkten und Preisen habe zu mannigfachen strukturellen Krisen in vielen der Misereor-Partnerländer geführt, resümiert Pirmin Spiegel © Bredehorst | Misereor

Frau Santos, wie erleben Sie die Situation in Brasilien?

„Die Armut in Brasilien ist in den letzten 16 Jahren stark gestiegen. Ca. 30 Prozent der brasilianischen Bevölkerung lebt in Armut, ca. 8 Prozent in extremer Armut, und dass trotz gestiegenem Handel und hohen Exporten. Das Problem ist, dass der Handel zwischen der EU und Brasilien nicht auf Augenhöhe, sondern asymmetrisch ist. Die EU und ihre Konzerne sichern sich durch billige Rohstoffe aus Brasilien den Löwenanteil der Wertschöpfung und behindern durch Handelsverträge wie dem Mercosur eine wirtschaftliche Emanzipation Brasiliens. Wir brauchen eine Kooperation auf Augenhöhe, die Brasilien neue Spielräume für eine menschenrechtsbasierte und ökologische Form des Wirtschaftens ermöglicht.“

Aus Sicht des Wirtschaftswissenschaftlers Dr. Werner Raza hat eine global eng verschränkte Handelspolitik nicht dazu geführt, dass Lieferketten nachhaltiger sicherer und menschenrechtskonformer werden. Notwendig sei eine stärkere Regulierung transnationaler Unternehmen im Interesse des Gemeinwohls, wie wir es durch verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen nun in Deutschland erreicht haben.

Beklagt Asymmetrien in der Handels- und Wirtschaftspolitik: Maureen Santos, Misereor-Projektpartnerin aus Brasilien, Federação de Órgãos para Assistência Social e Educacional (FASE) © Bredehorst | Misereor

Frau Lorenzen, wo sehen Sie den Wert des Lieferkettengesetzes?

„Hier haben wir ein Instrument, das Wirtschaftsakteure, Unternehmen im Globalen Norden in Deutschland und auch in Europa dazu verpflichten muss, zu schauen, wie die Arbeitsbedingungen über Deutschland hinaus sind. Das ist erst einmal eine gute Nachricht. Dabei ist aber wichtig, dass dabei die Betroffenen vor Ort mit einbezogen werden. Man muss das Gesetz stark machen, indem man die Menschen in den Partnerländern mit einbezieht.

„Es ist gut, wenn sich die Bundesregierung für ein EU-Lieferkettengesetz einsetzt“, sagt Stefanie Lorenzen, Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin. © Bredehorst | Misereor

Gegenwärtig wird ein Lieferkettengesetz auf EU-Ebene abgestimmt. Was würde ein solches Gesetz bringen, Herr Giegold?

„Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir ein weitreichendes EU-Lieferkettengesetz bekommen, weil es die Menschenrechte und den Umweltschutz in besonderem Maße stärken wird und rechtliche und ökologische Rahmenbedingungen für Handelsbeziehungen setzt. Die Bundesregierung will es und wir müssen es jetzt durchsetzen!“

Wir brauchen den Rückenwind von Organisationen der Zivilgesellschaft, aus Kirchen und Verbänden für ein starkes EU-Lieferkettengesetz, sagt Sven Giegold, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz © Bredehorst | Misereor

Geschrieben von: und

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Nina Brodbeck arbeitet bei Misereor in der Abteilung Kommunikation.

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Barbara Wiegard arbeitet als Pressesprecherin bei Misereor. Alle Neuigkeiten von ihr gibt es auch bei www.twitter.com/barbarawiegard

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