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Mobile Kliniken in Kenia: Gesundheit und Bildung gehen Hand in Hand

Im Norden Kenias, im abgelegenem Tiaty (ehemals East Pokot), leben Nomadenfamilien, die keinen Zugang zur medizinischen Versorgung haben. Doch das „East Pokot Medical Project“ (EPMP) ermöglicht den dort lebenden Menschen den notwendigen Zugang zu Gesundheitsdiensten: Mit mobilen Kliniken sollen die Familien erreicht werden. Vor allem junge und schwangere Frauen sind auf das Angebot angewiesen, denn diese leiden häufig an den Folgen der dort verbreiteten weiblichen Beschneidung. Hughlene Fortune, Misereor-Mitarbeiterin in der inhaltlichen Projektarbeit erzählt im Interview, wieso dieses Projekt ihr Lieblingsprojekt ist.

Hughlene Fortune hat die mobile Klinik des „East Pokot Medical Projects“ in Kenia besucht. Viele Frauen und Kinder haben sich dort behandeln lassen. © Misereor

Hughlene, was wird in deinem Lieblingsprojekt „EPMP“ gemacht?

Die Region in der sich das Projekt befindet, ist sehr abgelegen. Dort besteht keine Infrastruktur, es gibt keine Teerstraßen und Wasser- oder Stromversorgung. Auch der Zugang zu Gesundheitsdiensten fehlt. Die Diözese in Nakuru kümmert sich weitestgehend um diesen Nachbarort und begleitet das „East Pokot Medical Project“. Die Schwestern der Diözese betreiben eine stationäre Klinik in Barpello und sechs mobile Krankenstationen, die an bestimmten Tagen in die abgelegenen Ortschaften fahren und sechs Dörfer versorgen. Das Angebot nutzen die Pastoralistenfamilien, also Wanderviehhalter*innen und vor allem schwangere Frauen. Diese haben häufig Probleme während und nach ihrer Schwangerschaft und benötigen daher besondere medizinische Versorgung. Es werden zwar alle medizinisch versorgt, aber der Schwerpunkt liegt vor allem auf den Frauen.

Weshalb liegt der Fokus des Gesundheitsprojekts auf Frauen?

In der Gegend ist weibliche Genitalverstümmelung unter den Pastoralist*innen noch sehr verbreitet. Die Beschneidung wird dort durchgeführt, um die Töchter verheiraten zu können. Du wirst dort quasi nicht als Frau angesehen, wenn du nicht beschnitten bist und kannst dann nicht heiraten. Und dass, obwohl die meisten wissen, dass weibliche Beschneidungen illegal sind. Die Eingriffe werden nämlich unter unhygienischen Bedingungen und ohne Betäubung vorgenommen. Sie verursachen häufig Probleme, vor allem wenn die Mädchen später Kinder bekommen. Folgen sind z.B. starke andauernde Schmerzen, Infektionen und Probleme bei der Geburt. Deshalb leistet das Projekt zudem Aufklärungsarbeit, welche sich nicht nur an die Frauen richtet, sondern auch an die Männer. Diese begleiten die Frauen meistens zu den mobilen Krankenstationen und verheiraten ihre eigenen Kinder.

Das Personal füllt die Vorsorge- und Untersuchungshefte für die Kinder aus. © Misereor

Welche gesellschaftlichen Herausforderungen müssen die Menschen bewältigen?

Zum einen ist sehr problematisch, dass die weibliche Genitalverstümmelung nicht nur den kulturellen Aspekt beinhaltet, sondern damit auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit verbunden ist. Denn eine weibliche Beschneidung erhöht den Brautpreis. Für Frauen mit Beschneidungen können die Familien eine Brautgabe von fünf Kühen erwarten, ohne wären es vielleicht drei Kühe, wenn überhaupt.

Doch es gibt noch mehr Schwierigkeiten: Oftmals werden junge Mädchen und Jungs bereits mit 13 oder 14 Jahren verheiratet und bekommen recht früh Kinder. Ich persönlich finde es nicht in Ordnung, wenn Frauen und Mädchen gegen ihren Willen verheiratet werden. Andererseits kommen die Leute aus einer Gesellschaft, in der eine junge Heirat zum Kulturgut gehört und der Druck zu heiraten sehr groß ist. Wenn du zur Gesellschaft gehören möchtest, lastet also großer Druck auf dir. Da stellt sich die Frage, was die Frauen dann mit ihrem Leben machen sollen, denn dort gibt es nicht so viele Alternativen der Lebensplanung. Diese Tatsachen haben einen negativen Einfluss auf die Gesundheit der Frauen und Kinder. Es ist sehr wichtig sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen.

Du hast das Projekt im vergangenen Jahr besucht. Wie war dein Eindruck von der Arbeit vor Ort?

