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Fair und kein Grad mehr

So lautet das Motto der fairen Woche 2023, die jährlich vom Forum Fairer Handel in Kooperation mit dem Weltladen-Dachverband und Fairtrade Deutschland ausgerufen wird. Fair ist auch mein Kaffee, den ich trinke und der am 1. Oktober mit dem Tag des Kaffees gefeiert wird. Fair, weil die Produzent*innen angemessen entlohnt werden und ich keine Kinderarbeit unterstützen möchte. Fair, weil zumindest Anbau und Produktion klimafreundlicher verlaufen. Für mich ist er zudem bezahlbar und somit auch in für mich ausreichender Menge verfügbar. Was – wie Karl Lauterbach neulich so schön bestätigte – trotzdem nicht auf meine Gesundheit schlägt.

Diese erstklassige Ernte von Arabica-Kirschen aus dem Dorf Chonta in Piura, Peru wird einen fairen Preis erzielen, denn die Kooperative kann sie u.a. an die GEPA verkaufen.
© Kopp/Misereor

Kaffee leidet unter der Erderhitzung

Doch ist es angesichts der Klimakrise nur eine Frage der Zeit, bis diese Selbstverständlichkeit auch für den Mittelstand zum Luxusgut werden dürfte. Und das nicht etwa, weil faire Produkte per se zu teuer seien – immerhin bekomme ich in der Stadt nur zwei Latte zum Preis für ein ganzes faires Pfund. Und auch nicht, weil die Container-Schifffahrt, die auch den Kaffee transportiert, endlich klimafreundlicher werden muss. Nein, es wird zu teuer, weil die Klimakrise selbst den Anbau massiv erschweren wird.

Bis Mitte des Jahrhunderts könnte es auf 60 Prozent der derzeitigen Anbauflächen zu heiß sein bzw. das Dampfdruckdefizit (das muss man nicht kennen) zu hoch werden. Dann reifen zwar die Kirschfrüchte des Strauches aus, nicht aber die Kerne, welche uns als Kaffee-Bohne bekannt sind. Schon heute ist zu beobachten, dass die Kaffeepflanzen weltweit unter Stress stehen und weniger bzw. in schlechterer Qualität produzieren. Dies führt zu vielfältigen, teils komplexen Wechselwirkungen, die dem Wald- und Klimaschutz dienen, aber auch schaden können.

Kaffeepflanzen in Piura, Peru leiden unter Kaffeerost “La Roya”. Die Ausbreitung des Befalls wird durch die Klimaerhitzung verstärkt. © Kopp/Misereor

Klimaschutz und Anpassung im Kaffeeanbau

Viele Kaffeeplantagen nehmen sich ein Beispiel an Anbausystemen aus dem fairen Handel und bringen mehr Bäume und damit Vielfalt in die Fläche. Ihre Kronen bieten Schatten, Kühlung und Schutz vor Regen und Sturm, ihr Wurzeln schützen den wertvollen Boden. Obendrauf profitieren Wildpflanzen, Insekten und andere Tiere, welche wiederum Schädlinge in Schach halten. Das dient nicht nur der Anpassung an die Veränderungen, sondern auch dem Klimaschutz, da mehr Kohlenstoff auf der Fläche in den Bäumen und Böden gebunden werden kann.

Doch selbst manche derart bewirtschafteten Standorte kommen bereits an ihre Grenzen. Trotz der Maßnahmen wird es den Pflanzen zu heiß. Damit bricht eine wichtige Einkommensquelle der Bauernfamilien weg. Manche Produzent*innen müssen den Kaffeeanbau aufgeben, setzen auf andere Kulturen und fällen die Kaffeepflanzen und Bäume zugunsten von Ackerbau. Manch andere*r Produzent*in erschließt sich neue Flächen zum Anbau von Kaffee und zieht beispielsweise bergauf, wo es noch kühler ist, und zerstört in diesem Zuge die dortigen Ökosysteme. Der faire Handel kann hier Strukturen schaffen, um die Familien dabei zu unterstützen das fehlende Einkommen aus den Kaffeebohnen durch neue einkommensschaffende Elemente im Anbausystem auszugleichen.

Auf 1600 Meter Höhe in Piura, Peru, löst der Zuckerrohranbau (links) die alten Kaffeekulturen (rechts) ab. Mit dem Zuckerrohr müssen nun völlig andere Märkte erschlossen werden. © Kopp/Misereor

Fit für die Zukunft?

Diese Beispiele zeigen, wie wichtig es schon heute ist, die künftigen Entwicklungen in den Blick zu nehmen: Wer Kaffee pflanzt, sollte sich mit den Klimaszenarien der Zukunft auseinandersetzen, sie für den Fall extremer Wetterereignisse in Agroforstsysteme integrieren und das Anbausystem so vielfältig gestalten, dass auch solche Pflanzen integriert sind, die Einkommen generieren, wenn die Temperaturen dem Kaffee zu ungemütlich werden.

Kaffeesetzlinge in Piura, Peru. Es handelt sich um spezialisierte Sorten, die zukünftig kleine Erntemengen für Kaffeespezialitäten liefern werden. Von Masse zur Klasse.
© Kopp/Misereor

Please drink fair and save the Earth. It´s the only planet with Coffee.

Um genau diese klimafreundlichen, resilienten und zukunftsfesteren Anbausysteme zu fördern, greife ich zum fairen Kaffee. Und damit die Grenzen der Anpassung für den Kaffeeanbau nicht vollkommen überschritten werden, setze ich mich für weltweiten Klimaschutz ein (natürlich nicht nur deshalb!).

Insofern trifft die Botschaft der fairen Woche den Nagel auf den Kopf:

Fair: Weil Bauernfamilien heute und im Klima der Zukunft profitieren und der Anbau klimafreundlicher ist als der konventionelle.

Und kein (zehntel) Grad mehr! Weil unsere Nahrungs- und Genussmittelproduktion schon heute vielerorts an ihre Grenzen stoßen und jedes zehntel Grad mehr die Zukunftschancen der 12,5 Millionen bis 25 Millionen Kaffeebäuer*innen negativ beeinträchtigt.


Der Wert eines guten Kaffees

Im Norden Perus bauen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern Kaffee, Kakao und Zuckerrohr an. Auf dem Weltmarkt bekommen sie dafür nur wenig Geld. Der Faire Handel ermöglicht ihnen, angemessene Preise für ihre Ernte zu bekommen. Mehr dazu ►

Der Wert eines guten Kaffees

Geschrieben von:

Ansprechtpartnerin

Anika Schroeder ist Expertin für Klimawandel und Entwicklung bei Misereor.

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