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Afrika steht nicht zum Verkauf – oder etwa doch?

Das Werben um Afrikas Gunst geht diese Woche offiziell in die nächste Runde. Denn die Bundesregierung veranstaltet am 20. November eine hochkarätige Wirtschaftskonferenz, den Compact with Africa Gipfel, zu der zahlreiche afrikanische Staats- und Regierungschefs geladen sind. Mit dabei sind große deutsche Privatunternehmen und Investoren, um neue Marktchancen in afrikanischen Ländern auszutarieren.

Koltanmine in Fungamwaka im Osten der Demokratischen Republik Kongo © Brockmann | Misereor

Passenderweise traf ich diese Woche auch zwei Partner aus der Demokratischen Republik Kongo. Ich fragte sie nach ihrer Einschätzung zu ausländischem Wirtschaftsengagement in ihrer Heimat; die Antwort war klar. Selten seien damit gute Neuigkeiten verbunden, meist komme es zum Ansturm auf wertvolle natürliche Ressourcen. Schwerwiegende Verletzungen von Arbeits-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards sowie starke soziale Verwerfungen seien dabei die Norm, da rechtsstaatliche Defizite omnipräsent sind. Der aktuelle Skandal rund um BMW und seinen marokkanischen Kobalt-Zulieferer Managem überraschte sie nicht.

Rückkehr deutscher Interessen- und Geopolitik

Dies ist eine wichtige Botschaft angesichts der Tatsache, dass Berlins Charme- und Investitionsoffensive gegenüber dem afrikanischen Kontinent (inkl. der sich in Bürgerkriegen befindlichen Länder DR Kongo und Äthiopien) derzeit neue Höhen erreicht. Denn seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sowie der nun anlaufenden wirtschaftspolitischen Loslösung von China verschärft sich das deutsche Bemühen um metallische Rohstoffe, Energie- und Absatzmärkte. Im offiziellen Politikjargon ist davon die Rede, „Lieferketten breiter aufzustellen“ und Deutschlands „Außenwirtschaftsbeziehungen zu diversifizieren“.

In diesem Kontext ist der kommende Compact with Africa Gipfel zu sehen. 2017 unter deutscher G20-Präsidentschaft ins Leben gerufen, forciert die Initiative finanz- und wirtschaftspolitische Reformen in ausgewählten Partnerländern, um auf diese Weise ausländisches – auch deutsches – Privatkapital anzuziehen. Es besteht die Hoffnung, westliche Infrastruktur-, Bergbau-, Energie-, Technologie- und Agrarunternehmen durch liberale Rahmenbedingungen und laxe Steuerregelungen anzulocken und zu substantiellen Investitionen zu bewegen.

Verwandte Initiativen auf europäischer Ebene

Damit gesellt sich der Compact with Africa zu einer Reihe verwandter Initiativen auf EU-Ebene, beispielsweise dem Global Gateway – einem Programm zur Hebelung von Privatinvestitionen in die afrikanische Infrastruktur, erneuerbare Energieerzeugung und Förderung mineralischer Rohstoffe. Unmissverständlich wird die Initiative als „interessengeleitetes“ europäisches Gegenstück zur chinesischen Belt and Road Initiative präsentiert. So hat die EU-Kommission vor kurzem den Ausbau des Lobito Corridors angekündigt – einer Eisenbahnlinie, die vom angolanischen Hafen Lobito bis ins Herz der kongolesischen Kupfer- und Kobaltminen um Kolwezi verläuft, um die Ausfuhr von Rohstoffen gen Europa zu gewährleisten.

Parallel dazu laufen Verhandlungen um den Critical Raw Materials Act, der die Versorgung mit als kritisch geltenden Ressourcen regeln soll. Afrika ist bekanntlich ein Kontinent voller Rohstoffe, die für die weltweit angestrebte grüne Technologiewende und künftige Militärtechnologie unerlässlich sind. So finden sich massenhaft Kobalt in der Demokratischen Republik Kongo, Lithium („weißes Gold“) in Simbabwe, Mangan in Südafrika und Graphit in Mosambik. Auch viele deutsche Unternehmen beziehen ihre mineralischen Rohstoffe aus diesen Ländern. Ohne sie keine Batterien für Elektrofahrzeuge oder Magneten für Windkraftanlagen.

Misereor fordert Paradigmenwechsel

All diese Initiativen verdeutlichen, wohin die Reise geht. Natürlich ist die Mobilisierung ausländischer Privatinvestitionen und dazugehöriger Reformprogramme per se nichts Schlechtes – doch die Frage muss lauten, mit welcher Zielsetzung und unter welchen Bedingungen sie getätigt werden. Ob es der Bundesregierung und der EU momentan tatsächlich um eine – gerechte und nachhaltige – Partnerschaft mit afrikanischen Ländern geht, die über schnelle Rohstoff- und Energieausfuhren sowie Erschließung neuer Absatzmärkte hinausgeht, ist nicht eindeutig. Der Compact with Africa setzt diesbezüglich jedenfalls kaum die richtigen Schwerpunkte. Dass manch autokratisch geführter Staat nun als „Transformationspartner“ gepriesen wird, ist kein gutes Zeichen. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass Compact-Verhandlungen hochgradig intransparent und zivilgesellschaftliche Akteure von ihnen ausgeschlossen sind.

Im aktuellen Positionspapier zum deutschen Wirtschaftsengagement auf dem afrikanischen Kontinent  macht Misereor daher Vorschläge, wie eine ehrliche Partnerschaft in der Praxis aussehen könnte:

  1. Ein eindeutiges Bekenntnis zu inklusiver, nachhaltiger und menschenrechtskonformer Wirtschaftsentwicklung in afrikanischen Partnerländern – einhergehend mit transparenten Zielvorgaben und Bewertungsmechanismen, um Armut, soziale Ungleichheit und (post-)koloniale Abhängigkeiten vor Ort zu mindern. 
  2. Ein Investitionsfokus auf kleine und mittlere afrikanische Unternehmen, um menschenwürdige Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen (speziell für Jugendliche und Frauen) und lokale Verarbeitung, Wertschöpfung und Technologietransfer voranzutreiben.
  3. Eine Abkehr von extraktivistischer und exportorientierter Rohstoff- und Energiegewinnung, insbesondere der Förderung von fossilen Brennstoffen (Gas, Öl, Kohle) und ausbeuterischem Bergbau.
  4. Ein stärkerer Regulierungsmechanismus für Unternehmensaktivitäten in afrikanischen Ländern, inklusive strikter Bindung von Investitionsprojekten an menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten, soziale und ökologische Mindeststandards, sowie die Rechte indigener Völker.
  5. Eine umfassende Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure in Wirtschaftsverhandlungen, inklusive afrikanischer Nichtregierungsorganisationen, Kirchen, Journalist*innen, Gewerkschaftler*innen, Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen betroffener Bevölkerungen.

Nur so kann die Bundesregierung demonstrieren, dass sie Anliegen aus dem Globalen Süden ernst nimmt und beabsichtigt, einen echten – und ehrlichen – Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation auf dem afrikanischen Kontinent sowie zu einem fairen Welthandel zu leisten.

Geschrieben von:

Carsten Bockemühl, Experte für afrikapolitische Lobbyarbeit @Claudia Fahlbusch

Carsten Bockemühl ist Experte für afrikapolitische Lobbyarbeit bei Misereor.

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