Seit fast 90 Jahren vergiftet die Kupfer- und Bleigießerei Umwelt und Einwohner der peruanischen Stadt La Oroya. 97 Prozent der Kinder unter sechs Jahren haben einen hohen Bleigehalt im Blut auf, der weit über den von der Weltgesundheitsorganisation festgelegten Höchstwerten liegt. Im Interview spricht Erzbischof Pedro Barreto über die jüngsten Morddrohungen gegen ihn, seinen Kampf für die Einhaltung von Umweltstandards und die Rolle der Kirche in Lateinamerika.
Wie leben und arbeiten Sie mit den Morddrohungen? Das ist doch sicherlich eine sehr schwierige Situation, ständig in Gefahr zu sein?
Erzbischof Pedro Barreto: Ja, es ist so, dass solche Drohungen mich schon seit acht Jahren begleiten, sozusagen seitdem ich Erzbischof der Diözese Huancayo bin. Es ist so wie bei den Armen; wenn sich jemand in einer schwierigen Situation befindet, stellt sich nicht die Frage, wie unter solch ungerechten Umständen die Hoffnung aufrecht erhalten werden kann. Ich will damit sagen, dass es die Armen sind, die mich
gelehrt haben, stark zu sein und die Hoffnung nicht zu verlieren. Ich bin überzeugt davon, dass es eine Mission ist, mit der mich Jesus beauftragt hat, und er selbst gibt mir Kraft, um weiter zu kämpfen und mich weiter für den Schutz von Leben und Umwelt einzusetzen.
Und Ihr Team, Ihre Mitarbeiter? Auch sie bekommen mittlerweile Drohungen, oder?
Erzbischof Pedro Barreto: Ja, das ist richtig. In diesem besonderen Fall haben zwei Mitarbeiter des Projekts telefonisch Drohungen erhalten. Zu einer Mitarbeiterin sagten sie auch, dass der Erzbischof sich schon mal seinen Sarg kaufen kann und sich auf den Tod vorbereiten soll. Das Neue ist also jetzt, dass es nicht mehr nur an den Bischof, an mich gerichtet ist, sondern auch an die Mitarbeiter, die mit dem Staat, den Unternehmen und der Bevölkerung zusammenarbeiten wollen, um dieses schwerwiegende Problem der Umweltverschmutzung anzugehen.
Was ist Ihr grundsätzliches Ziel?
Erzbischof Pedro Barreto: Wir als katholische Kirche sind nicht grundsätzlich gegen den Bergbau, aber wir treten ein für ein menschenwürdiges Leben und Arbeiten in einer gesunden Umwelt für alle Menschen. Dies ist ein Grundrecht, das nicht nur die Regierung, die Staaten, sondern auch die Kirche schützen muss.
Sie sind Vorsitzender der Kommission „Gerechtigkeit und Solidarität“ der lateinamerikanischen Bischofskonferenz CELAM. Was ist denn die Position der CELAM bei diesem Thema?
Erzbischof Pedro Barreto: Die lateinamerikanische Bischofskonferenz hat sieben Arbeitsbereiche. Einer von ihnen ist der Bereich „Gerechtigkeit und Solidarität“. Im Mai 2011 wurde ich von den Bischöfen zum Vorsitzenden für diese Kommission gewählt. Im Februar hatten wir ein Treffen mit Bischöfen, Priestern, Ordensfrauen und Laien, dabei haben wir als grundlegende Priorität für Lateinamerika festgelegt auf eine ziemlich weit verbreitete Herausforderung Antworten zu finden. Wir sind sehr
besorgt über die Situation in der Rohstoffindustrie, denn diese nimmt in Lateinamerika sehr wenig Rücksicht auf die Belange von Menschen und Umwelt. Wir sind uns in der Bischofskonferenz einig, dass dieses Problem in ganz Lateinamerika und der Karibik gravierend ist.
Genau, nicht nur in Peru, sondern in vielen Ländern Lateinamerikas gibt es mit dem Bergbau Schwierigkeiten.
Erzbischof Pedro Barreto: Ja, das Problem existiert in Argentinien, Kolumbien, Ecuador, Chile, jüngst auch in Uruguay und auch in Zentralamerika. In den vergangenen Jahren haben aufgrund des technischen Fortschritts immer mehr Unternehmen die Absicht auf unserem Kontinent Rohstoffe auszubeuten. Unser Problem liegt darin, dass wir in den lateinamerikanischen Ländern keine Umweltvorschriften nach
internationalen Standards haben. Und das hat mehrere Gründe. Auf diesem Feld handeln viele Politiker verantwortungslos. Sie interessieren sich vor allen Dingen für wirtschaftliche Investitionen von Unternehmen und die damit einhergehenden zusätzlichen Einnahmen für den Staat.
