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Ein wenig wahrscheinliches Treffen voller Energie

Impressionen von einer internationalen Jugendbegegnung in Kolumbien

Eine Woche lang haben 15 junge Menschen aus Bolivien, Costa Rica, Deutschland, El Salvador, Kolumbien und Uruguay zum Thema „Energía joven“ (auf Deutsch = „jugendliche Energie“) geforscht, sich ausgetauscht und ergründet welche Art von Energie für einen Wandel in der Welt nötig ist. Eine dreiköpfige Misereor-Delegation des Freiwilligendienstes war in Kolumbien dabei.

© Steinacher | Misereor

Was ist „jugendliche Energie“ für dich? Wo in deinem Körper würdest du sie verorten? Und wie äußert sie sich? Keine leichten Einstiegsfragen mit denen wir unser „wenig wahrscheinliches“ Treffen in Medellín beginnen. „Wenig wahrscheinlich“ deshalb, weil dieses Begegnungstreffen das Ziel hat, Menschen aus verschiedenen Ländern und Kontexten zusammenzubringen, die sich sonst wohl nie begegnet wären.

Allmählich füllt sich das Plakat mit unseren Antworten. Auch wenn wir jugendliche Energie unterschiedlich in uns verorten und sie sich verschieden ausdrückt, können wir eine Gemeinsamkeit feststellen: Jugendliche Energie ist altersunabhängig und motiviert uns, uns für eine lebenswerte und gewaltfreie Welt einzusetzen.

© Steinacher | Misereor

Der Weg zu dieser gemeinsamen Erkenntnis ist jedoch nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Erst schrittweise begreifen wir den dahinterliegenden Aufbau des Seminars: Es ist ein Wechselspiel zwischen Innen und Außen. Innen, das ist ein hinein spüren in die eigene Welt und die des Anderen durch empathisches Zuhören. In persönlichen Gesprächsrunden erzählen Teilnehmerinnen und Teilnehmer von teilweise gewaltvollen und traumatisierenden Erlebnissen. Ein Raum tiefer Empathie entsteht. In diesen Momenten wird deutlich, wie wertvoll diese Art von Begegnung ist. Sie ermöglicht den Teilnehmenden, sich in einem geschützten Raum zu öffnen, dort auf offene Ohren, Herzen und Verständnis zu stoßen und Emotionen wie Trauer, Wut, Ohnmacht und Freude zu teilen. Daraus entstehen vertrauensvolle Verbindungen, die Wunden heilen, Kreativität und Energie freisetzen und das Fundament für eine dauerhafte Vernetzung bilden.

© Steinacher | Misereor

Im Außen haben wir soziale Stadtteilprojekte in den Comunas (Randvierteln) von Medellín besucht, in denen einige der Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer mitarbeiten.

Wir besuchen die langjährige Misereor-Partnerorganisation Convivamos, deren Ziel ein friedliches und gerechtes Miteinander in den Comunas ist. Bei Convivamos engagieren sich unsere jüngsten Seminar-Teilnehmer*innen. Die drei 14-Jährigen Nicol, Diego und Felipe beeindrucken uns mit ihren tiefen Gedanken über Zukunft, ihrer Reife und ihrem Mut sich trotz vieler Wiederstände in ihrem Stadtviertel zu engagieren. Das macht sie zu echten Vorbildern und Hoffnungsträgern für die Zukunft in den Comunas.

Davon zeugen beispielsweise Nicols Texte, in denen sie ihre Alltagserlebnisse verarbeitet und sich ihre jugendliche Energie äußert. Einer dieser Texte heißt „Sonnenuntergänge“:

Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass das Leben ein Himmel ist, weil es traurige und fröhliche Momente hat. Die traurigen Momente sind für mich die, in denen ich mich allein und verletzlich fühle. Wenn ich merke, dass ich nicht mehr kann, ist das wie ein Gewitter. Daneben gibt es die Sonnenuntergänge. Dann fühle ich mich glücklich und in meiner besten Verfassung. Diese Sonnenuntergänge werden begleitet von zwei Personen, die die Wolken sind. Die eine Person ist diese einzelne blaue Wolke, die ganz allein am Abendhimmel mit all seinen Schattierungen schwebt und immer da ist, obwohl sie der Wind erst vor Kurzem hergebracht hat. Die andere Person ist diese rosa Wolke, die mit ihrer Farbe alle überwältigt, weil sie im Sonnenuntergang so einzigartig ist.

Die 14-Jährige Nicol. © Steinacher | Misereor

Am vorletzten Seminartag vernetzen wir uns mit der Welt! Zu einem Global Zoom laden wir  ehemalige Misereor-Freiwillige aus Deutschland, Indien, Malawi und Ruanda ein. Wir berichten von den Erfahrungen aus Medellín und bekommen berührende Rückmeldungen von den dazugeschalteten Gästen mit denen wir unsere „Energía joven“  virtuell teilen.

© Steinacher | Misereor

Am Ende des intensiven Seminars, welches die lateinamerikaweite Initiative „Altoparlante“ organisiert hat, geht es um die Konkretisierung der Erkenntnisse und der gemeinsamen Visionen. Schlagartig sprudeln Ideen für konkrete Vorhaben. Die ehemaligen Misereor-Süd-Nord-Freiwilligen Tita aus Costa Rica und Wilver aus Kolumbien entwickeln eine länderübergreifende Projektidee, eine virtuelle „Schule der Werte“ in der es um Peer-to-Peer-learning geht. Dabei sollen Methoden und Themen verbreitet und weiterentwickelt werden, die wir im Rahmen des Seminars thematisiert oder ausprobiert haben, zum Beispiel „Fußball 3“, „Café der Welt“ sowie das Thema „neue Männlichkeit“.

Wir machen den Ideenträgern und -trägerinnen Mut für ihren „learning-by-doing-Prozess“ und freuen uns schon jetzt darauf, wenn sie uns von ihrem Ausprobieren und ihren Erfahrungen virtuell berichten. Denn eins steht fest: Wir bleiben in Verbindung. Möge die entfachte jugendliche Energie in uns allen anhalten, auf Mitstreiter*innen übergreifen und Titas und Wilvers Projektidee entgegen aller Wahrscheinlichkeiten Wirklichkeit werden…

Text: Anna Steinacher (Misereor-Referentin für den Freiwilligendienst) und
Felix Lechler (ehemaliger Misereor-Freiwilliger, 2016/2017 in Kolumbien Tierralta)

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Besonders berührt hat mich die Geschichte des Künstlers, der mit seiner Leidenschaft die Herzen der Anwesenden im Sturm eroberte. Es zeigt, dass Kunst eine universelle Sprache ist, die Brücken zwischen den unterschiedlichsten Lebensgeschichten bauen kann.
    Danke, dass ihr uns an diesem besonderen Moment teilhaben lasst. Euer Beitrag erinnert daran, wie wichtig es ist, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und sich auf die kleinen Wunder des Lebens einzulassen.
    In Vorfreude auf weitere inspirierende Geschichten und Begegnungen!

  2. Avatar-Foto

    Liebe Anna, lieber Felix!
    Das hört sich in der Tat nach einer sehr bewegenden Woche an. Wahnsinn, was ein solcher Austausch bewirken kann. Drücke für den weiteren Prozess ganz feste die Daumen!
    LG, Uta

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