Während diese Woche in Stockholm die Right Livelihood Awards (RLA), alias Alternative Nobelpreise, den Preisträgerinnen und Preisträgern 2012 überreicht werden, ist im Tschad die Verleihung schon längst über die Bühne gegangen. Der Festakt fand bereits im Oktober statt.
Doch wohnten wir hier einer Art Wiederholung bei: MISEREOR-Partnerin Jacqueline Moudeina, Preisträgerin 2011, empfing ihre Auszeichnung zum zweiten Mal – was jedoch der Wirkung keinen Abbruch tat. Schließlich hatte im autokratischen Tschad vorher praktisch niemand, mangels internationaler Verbindungen, etwas von der Auszeichnung mitbekommen. Und selbst das Staatsfernsehen zeigte abends den Festakt, bei dem Martin Almada (Preisträger 2002, Paraguay), Reed Brody (Human Rights Watch), Nnimmo Bassey (Preisträger 2010, Nigeria) leidenschaftliche Worte zur Würdigung Jacqueline Moudeinas einlegten.
Das Publikum nimmt die Würdigung nicht nur wie eine Premiere auf, sondern macht daraus ein echtes Fest – der Gerechtigkeit und Freiheit, der Zivilgesellschaft. „Endlich sagt mal jemand die Wahrheit!“, fasst jemand die Stimmung zusammen.
Jacqueline Moudeina kämpft für Gerechtigkeit und für die Rechte der Opfer des ehemaligen Diktators Hissène Habré im Tschad. Um Menschenrechtsverbrecher – verantwortlich für die Folterung Tausender – vor Gericht zu bringen, setzt sie sich einer ständigen Gefahr aus. 2001 überlebte sie einen Anschlag.
Weil dem Regierungsapparat weiterhin einstige Habré-Getreuen angehören, tut sich die Staatsspitze schwer mit der internationalen Solidarität für Moudeina. Schwankt zwischen Ablehnen und Tolerieren. Ablesen ließ es sich an der Form ihrer Anwesenheit am Festakt – die genauso eine Abwesenheit darstellte: Eine „Repräsentantin“ der Präsidentengattin betont in ihrem – angeblich improvisierten – Grusswort, schlicht „aus Solidarität mit der tschadischen Frau“ gekommen zu sein. Sie wolle „nichtprotokollarisch“ die Gratulation der First Lady überbringen.
Obwohl lediglich ein Ausnahmemoment im „Reich des Garanten“ (Jochen Stahnke, FAZ), eröffnen die gemeinsamen Tage mit der Stockholmer Solidaritätsdelegation neue Handlungsspielräume. Besonders der öffentliche Akt der Auszeichnung brachte einen Energieschub, von dem zu hoffen ist, dass er bleibe.
Und zwar gerade trotz und wegen der Bedrohung der Menschenrechtsanwältin Moudeina samt ihrer Mitstreiter im Kampf gegen die Straflosigkeit – etwa die Organisation ATPDH – wie auch der allgemeinen Gefährdung politisch Andersdenkender im Tschad: Fiel schon vorher ein Schatten auf die Solidaritätstage wegen der Ausweisung eines anderen MISEREOR-Partners, Bischof Russo, so ist die Sorge um die Preisträgerin Moudeina zunächst noch gestiegen, seit sie drei Tage nach ihrer mutigen Dankesrede zu Hause Opfer eines auf sie persönlich gezielten Angriffs wurde. Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Sicherheitsfragen sind also zu vorrangigen Arbeitsthemen bei uns geworden.