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Der Preis des schwarzen Goldes: Ölförderung im Tschad

Die Ausstellung „Ölbiographien“ dokumentiert das Elend, das der Ölboom über die Bevölkerung im Süden des Tschads brachte.

„ESSO hat von meinem Land 1,5 Hektar genommen“, sagt Faustin Aleyou. Nun lebt der 47-Jährige mit seiner Frau und neun Kindern vom verbleibenden Hektar, auf dem er Hirse, Maniok und Bohnen anbaut. Für sein Land erhielt er vom Ölkonzern 1.500 Euro, einen Ochsenkarren und einen Pflug, der nie funktioniert hat, eine manuelle Erdnussschälmaschine, eine Schubkarre und einige Tiere. Ein Unternehmen baute ihm einen Schafstall. Der allerdings ist für Schafe ungeeignet. Aleyou nutzt ihn daher als Lagerraum. „Ersetzt all dies einen Hektar, auf dem ich jedes Jahr anbauen konnte?“, fragt Aleyou.

Faustin Aleyou ist Bauer in Madana, einem Dorf im Süden des Tschads. 2003 begann das Konsortium aus ExxonMobil (ESSO), Petronas und Chevron-Texaco, in Aleyous Heimat Öl zu fördern. Dominiert wird das Konsortium von ESSO.

Damals hofften viele auf Wohlstand. Doch nur wenige fanden Arbeit auf den Ölfeldern. Im Gegenteil. „Die Ölmilliarden haben den eh schon korrupten Staat weiter destabilisiert“, sagt Astrid Meyer, ehemalige Leiterin der MISEREOR-Dialog- und Verbindungsstelle im Tschad.

Meyer betreut die Ausstellung „Ölbiographien“, die MISEREOR auf dem Katholikentag in Mannheim zeigte.  Die Ausstellung für Rohstoffgerechtigkeit dokumentiert das Elend, das der Ölboom über die Bevölkerung im Süden des Tschads brachte.

Unangemessene Entschädigungen

„Heute gibt es mehr als doppelt so viele Bohrlöcher wie ursprünglich geplant, der Flächenverbrauch ist immens“, sagt Meyer. Hinzu kommen der Chemiemüll, der die Böden versucht, und der hohe Wasserverbrauch der Ölförderung. Wasser, das den Menschen fehlt. Für ihr Land zumindest erhalten die Besitzer eine Entschädigung. Doch wer was und wie viel bekommt, legt ESSO Chad fest. „Die Beträge sind völlig unangemessen“, berichtet Meyer. Und Weiterbildungskurse für die Bauern ohne Felder oft unsinnig. „So gibt es beispielsweise plötzlich ein ganzes Dorf voller Schmiede, obwohl nur Arbeit für einen da ist.“

Neben den Individualentschädigungen für die einzelnen Familien, gibt es Gemeinschaftsentschädigungen. Auch hier bestimmt der Konzern. Zwar entstehen Schulen und Getreidespeicher, allerdings sind diese schlecht gebaut und am Bedarf der Bevölkerung vorbei.
Besonders schwer ist es für die Bewohner der „eingeschlossenen Dörfer“. Um zu ihren Feldern zu gelangen, müssen sie Gebiete passieren, auf denen ESSO mittlerweile Öl fördert. Erlaubt ist das nur innerhalb bestimmter Zeitfenster, die viel zu knapp bemessen sind. Bauern, die nicht früh genug in ihre Dörfer zurückkehren, drohen Misshandlungen und willkürliche Verhaftungen, denn die Zugänge bewachen private Sicherheitskräfte und Polizisten.

Mutige Medien

„Trotz allem aber gibt es mutige Medien, die über die Missstände berichten“, sagt Meyer. Beispielsweise das Radio der Diözese Doba. Die Journalisten prangern Ungerechtigkeiten an – und die hohe Korruption, die auch in dem Gremium zur Interessensvertretung der Lokalbevölkerung Gang und Gäbe ist, das einen Fonds für die Erdölgebiete verwaltet.

„Eigentlich sollten fünf Prozent der Öleinnahmen der Bevölkerung zugutekommen“, erzählt Meyer. Doch bisher floss das Geld nicht etwa in die Versorgung mit sauberem Trinkwasser oder ein Basis-Gesundheitssystem. Stattdessen entstanden ein Flughafen, der nicht funktioniert, ein Stadion und eine Universität. „Was nutzt eine Universität in einem Land, in dem fast die Hälfte der Schüler nach der Grundschule nicht lesen und schreiben können?“, fragt Meyer.

Die Ölkonzerne verdienen Milliarden am schwarzen Gold. Den Preis zahlen die Menschen.

MISEREOR unterstützt tschadische Partner in ihrem Engagement um eine Anpassung des Entschädigungssystems unter Beteiligung der Bevölkerung. Sie klären die Menschen über ihre Rechte auf und fördern Eigeninitiativen. Auf Initiative der tschadischen Bischofskonferenz ist eine Dialogplattform gegenüber ESSO entstanden, in der Sprecher von Muslimen, Katholiken und Protestanten sowie Staatsvertreter und Vertreter der Zivilgesellschaft repräsentiert sind.

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Petra Kilian arbeitet im Berliner Büro von MISEREOR.

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