Suche
Suche Menü

Der hohe Preis des kolumbianischen Goldrauschs

Der Raubbau macht auch in Kolumbien kein Halt: Der legale und illegale Abbau des Edelmetalls Gold verwandelt Teile der Region Bajo Cauca in Antioquia im Nordwesten des Landes in eine Mondlandschaft. Transnationale Bergbauunternehmen und heimische Goldschürfer*innen konkurrieren um den Rohstoff und verletzen dabei Menschen-, Umwelt- und Landrechte. Auch die bewaffneten Guerillagruppen und Paramilitärs haben bei der komplizierten Gemengelage ihre Finger im Spiel.

Entlang des schädlichen Flusses türmen sich noch die Häuser vieler Familien. © IPC

Die Region Antioquia ist reich an natürlichen Ressourcen wie Wasser, Biodiversität und Mineralien. Das Gold wird dort überwiegend aus den Flüssen gewonnen, betroffen sind daher hauptsächlich die Feuchtgebiete und Flussbetten des Bajo Cauca. Hierbei handelt es sich um eine Subregion Antioquias, durch die mit dem Río Cauca Kolumbiens zweitwichtigster Fluss fließt. Die Misereor-Partnerorganisation IPC (Instituto Popular de Capacitación) aus Medellín existiert seit über 40 Jahren, wovon sie seit über 10 Jahren die Folgen des Goldabbaus in der Region dokumentiert. Denn die Organisation setzt sich für einen umweltverträglicheren Goldabbau und der Einhaltung der Menschenrechte in den Lieferketten ein. IPC steht im Austausch mit zahlreichen Gemeinden, unter anderem mit indigenen, Afro- und Fischergemeinden sowie Umweltschutzorganisationen. Für diese sind die Folgen in zweierlei Hinsicht spürbar, denn die Umweltschäden führen gleichzeitig zu sozialen Problemen.

Durch den Abbau wurde der Lauf des Flusses Río Nechí, ein Nebenfluss des Río Cauca, verändert. Mehr als 26 Feuchtgebiete wurden zerstört, ebenso wie wichtige Mangrovenwälder, die viel CO² binden und dadurch von großer ökologischer Bedeutung sind. Noch bis zum Jahr 2014 wurde hochgiftiges Quecksilber legal für den industriellen Bergbau verwendet. Die Auswirkungen sind dramatisch: Das Gift hat zum Fischsterben geführt. Für die Menschen vor Ort, die größtenteils von der Fischerei leben, eine Katastrophe. Ihre Ernährungssicherheit ist stark gefährdet, viele von ihnen hungern. Auch die gesundheitlichen Folgen sind massiv. Nach wie vor werden in der Region vermehrt neurologische Erkrankungen, Krebs und Vergiftungen verzeichnet. Bis heute wurden die entstandenen Schäden nicht kompensiert.

Hier spielen Kinder – am Rande des verseuchten Rio Nechí. © IPC

Umwelt- und Gesundheitsschäden mit europäischer Beteiligung

Carlos Zapata, Präsident des IPC, kritisiert den mangelnden Schutz der Territorien: „Die Region müsste gemäß den Ramsar-Konventionen ein Naturschutzgebiet sein. Doch der kolumbianische Staat hat diese nicht als solchen deklariert, sodass ihm kein besonderer Schutz zukommt.“ Das kanadisch-kolumbianische Unternehmen Mineros S.A. konnte Landstücke von anderen ausländischen Unternehmen vor Ort aufkaufen, und ist mittlerweile im Besitz von 37.000 Hektar Land. Das entspricht in etwa der Fläche Bremens. Die staatliche Souveränität und die Besetzung des Landes durch angestammte Gemeinschaften haben sie dabei vollkommen ignoriert: „Mineros ist radikal vorgegangen und hat den Bauern und Bäuerinnen vor Ort pro Hektar eine geringe Summe von 60 Euro angeboten“, so Zapata. Die Menschen wurden eingeschüchtert die Landstücke zu verkaufen und umgesiedelt. Der kolumbianische Staat hat keinen Zugriff mehr auf die Gebiete und ist im Grunde genommen handlungsunfähig, da die Abbaufirma Mineros rechtmäßiger Besitzer des Gebiets ist.