Wie kann die Kirche da handeln?
Erzbischof Pedro Barreto: In der katholischen Kirche gibt es dazu leider noch keine gemeinsame Antwort. Jeder Bischof sucht derzeit lediglich in seiner eigenen Diözese nach Antworten auf die jeweiligen örtlichen Probleme. Die kirchlichen Dokumente sind in dieser Hinsicht sehr klar, schon Papst Johannes Paul II. hat uns in einem Dokument aufgefordert, dass wir uns in besonderer Weise für die Bewahrung des Lebens
und der Schöpfung einsetzen müssen. Aber wie macht man es in der Praxis? Darauf Antworten zu finden ist ein zentrales Anliegen unserer Kommission „Gerechtigkeit und Solidarität“. Wie dringlich diese Sache ist, zeigt sich daran, dass schon, bevor mir so etwas passiert ist, auch andere lateinamerikanische Bischöfe Morddrohungen erhalten haben.
Gerade versucht das Unternehmen Doe Run zum dritten Mal, durch eine Gesetzesinitiative im Parlament eine erneute Fristverlängerung zu erwirken, um die Umweltauflagen erst später erfüllen zu müssen. Was erwarten Sie?
Erzbischof Pedro Barreto: Die letzte Fristverlängerung um 30 Monate für die Einhaltung der Umweltauflagen ist Ende März verstrichen, aber der Konzern Doe Run hat diese immer noch nicht erfüllt. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Verschmutzung und auch der Bleigehalt im Blut der Menschen zurückgegangen sind seitdem die Schmelzhütte 2009 geschlossen wurde. Doch jetzt will das Unternehmen die Hütte erneut öffnen. Und gegenüber dem Leiden können wir nicht schweigen! Die staatlichen Gesetze berücksichtigen immer noch viel stärker die Interessen der Unternehmen zu Lasten der Bevölkerung. Doch viele Zivilorganisationen und die Diözese haben den Präsidenten der Republik und Parlamentsabgeordnete aufgefordert, der erneuten Fristverlängerung nicht zuzustimmen. Auch Organisationen wie zum Beispiel MISEREOR solidarisieren sich mit der Bevölkerung und stellen sich der Fristverlängerung entgegen.
Haben Sie Hoffnung, dass Sie Erfolg haben werden?
Erzbischof Pedro Barreto: Ja! Im Gegensatz zu der Zeit vor acht Jahren – als ich Bischof der Diözese wurde – sprechen die Beteiligten, Betroffene und Unterstützer, mit einer gemeinsamen Stimme. Die Stimme der Kirche hat Solidarität und Gemeinschaft geschaffen zugunsten der Bevölkerung. Auch die Medien unterstützen
uns. Der Protest bekommt viel Unterstützung.
Mehr Informationen…
Der Konzern Doe Run…
…übernahm die Kupfer- und Bleigießerei in La Oroya 1997. Damals verpflichtete sich die Schmelze zu einem Umweltprogramm des peruanischen Staates. Seitdem aber konnte Doe Run die Frist zur Erfüllung der Umweltauflagen immer wieder verlängern. Seit 2009 steht der Betrieb still. Nun versucht es Doe Run zum dritten Mal, eine erneute Fristverlängerung um 30 Monaten durchzusetzen – und die Schmelzhütte wieder zu öffnen.
Bischof Barreto…
…kämpft gemeinsam mit seinem Team gegen eine weitere Fristverlängerung für Doe Run. In diesem Zusammenhang stehen auch die Morddrohungen gegen den Bischof. MISEREOR unterstützte Bischof Barreto und appellierte an die peruanische Regierung, sich für die Sicherheit des Bischofs und seiner Mitarbeiter einzusetzen und die Fristverlängerung nicht zu billigen. Die Sozialpastoral seiner Diözese ist seit vielen Jahren Partner von MISEREOR.
Rohstoffe
Der Umgang mit Rohstoffen ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Daher setzt sich MISEREOR für eine sozial und ökologisch nachhaltige Rohstoffnutzung ein. Mehr dazu in unserem Themenkanal „Rohstoffe“
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