Geht es Euch auch in den letzten Wochen so – so verzweifelt, hoffnungslos aufgrund der aktuellen Situation? Am 7. Oktober überfiel die Hamas ein Musikfestival sowie mehrere Kibbuze (ländliche Kollektivsiedlungen) in Israel und ermordete über 1.400 Menschen. Als einkalkulierte Reaktion, als gelerntes Muster läuft seitdem die Bodenoffensive – und auch dort sterben wieder hunderte, tausende Menschen. Am 24. Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine und seither wird dort gemordet und vergewaltigt. Komplett vergessen von der Weltöffentlichkeit, der Konflikt in Tigray (Äthiopien), wo vermutlich 500.000 Menschen gestorben sind, weil Hunger als Waffe gegen die Bevölkerung eingesetzt wurde. Ein neues Wort hat sich dafür eingebürgert – Stapelkrisen. Dennoch dürfen wir eines nicht vergessen: es gibt Hoffnung.
Hoffnung versickert
In den (sozialen) Medien sieht man schlimme Bilder und Zahlen der menschengemachten Katastrophen – teilweise gepaart mit Hasskommentaren, die sich gegen bestimmte Menschen und Bevölkerungsgruppen richten. Beim Anblick davon habe ich manchmal den Eindruck, dass meine Hoffnung versickert wie auf dürrem Land.
Zukunftsfreudig nach vorne zu schauen, fällt mir dann schwer. Grundsätzlich habe ich Lust auf die Zukunft, auf das Morgen, auf eine Welt, die lebenswert ist für alle, überall. In Momenten des überquillenden Hasses im Netz und auf der Straße und den Schlachtfeldern dieser Erde habe ich allerdings den Eindruck, dass die Vision fehlt, wie es denn anders sein könnte.
Die alte Geschichte
Wir gegen die! Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Diese alte Geschichte, die doch unfassbar elend ist – weil sie es nicht gebracht hat, weil sie immer denselben Mist produziert. Nämlich Krieg, Hass, Tod und Verzweiflung. Diesen Krieg, den wir gegen Menschen führen und gegen unsere Erde, die wir scheinbar auch unendlich hassen, wenn wir uns die immer weiter fortschreitende Zerstörung anschauen.
Ich frage mich, ob die großen Religionen dabei versagt haben, Menschen den Frieden so schmackhaft zu machen, dass gar nichts anderes mehr vorstellbar und erstrebenswert ist. In vielen dieser Konflikte spielt Religion eine Rolle und sie führt nicht zu mehr Frieden, sondern wird instrumentalisiert für Hass.
Dabei gibt es in vielen Religionen ein Bild zum Frieden, und da geht es nicht um Waffen oder um Zäune. Frieden ist ein Paradies und dies wird als Garten beschrieben (Gen 2). Im Judentum und Christentum ist viel vom Garten die Rede. Alle sehnen sich nach diesem Garten. Auch im Islam sehnen sich die Menschen nach diesem Garten, der ihnen verheißen wird.
Ein Bild der Hoffnung – der grüne Garten
Es gibt Gärten, da geht mir das Herz auf. Ich habe durch meine Aufgaben bei Misereor die Gnade Menschen zu erleben, die es anders gestalten wollen. Oft mit einfachen Mitteln, aber sehr effektiv. Ein großartiges Beispiel sind die vielen Gärtnerinnen und Gärtner, Bäuerinnen und Bauern, die ich kennenlernen durfte in Asien, Afrika, Lateinamerika und hier in Europa. Sie schaffen Räume, in denen Große und Kleine, Schwache und Starke, Bedürftige und Kraftprotze zusammenleben können, und zwar nicht im Sinne des „survival of the fittest“, sondern in dem, was die Natur uns eigentlich vorlebt – Zusammenarbeit! In einem Garten. Das durfte ich beispielsweise bei meiner Dienstreise in Sri Lanka beim Bio-Bauern Prem letztes Jahr erleben. Auf 1,5 Hektar Land (etwas größer als ein Fußballfeld) werden über 30 verschiedene Anbaukulturen angebaut. Er ist Teil des Netzwerkes der ökologischen Landwirtschaft LOAM (Lanka Organic Agriculture Movement).
Könnte das nicht eine schöne Vision sein, ein Bild dessen, wie wir leben wollen? So kindlich mein Wunsch sein mag, er zaubert mir ein Lächeln auf mein Gesicht, denn ich brauche dieses Bild, diese Hoffnung. Sonst gehe ich ein, wie die nicht gegossene Pflanze auf dürrem Boden. Zu spüren, dass wir verbunden sind und dass für alle Platz da ist. Und ich mag daran glauben, und so erlebe ich es immer wieder, dass der Schöpfer, höheres Wesen, Gott, Brahman oder wie auch immer Ihr ihn nennen wollt, uns so gemeint hat. Uns als kooperative Wesen und als Teil zu begreifen, inmitten von Leben, das auch Leben will.
Lasst die Bilder der Gärten auf Euch wirken und vielleicht ergeht es Euch dann wie mir. Ist so ein Bild nicht viel schöner, viel erstrebenswerter als Ausgrenzung und Vernichtung? Viele Misereor-Partner arbeiten genau daran jeden Tag und zeigen: Es geht – friedlich und in Gemeinschaft! Und mit diesem Bild wünsche ich Euch einen wunderbaren Tag, voller Hoffnung auf ein gutes, friedliches Leben, das möglich ist.
Misereor leistet Nothilfe im Katastrophenfall, setzt aber immer auch auf langfristige Hilfe zur Selbsthilfe. Denn Katastrophen haben viele Ursachen: extreme Naturereignisse, politische und soziale Krisen, Klimaveränderungen, Kriege und Konflikte. Unterstützen Sie uns mit Ihrer Spende!