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„Auch die Frauen müssen ihren Blickwinkel ändern“

Elito da Costa, Programm-Manager, Trainer für Kleinunternehmen sowie Buchhaltung und Vorbild. Timor-Leste. Ist davon überzeugt, dass Gleichberechtigung gelebt werden muss.

Elito da Costa aus Timor-Leste © Kathrin Harms | Misereor

In unserer Blog-Reihe „Starke Frauen“ stellen wir Frauen aus verschiedenen Ländern vor, die durch ihre Arbeit einen notwendigen und zupackenden Beitrag zu Gleichberechtigung und der Stärkung ihrer Geschlechtsgenossinnen leisten. Sie sind wichtige Vorbilder. Erfahrungen in der Projektarbeit zeigen aber auch, wie elementar es ist, Männer in die Arbeit für Geschlechtergerechtigkeit einzubinden.

Elito da Costa arbeitet seit zehn Jahren bei der Misereor-Partnerorganisation „Seraphine Foundation“ in Timor-Leste und ist eine wichtige Bezugsperson für die jungen Frauen, die hier in einem einjährigen Programm verschiedene Ausbildungskurse wie Schneidern, Kochen und der Arbeit am PC durchlaufen. Außerdem bekommen die jungen Frauen wichtige Hilfestellung, um sich nach dem Programm mit einem Kleinunternehmen selbständig machen zu können. Wir haben ihm dieselben Fragen gestellt wie seinen weiblichen Pendants. Seine Antworten zeigen: Gesellschaften positiv verändern und aus überholten Mustern herauswachsen können wir nur gemeinsam.

Das sind meine Wurzeln:

Ich habe zwei Stränge in meinem Leben: Meine Eltern haben sich früh scheiden lassen. Dieses Hin- und Hergerissen-Sein zwischen Mutter und Vater hat mich sehr geprägt. Für mich war immer klar: So will ich später auf keinen Fall leben. Mein Engagement für Frauen hat seine Wurzeln in dieser Erfahrung. Und: Die Arbeit für die Seraphine Foundation“ hat mich geformt. Da ist auch eine Wurzel. Mein Credo ist: Ich kann das Thema Gleichberechtigung t den jungen Frauen nicht vermitteln, wenn ich es selbst nicht lebe.

Das verleiht mir Flügel:

Meine Familie verleiht mir Flügel. Aber es ist auch die Verantwortung, die ich für sie habe: Ich muss fliegen. An erster Stelle verleiht mir meine Frau Flügel. Denn, obwohl wir ein einfaches Leben führen, steht sie zu mir und zieht mit mir an einem Strang. Die Situation der jungen Frauen hier in der Region spornt mich zusätzlich an. In einer so dominant patriarchal geprägten Struktur, in der immer die Männer das Sagen haben, frage ich mich: Wir kann man Frauen stärken, dass sie nicht immer hintenanstehen müssen? Das spornt mich an: Das Problem anzugehen, so viel zu tun, wie ich nur kann. In dieser Arbeit gehe ich auf.  Und mein Glaube stärkt mich. Jesus ist meine einzige Referenz.

© Kathrin Harms | Misereor

Dafür setze ich mich ein:

Dass Frauen ihren Platz in der Gesellschaft finden. Dass sie nicht an zweiter Stelle stehen. Dass sie gestärkt werden. Wenn ich einer einzigen jungen Frau geholfen habe, dann habe ich das Gefühl, dass ich fünf Generationen geholfen habe.

Es muss etwas passieren, weil…

Es braucht einen Paradigmenwechsel: Die Perspektive der Gesellschaft auf die Frauen und ihre Stellung in der Gesellschaft von Timor-Leste muss sich ändern. Die Gesetzesgrundlage für eine gleichberechtigte Gesellschaft ist zwar da. Letztlich müssen die Frauen für sich den Raum schaffen, diese Grundlage mit Leben zu füllen. Wir helfen ihnen, die Stärke dafür zu entwickeln. Wenn sie das Gefühl haben, stark zu sein, wird sie auch niemand infrage stellen oder versuchen, sie zu unterdrücken.

Meine Arbeit ist beendet, wenn…

Ich befürchte, dass dieser Weg, den wir gehen, so lang ist, dass er bis zu meinem Lebensende noch nicht beendet ist. Um eine solch verfestigte Struktur in Gesellschaft und Kultur zu ändern, braucht es einen langen Atem, und das schafft nicht eine Person allein. Aber wenn ich das Leben von nur drei Frauen geändert habe, dann waren all die Arbeit und die Bemühungen nicht umsonst.