Wir sind sehr lange mit dem Auto dorthin gefahren. Die Dörfer in Tiaty sind wirklich in der Wildnis, ohne Strom oder fließendes Wasser. Die Menschen dort leben unter wirklich harten Bedingungen. Mir war nicht bewusst, dass die Menschen so von der Natur abhängig sind. Du fährst durch die Landschaft, es ist sehr trocken und dann auf einmal siehst du die Menschen, die rauskommen und dort irgendwo in dieser weiten Natur leben. Es hat mich beeindruckt, wie resilient die Menschen sind.

Jedenfalls sind wir zusammen mit einer mobilen Krankenstation dorthin gefahren um die Frauen und Kinder zu behandeln. Denn neben der Notversorgung und weiteren Behandlungen in der stationären Ambulanz, bezieht sich das Projekt auf die Schwangerschaftsvorsorge und Nachsorge. Kinder wurden geimpft, Lebensmittel verteilt und Beratungen durchgeführt. Es gab viele Menschen die für die Messung des Gewichts, des Blutdrucks und Diabetes- oder Malariatests in verschiedenen Schlangen standen. Es gab kein Gedrängel, wie man es von hier kennt. Alle wurden versorgt und der Umgang miteinander war ganz freundlich.

Hunderte Frauen und Kinder haben an diesem Tag die Gesundheitsdienste vom EPMP wahrgenommen. In der Region mangelt es stark an der medizinischen Versorgung. © Misereor

Was macht das Projekt in deinen Augen zu etwas Besonderem?

Zum einen haben mich die Partner*innen vor Ort sehr beeindruckt. Die Schwestern haben einfach die Not gesehen und sich aktiv dafür entschieden die Basisversorgung zu bessern. Die Regierung macht das nicht, weil die Orte zu abgeschottet sind. Viele der Stämme gehören den Pastoralist*innen an, die mit ihrem Vieh von Ort zu Ort ziehen, dahin wo Wasser ist und sie versorgt werden können. Das Vieh ist sozusagen ihr Reichtum, sodass sie es häufig untereinander stehlen. Daher brechen Gefechte aus, oft mit Waffen und Messern. Daher kann es sehr gefährlich für das medizinische Personal werden, die Orte zu besuchen. Doch die wollen die Menschen dort trotzdem unbedingt versorgen, das finde ich toll. Was ist das für eine Hingabe mit der die Krankenschwestern und Ärzte, für die Menschen da sind?

Das Projekt ist sehr vielseitig. Misereor unterstützt gezielt die Gesundheitsbasisversorgung. Das ist natürlich sehr wichtig, denn erst durch die Basisgesundheit wird ein Zugang zu den Menschen hergestellt. Und dann kann man Bildungsarbeit leisten. Diese Komponente von Bildung und Gesundheit finde ich wichtig, deshalb ist es auch mein Lieblingsprojekt.

Misereor unterstützt auch die stationäre Klinik in Barpello. Dort steht dem medizinischen Personal mehr Equipment für die Behandlung der Frauen zur Verfügung. © Misereor

Welche Erfolge gab es bisher? Und was wünschst du dir für die Zukunft des Projekts?

Die Schwestern des Projekts leisten neben der Behandlung wie bereits erwähnt auch Aufklärungsarbeit. Manche Mädchen sprechen sich nun gegen die weibliche Genitalverstümmelung aus, auch einige Eltern wollen nicht mehr, dass sie ihren Töchtern widerfährt. Ich wünsche mir, dass viel mehr junge Frauen Zugang zu dem Projekt und deren Aufklärungsarbeit haben. Dass die Frauen selbst entscheiden können, ob sie Kinder haben möchten oder nicht. Und nicht, dass ihnen das wegen des gesellschaftlichen Drucks aufgezwungen wird. Generell wünsche ich mir, dass die jungen Frauen, für sich selbst über sich selbst entscheiden dürfen.


Mein Lieblingsprojekt

Mein Lieblingsprojekt: Hände machen ein Herz

In der Reihe „Mein Lieblingsprojekt“ stellen Misereor-Mitarbeitende regelmäßig Projekte vor, die ihnen besonders am Herzen liegen und geben so Menschen aus dem Süden ein Gesicht.

Geschrieben von:

Portrait einer Mitarbeiterin

Charleen Kovac ist Presse-Volontärin bei Misereor.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Danke für den interessanten Artikel. Um nach und nach die Durchführung des Projekts zu verbessern und auch weitere solcher Projekte starten zu können, müssen mehr Fachkräfte vor allem auch aus dem Medizincontrolling angeworben werden, damit europäische Professionalität auch an die entlegensten Stellen der Erde kommt.

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