Hauptstadt und Staat stehen heute still. Nachdem sich während des Ramadans das Stadtleben ohnehin verlangsamt hatte, gedrosselt vorher schon durch einen langwierigen Generalstreik des U.S.T.-Gewerkschaftsbundes, ist das öffentliche Leben heute Vormittag fast ganz zum Erliegen gekommen. So ruhig habe ich N`Djaména noch nie erlebt.
Geschäfte bleiben geschlossen, die Straßen werden großräumig durch Polizisten oder Militär abgeriegelt. Überhaupt sind kaum Menschen unterwegs. Einzig eine orangefarbene Müllabfuhr rollt durch eine Nebenstraße – trotz Nationalfeiertag.
„Wohin gehen Sie?“, fragt uns ein gelangweilter Soldat, als wir kurz vor dem Platz der Nation kehrt machen, weil zur großen Kundgebung kein Durchkommen ist. Ich muss einsehen, dass man auch zu Fuß nicht die Unabhängigkeitsfeier erreicht: „Bloß zum Auto zurück.“ Geparkt haben wir an der Kathedrale, die sich zum Glück gleich neben dem Platz der Nation befindet. So kommen wir zumindest trotz Straßensperren rasch weg von dieser Hochsicherheitszone.
Der Tschad kommt mir wie ein Militärstaat vor. N`Djaména gleicht einer Festung. Nur Regierung, Parteimitglieder, Armee und Mitglieder des diplomatischen Korps nehmen an den Feierlichkeiten teil; gewöhnliche Bürgerinnen und Bürger wissen offenbar, dass man sie dabei nicht wünscht.
Auch wer nicht in der Vergangenheit Kampfhandlungen im bürgerkriegsgezeichneten Tschad miterlebte, kann nachvollziehen, wenn Tschader ein mulmiges Gefühl angesichts der geballten Militärpräsenz überkommt, sodass sie zu Hause bleiben.
Seit Tagen schon fielen nicht nur vermehrte Jeeps und Bodentruppen auf, sondern waren ebenfalls lautstarke Kampfflugzeuge über die Stadt gedonnert. Mehr und andere als die sonstigen französischen. Wie wir dann, im Hotel „Meridien“, am Fernseher verfolgen, sind just sie der große Stolz der diesjährigen Parade. Und die ganze Unabhängigkeitsfeier besteht aus Militärvorführungen. Ich hörte neulich, kein anderes afrikanisches Land kauft für so viel Geld Kriegsgerät in Europa wie der Tschad; die Öldollars machen es möglich. Wohl auch diese Jets?
Jedenfalls schaut Staatspräsident Idriss Déby Itno mit zufriedenem Lächeln nach oben, als eine Formation von ihnen über den Platz der Nation fliegt. Débys Ehefrau, die neben ihm sitzt, zeigt mit ihrem Zeigefinger anerkennend auf die Flugbewegung am Himmel.
Im Vorfeld des Nationalfeiertags hatte man rund ein Dutzend überlebensgroße Konterfeis des Präsidenten an den Hauptverkehrsachsen der Kapitale aufgestellt. Auch in den Medien war er stärker als sonst gegenwärtig. Vermutlich sollte das, wie auch die heutige Machtdemonstration, jüngste Gerüchte um etwaige Putschversuche vergessen machen, die seit Juni aufgekommen waren – nicht ganz unglaubwürdig, weil ihnen zum einen die Festnahmen sieben hoher Militärs folgte, zum anderen seither jedoch auch der Grenzfluss Chari – potentieller Flucht- oder Angriffspunkt – komplett für Fischerei sowie Schifffahrt gesperrt worden ist – ein zweifelhafter Stärkebeweis.