Frauen können…

…den Männern zeigen, wer sie wirklich sind und was sie können. Denn sie können wirklich viel! Ob das die Arbeit im Büro ist, in der Schneiderei oder in den Familien: Frauen sind eigentlich die Stärkeren von uns. Sie brauchen Ermutigung, um zu zeigen, was in ihnen steckt. Aber auch die Perspektive von Frauen über Männer muss sich ändern. Wenn ein Mann zu weich ist, ist es nicht richtig: Der Mann hat Angst vor seiner Frau, heißt es dann. Wenn ein Mann zu stark ist, auch nicht: Dann ist er ein „Bösewicht“. Das kann auch verwirrend sein. Auch die Frauen müssen ihren Blickwinkel ändern. Denn nur durch das eigene Verhalten und die Interaktion mit dem Gegenüber kann ich zeigen, dass der Umgang ein anderer, ein besserer sein kann. Ich hoffe, dass ich das den jungen Frauen in dem Ausbildungsjahr hier vermittle.

Lesen Sie auch das Interview mit Domingas Amaral Afons, Vize-Direktorin der Frauenhilfsorganisation in Timor-Leste. Jetzt lesen ►


Hintergrund

Elito da Costa, (40), arbeitet seit 10 Jahren bei der „Seraphine Foundation“. Er floh während des Kriegs Ende der 90er Jahre mit seinem Vater nach West-Timor, Indonesien. Hier studierte er Wirtschaft und kehrte 2013 zurück. Seine Eltern waren schon vor der Flucht geschieden. Also Elito nach Timor-Leste zurückkehrte, war seine Mutter bereits verstorben. Er konnte sich von ihr nicht verabschieden. Die Arbeit bei der „Seraphine Foundation“ macht er auch, um sie zu ehren. Er ist verheiratet und Vater von vier leiblichen und zwei Pflegekindern (zwei Mädchen, eines davon hat er schon als Baby adoptiert). In seiner Familie versucht er, Gleichberechtigung zu leben. Wichtig ist Elito da Costa, dass seine Kinder eine hohe Moral entwickeln. Seinen drei Söhnen vermittelt er, dass alle Menschen, Frauen wie Männer, gleich sind und klärt sie auf, dass die Kultur, die in Timor-Leste vorherrscht, dem noch entgegensteht.

Elito da Costa ist eine wichtige Bezugsperson für die Studentinnen bei der „Seraphine Foundation“. Auch nach ihren Abschlüssen hält er Kontakt zu ihnen. Sie melden sich oft bei Schwierigkeiten bei ihm oder wenn sie eine neue Arbeitsstelle suchen. Ebenso wird Elito häufig von potenziellen Arbeitgebern angeschrieben. Die Basis für all das legt er als Trainer während des knapp einjährigen Ausbildungskurses. Er bezeichnet die jungen Frauen als „kleine Schwestern“. In den Pausen zwischen den einzelnen Kursen sucht er das Gespräch, setzt sich zu ihnen, stellt sich vor, fragt wie es ihnen geht und wie sie in den Kursen zurechtkommen. Das, was sich so einfach anhört, ist Schwerstarbeit. Viele Frauen sind zu Beginn des Kurses sehr introvertiert, schüchtern. Sie haben oft Angst und kaum Selbstvertrauen. Frauen sehen sich selbst nicht als gleichwertig mit den Männern an. In ihren Heimatdörfern gelten sie häufig als „Menschen zweiter Klasse“. Deswegen ist es eine große Herausforderung, zu den Teilnehmerinnen des Kurses eine Beziehung aufzubauen. „Dabei kommt das Leben von den Frauen“, betont Elito da Costa. Er ärgert sich: „Wir reden immer von Gleichberechtigung. Aber wir leben sie nicht!“


© Kathrin Harms | Misereor

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Benvinda da Costa aus Timor-Leste © Kathrin Harms | Misereor

Geschrieben von:

Ansprechtpartnerin

Als Referentin für Spenderkommunikation berät und motiviert Miriam Thiel Gruppen, Schulen und Gemeinden bei ihrem Engagement für Misereor-Projekte.

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