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Globale Krisen, nationale Tendenzen, geopolitische Baustellen – Welche Rolle hat Entwicklungszusammenarbeit 2024?

Entwicklungspolitischer Abend in Berlin

Wie fügt sich Entwicklungszusammenarbeit ein in die aktuelle Weltlage, den Krisen, Konflikten und neuen Wertedebatten unserer Zeit? Diese Frage stellten sich die Gäste beim entwicklungspolitischen Abend in Berlin, zugleich ein Abschied vom Berliner Parkett für Pirmin Spiegel, der Ende Juni seine Tätigkeit als Hauptgeschäftsführer von Misereor beenden wird.

Gruppenfoto von neun Personen beim politischen Abend in Berlin
Die Podiumsteilnehmenden v.l.n.r.: Prälat Karl Jüsten, Annegret Kramp-Karrenbauer, Prälatin Dr. Anne Gidion, Peter Frey, Pirmin Spiegel, Svenja Schulze, Kira Vinke und Isabel Schayani. ©Alexander Rentsch

Eingeladen waren die Bundesministerin für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit, Svenja Schulze, die ehemalige Verteidigungsministerin und Vorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, die Journalistin Isabel Schayani, Kira Vinke, Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik und Prälat Karl Jüsten, Leiter des katholischen Büros in Berlin.

 „Jeder zehnte Mensch auf der Welt ist von Hunger bedroht, immer weniger Menschen leben in Demokratien, sondern in autoritären Staaten. Globale Fragen wie die Klimakrise brauchen maximale Aufmerksamkeit. Die Nachhaltigkeitsziele sind mit der aktuellen Politik nicht zu erreichen“, so umschrieb der Moderator Peter Frey die Herausforderungen, denen sich die Entwicklungszusammenarbeit stellen müsse.

Gleichzeitig gebe es internationale Erfolge der Armutsbekämpfung und die Bedeutung anderer Länder und ihrer Perspektiven wachse.

Svenja Schulze am Rednerpult
„Wir brauchen einen Perspektivwechsel, um die Welt zu verstehen“, erklärt Svenja Schulze. ©Alexander Rentsch

Svenja Schulze betonte daher auch die Notwendigkeit für internationale Kooperation: „Wir brauchen einen Perspektivwechsel, um die Welt zu verstehen. Die Länder Afrikas, Asiens und Südamerikas fordern zu Recht Mitsprache, Mitbestimmung und gleiche Rechte, z.B. im internationalen Handel oder bei der Bewältigung des Klimawandels. Diese Länder haben in der Vergangenheit viel Vertrauen in Europa verloren. Das macht internationale Zusammenarbeit umso notwendiger, denn die Krisen machen nicht an nationalen Grenzen halt“. Die Ministerin hob in diesem Zusammenhang die Rolle von zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie Misereor hervor: „Sie setzen sich jeden Tag für eine gerechtere Welt ein. Sie sind das Sprachrohr für die Menschen, die finanziell benachteiligt sind.“

Annegret Kramp-Karrenbauer
„Innere und äußere Sicherheit sind gleichermaßen wichtig, daher sind Sicherheitspolitik, Klimapolitik und Entwicklungspolitik Felder, die nebeneinander stehen und ineinandergreifen müssen“, erklärt Annegret Kramp-Karrenbauer. ©Alexander Rentsch

Annegret Kramp-Karrenbauer betonte, dass es legitim sei, nach einem eigenen Interesse Deutschlands bei Entwicklungszusammenarbeit und Armutsbekämpfung zu fragen. „Ja, es geht uns um humanitäre Hilfe, aber es geht auch um unsere deutschen Interessen, etwa wenn es um Friedenssicherung und Konfliktlösungen, um die Verringerung von Fluchtursachen oder den globalen Klima- und Gesundheitsschutz geht. Innere und äußere Sicherheit sind gleichermaßen wichtig, daher sind Sicherheitspolitik, Klimapolitik und Entwicklungspolitik Felder, die nebeneinander stehen und ineinandergreifen müssen und daher ist es so schwer, wenn es um das Ringen um die finanzielle Ausstattung aller Bereiche geht“.

Dr. Kira Vinke
Kira Vinke erinnert daran, dass noch es noch immer darauf ankommt, die CO2-Emissionen zu verringern. ©Alexander Rentsch

Kira Vinke, Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, antwortete auf die Frage, wie groß ihre Besorgnis angesichts fehlender Fortschritte beim Kampf gegen den Klimawandel sei: „Die letzten Monate haben gezeigt, dass wir eine extreme Erwärmung erleben und auch hier immer mehr Extremwetterereignissen ausgesetzt sind. Positive Entwicklungen in Deutschland bei Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel werden zunichte gemacht und können nur mit einem hohen finanziellen Aufwand wieder hergestellt werden. Gleichzeitig werden Projekte der internationalen Klimaschutzinitiative nicht mehr mit dem nötigen Budget ausgestattet. Das macht mich schon sehr unruhig“.

Sie betonte eindringlich die Sicherheitsrisiken aufgrund neuer Konflikte und Krisen, die durch den Klimawandel entstünden und rief dazu auf, dass es neben der finanziellen Unterstützung für die Länder des globalen Südens vor allem immer noch darauf ankäme, bei uns weiterhin die CO2-Emissionen zu verringern. Man könne von einer „Kolonialisierung der Atmosphäre“ sprechen, wenn die Industrienationen nicht ihrer besonderen Verantwortung als Hauptverursacher des Klimawandels nachkämen und alles daran setzten, ihre Emissionen so gering wie möglich zu halten.

Isabel Schayani
Isabel Schayani mahnt, dass auch die stillen Krisen nicht missachtet werden dürfen. ©Alexander Rentsch

Die Journalistin Isabel Schayani berichtete vom medialen Kampf um Aufmerksamkeit der vielen Krisen und Konflikte, wie den Ukraine-Krieg oder die Auseinandersetzung in Gaza. Sie warnte davor, dass deshalb Berichte über Konflikte des Globalen Südens, Hungerkatastrophen oder den Auswirkungen des Klimawandels unter den Teppich fallen: „Wenn wir auf Dauer vergessen, über bestimmte Regionen und Krisen zu berichten, wie dem Sudan, dann können wir den Autokraten in den Regierungen dieser Länder keinen größeren Gefallen tun. Für die Menschen, zum Beispiel auch im Iran, ist es das Wichtigste, dass wir über sie, über die Situation in ihrem Land berichten, um das Interesse der Weltöffentlichkeit hochzuhalten und damit auch den Druck auf die Regierung.“

Pirmin Spiegel beim politischen Abend
Pirmin Spiegel betont, dass die Aufmerksamkeit und Solidarität allen Menschen gelten muss. ©Alexander Rentsch

„Es bleibt Aufgabe Misereors als Teil der Zivilgesellschaft und der Kirche den Menschen, die im Schatten leben, den Marginalisierten, den durch Klimawandel oder Kriege arm gemachten Menschen Aufmerksamkeit zu verschaffen“, sagt Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von Misereor. „Wir müssen Sorge tragen, dass sie nicht vergessen werden, ihre Namen, ihre Gesichter, vor allem ihre Potenziale. Dafür braucht es Empathie und die Diskussionen und Beiträge an diesem Abend geben dazu Hoffnung und Ermutigung.“

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Barbara Wiegard arbeitet als Pressesprecherin bei Misereor. Alle Neuigkeiten von ihr gibt es auch bei www.twitter.com/barbarawiegard

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