Rund um den Rio Nechí sind die Bagger von Mineros SA überall zu finden. © IPC

Das kolumbianische Gold der Abbaufirma Mineros wird überwiegend von dem deutsch-schweizerischen Unternehmen Argor-Heraeus gekauft. In einer Studie der Schweizer Organisation Fastenaktion mit dem IPC wurde festgestellt, dass Mineros mehr Gold exportiert als es offiziell produziert. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Firma das Edelmetall zusätzlich aus informellem Abbau gewinnt. Möglich sei dies durch ein Schlupfloch im Genehmigungsverfahren für den Rohstoffabbau, so Zapata. „2001 wurde beschlossen, dass Landtitel und Umweltlizenzen für den Abbau notwendig sind. Das wiederum gilt zwar für die großen multinationalen Unternehmen, aber kleinere bis mittlere Unternehmen erfüllen diese Anforderungen nicht und werden daher als illegal erklärt.“ Die großen Bergbau- und Handelsunternehmen kaufen trotzdem bei den kleinen bis mittleren Betrieben ein, die jedoch von dem oben genannten Gesetz nicht erfasst sind. In dieser informellen Form des Bergbaus wird weiterhin das besonders umweltschädliche Quecksilber verwendet.

Neben den gesundheitlichen Folgen für Mensch, Tier und Natur leidet auch das soziale und gesellschaftliche Gefüge: Die Vertreibungen der dort lebenden Menschen, konkurrierende Gruppen und zunehmende Kriminalität schaffen eine angespannte Atmosphäre. Insbesondere illegale Gruppierungen setzen die Gemeinden unter Druck und schaffen ein Klima der Unsicherheit. Paramilitärische Gruppen sind dort ebenfalls sehr präsent, wie Zapata schildert „Die bewaffneten Gruppierungen kontrollieren das Territorium in der Bergbauregion sogar. Das geht so weit, dass jede Person, die keinen Landtitel hat und abbauen möchte, ein Schutzgeld entrichten muss.“

Auch illegale Kräfte wollen sich an dem Goldvorkommen des Rio Nechí bereichern. © IPC

Europäisches Lieferkettengesetz als Chance

All dies verdeutlicht laut Zapata, dass dem industriellen Bergbau Grenzen gesetzt werden müssen und vor allem bestehende Leitlinien von beziehenden Firmen wie Argor-Heraeus eingefordert und von Mineros eingehalten werden. Dazu gehört der sogenannte “OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebiete”, der zur Transparenz hinsichtlich der Herkunft des Goldes und Erfüllung von Sorgfaltspflichten in den Risikogebieten gegenüber der lokalen Bevölkerung und Umwelt verpflichtet. „Wenn es Bergbau gibt, dann muss dieser so stattfinden, dass er die dort lebenden Menschen und die Natur respektiert.”

Die neusten Entwicklungen geben Carlos Zapata und den Gemeinden, mit denen das IPC zusammenarbeitet, Hoffnung. Kolumbiens aktuelles Kabinett unter Präsident Gustavo Petro ist die erste linksgerichtete Regierung in der Geschichte des Landes. Seit ihrer Amtseinführung ist deutlich zu spüren, dass die Entscheidungsträger*innen dem Thema Umwelt mehr Bedeutung beimessen. Diese hat beispielsweise zugestimmt, mehr Land an bäuerliche und indigene Gemeinschaften abzugeben. Das gilt als großer Erfolg. Auch die Einigung in der Diskussion um das EU-Lieferkettengesetz holt die Sorgfaltspflicht europäischer Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte und des Umweltschutzes verstärkt auf den Plan und schreibt die Unternehmensverantwortung gesetzlich fest.

Diese Entwicklungen motivieren Zapata bei seiner Arbeit für das IPC: „Ich wünsche mir Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd, aber auch zwischen Arm und Reich. Dass sich die Wohlhabenderen mehr Gedanken darüber machen, welche Folgen ausbeuterische Handlungen haben. Dass die Natur und Arten schon so ausgebeutet wurden, dass es so nicht weitergehen kann.“ Wichtig sind ihm auch die Gemeinden in der Abbau-Region: „Mein Traum ist es, dass die Menschen im Grunde genommen wie früher leben können. Dass sie die Freiheit haben, sich entlang der Flüsse zu bewegen, ihre Produkte zu diversifizieren und Zugriff auf die Ressourcen haben, die die Natur für ihren Lebensunterhalt bereitstellt. Und dass die menschliche Würde respektiert wird.“ Das treibt nicht nur Carlos Zapata, sondern auch das IPC an.


Geschrieben von:

Portrait einer Mitarbeiterin

Charleen Kovac ist Presse-Volontärin bei Misereor.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.