Am Freitag tagte das Wassertribunal zum letzten Mal in dieser sechsten Sitzungsperiode.
Die ganze Woche über wurden in öffentlichen Anhörungen gravierende Fälle von Verletzungen des Menschenrechts auf Wasser vorgetragen
– sei es im Fall der Gold- und Kupfermine Pascua Lama, für die das kanadische Unternehmen Barrick mehrere Gletscher in der Grenzregion zwischen Chile und Argentinien zerstören will, sei es im Fall der argentinischen Provinzen La Pampa gegen Mendoza, bei der die eine Provinz der anderen das Flusswasser abgräbt, oder sei es im Fall der Goldmine Conga in Peru, für die mehrere Lagunen und ein ganzes sensibles Wasserquellgebiet zerstört werden sollen. Die Vereinten Nationen haben 2010 in einer Resolution den Anspruch auf sauberes Wasser zum Menschenrecht erklärt. Formal einklagbar ist dieses jedoch Recht nicht. Deshalb formierten sich in den letzten Jahren verschiedene alternative Foren, wie das Lateinamerikanische Wassertribunal, wo in öffentlichen Anhörungen aufzeigt wird, wie häufig dieses Menschenrecht gefährdet ist. Ein interdisziplinäres Gremium untersucht die vorgetragenen Fälle, analysiert die eingereichten Unterlagen und bildet sich zu der Anklage ein Urteil.
Auch die Angeklagten sind eingeladen, ihre Sicht der Dinge vor dem Tribunal darzulegen. Im Fall Mendoza gegen La Pampa nehmen die Angeklagten diese Chance auch wahr. Im Fall „Conga“ teilt das Unternehmen nur mit, dass es keine Veranlassung sieht, an so einer Veranstaltung teilzunehmen oder ein Urteil anzuerkennen, das von einem Forum ausgesprochen wird, das kein rechtlich bindendes Urteil aussprechen kann. Das Wassertribunal verkündet nach Prüfung des Falls, dass sowohl aus der Umweltverträglichkeitsstudie als auch aus weiteren Gutachten hervorgeht, dass das Bergbauprojekt „Conga“ irreversible Schäden am Ökosystem in der betroffenen Region hervorrufen wird, darunter die Zerstörung von mehreren Lagunen, mehr als 600 Wasserquellen sowie einer zum Teil einzigartigen und schützenswerten Flora und Fauna.
Die vom Unternehmen vorgelegte Umweltverträglichkeitsstudie bestätigt, dass durch das Bergbauprojekt sowohl die Wasserquantität als auch die -qualität negativ beeinträchtigt wird und dass außerdem die Gefahr besteht, dass die Wasserläufe durch saure Abwässer verunreinigt werden. Zwei der vier Lagunen sollen als Abraumhalden benutzt werden. Die Zerstörung der vier Lagunen soll nach Plan des Unternehmens durch den Bau von vier künstlichen Wasserreservoirs kompensiert werden. Das Tribunal schließt sich der Anklage in dem Punkt an, dass künstliche Reservoirs kein Ersatz für natürliche Lagunen sein können.
In seinem Urteilsspruch fordert das Lateinamerikanische Wassertribunal den peruanischen Staat deshalb auf, das Bergbauprojekt „Conga“ definitiv zu suspendieren. Es klagt die vielen Unregelmäßigkeiten bei der Erteilung der Abbaugenehmigung an sowie die Privatisierung der öffentlichen Wasserquellen, welche im Fall der Realisierung der Goldmine nur noch dem Bergbauunternehmen zur Verfügung stehen würden. Das Wassertribunal fordert eine Ausweitung der Kompetenzen des peruanischen Umweltministeriums, um das in der peruanischen Verankerung verankerte Recht auf eine saubere Umwelt zu verwirklichen. Es verurteilt die Verfolgung und Unterdrückung der Widerstandsbewegung sowie die mangelnde Beteiligung der Bevölkerung im Bewilligungsprozess für dieses Projekt. Angesichts der schwere der Vorwürfe, die die Kläger vor dem Tribunal erheben, erinnert das Tribunal den peruanischen Staat an seine Pflicht, die Menschenrechte zu schützen und für ihre Verwirklichung zu sorgen, das gilt auch und in diesem Fall insbesondere für das Recht auf Wasser.
Die Ankläger sind mit dem Urteilsspruch zufrieden. Mirtha Vasquez, die Anwältin der Nichtregierungsorganisation GRUFIDES, sagt: „Wir sind froh, dass wir den Fall hier vor dem Wassertribunal darlegen konnten. In unserem eigenen Land ist es nicht mehr möglich, diesen Fall vor Gericht zu bringen. Alle Klagen, die wir bisher eingereicht haben, alle Versuche, Conga auf rechtlichem Wege zu stoppen, wurden unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand von dem jeweiligen Richter abgewiesen. Natürlich will kein Richter sich an diesem konfliktiven Fall die Finger verbrennen! Im Streit über „Conga“ sind ja schon diverse Minister gestürzt, weil sie mit der harten Linie der Regierung nicht einverstanden waren. Ein ganzes Kabinett ist zurückgetreten! Trotzdem bleibt die Regierung bei ihrem „Conga va“. Wenn ein Projekt dermaßen von oben nach unten und gegen alle Vernunft durchgedrückt werden soll, ist es doch nicht verwunderlich, dass die peruanischen Gerichte sich nicht mehr an den Fall ranwagen. Deshalb sind wir froh, dass es Instanzen wie das Wassertribunal gibt, und dass wir den Fall hier vortragen konnten.“
Für MISEREOR zeigt dieser Fall, wie wichtig es ist, Institutionen wie das Lateinamerikanische Wassertribunal zu unterstützen. Mag es auch nur ein sehr kleiner Schritt sein auf dem Weg zur Verwirklichung des Menschenrechts auf Wasser, so ist es doch ein wichtiger!
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