Es ist ein Begriff, mit dem spontan wahrscheinlich nicht viele Menschen etwas anfangen können: „Corporate Social Responsibility“ (CSR), zu Deutsch so viel wie „Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung“. Tatsächlich spielt dieser Begriff in den strategischen Überlegungen von Wirtschaftsbetrieben eine immer größere Rolle. Soziales Engagement, ein freiwilliger Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im eigenen Unternehmen und bei Zulieferern im Ausland oder auch nachhaltige Maßnahmen zugunsten der Umwelt – das alles liegt zumindest in einigen Branchen durchaus im Trend.
Wer in dieser Weise über das gesetzlich geforderte Maß hinaus investiere, befinde sich auf dem richtigen Weg, sagte Professor Dr. Nick Lin-Hi von der Universität Mannheim bei der jüngsten Tagung des Misereor-Unternehmerforums in der Zentrale der Deutschen Telekom in Bonn. Denn: „CSR ist kein Kürzel für Gutmenschentum. Sondern für gutes Management“, sagte der Wissenschaftler, der Juniorprofessor im Themenfeld CSR ist.
Mehr als 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten bei der ganztägigen Veranstaltung mit großem Interesse den Ausführung Lin-His. Das Misereor-Unternehmerforum, das 2011 erstmals tagte und seitdem regelmäßig zum Dialog über entwicklungspolitische Fragen und die Verantwortung der Wirtschaft im Kampf gegen Missstände wie Armut, Klimawandel oder Menschenrechtsverletzungen einlädt, versammelt sehr unterschiedliche Repräsentanten der Wirtschaft – vom Vorstandsvorsitzenden eines Dax-Konzerns über einen mittelständischen Unternehmer, dessen Firma Elektromotoren herstellt, bis zum rheinhessischen Winzer.
Das eigene Handeln auf den Prüfstand stellen
Alle eint der feste Wille, das eigene Handeln gerade unter ethischen Aspekten auf den Prüfstand zu stellen und gemeinsam über Beiträge für eine gerechtere und nachhaltigere Welt nachzudenken. Dabei wird auch mit Kritik nicht hinter dem Berg gehalten. Gegen CSR habe natürlich zunächst niemand etwas einzuwenden, hieß es in den Diskussionen. Aber wenn nur Teile einer Branche ihrer Verantwortung auf diesem Gebiet nachkommen, könnten die zusätzlichen Investitionen auch zum Wettbewerbsnachteil werden. „Die Kunden honorieren ein solches Engagement nicht unbedingt“, berichtete Winzer Richard Grünewald. Daher halte er es für notwendig, entsprechende Standards gesetzlich festzulegen. Lin-Hi war es indessen ein Anliegen zu verdeutlichen, dass sich CSR langfristig immer lohne: „Die eigenen Mitarbeiter zahlen eine solche Strategie mit höherem Engagement zurück, die Kunden sind zufriedener und loyaler, und auch in Verhandlungen mit Kapitalgebern ergeben sich positive Effekte.“ Unternehmen, die in Sachen CSR untätig blieben oder sich gar Fehlverhalten leisteten, müssten mit dauerhaften Nachteilen rechnen.
Es gibt noch viel zu tun
Lin-Hi räumte ein, dass noch viel zu tun bleibe. Er verdeutlichte das am Beispiel einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Deutschen Spielzeugindustrie, bestimmte Arbeits- und Sozialstandards in chinesischen Zulieferbetrieben zu gewährleisten. „Es mangelt trotz vieler positiver Effekte an Transparenz, um die Einhaltung dieser Standards zu kontrollieren; auch gibt es keine Sanktionen gegen Unternehmen, die sich nicht an die Regeln halten.“ Zudem sei etwa ein Drittel der Branche an der Aktion gar nicht beteiligt.
Dennoch: Auch Achim Lohrie vom Hamburger Kaffee- und Textilkonzern Tchibo bestätigte, dass es aus seiner Sicht keine Alternative dazu gebe, sich für Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz und letztlich alle Aspekte nachhaltigen Wirtschaftens einzusetzen. „Was nutzt es uns, wenn ein Landwirt seine Kaffeeplantage nicht optimal bewirtschaftet, weil er von uns schlecht behandelt wird?“ Die Firma Tchibo, die jährlich 180.000 Tonnen Rohkaffee verarbeitet, befinde sich dabei durchaus in einem Lernprozess. „ Natürlich haben wir Fehler gemacht“, spielte Lohrie auf Auseinandersetzungen insbesondere mit der Kampagne „Saubere Kleidung“ an, die Arbeitsbedingungen in asiatischen Textilfabriken angeprangert hatte. Seit 2006 sei Tchibo dabei, aus der Kritik die richtigen Schlüsse zu ziehen und befinde sich nun auf dem Weg, „ein zu hundert Prozent nachhaltiges Unternehmen“ zu werden. Beispiele dafür gebe es viele, von sozialen Mindeststandards über ökologischere Anbaumethoden bis hin zu Aktivitäten für die Kinder von Kaffeebauern, denen Tchibo Bildungs- und Betreuungsangebote finanziere.
Armin Paasch, Fachreferent für Wirtschaft und Menschenrechte bei Misereor, machte sich für striktere Regeln in Verträgen mit Zulieferbetrieben stark. Die im vergangenen Jahr vorgelegte Misereor-Studie „Vom Erz zum Auto“ habe nachgewiesen, dass Lieferanten von Stahl, Aluminium und Kupfer für die deutsche Autoindustrie in großer Zahl Menschenrechte verletzten und die Umwelt belasteten. Auch wenn es bisweilen schwer sei, den Weg gelieferter Materialien lückenlos zurückzuverfolgen, komme man nicht umhin, „menschenrechtliche Sorgfalt in der gesamten Lieferkette in den Verträgen verbindlich einzufordern und die Herkunft eines verwendeten Materials zu dokumentieren“. Paasch plädierte dafür, auch die staatliche Außenwirtschaftsförderung an die Einhaltung der Menschenrechte zu koppeln.
Erfahrungen austauschen und voneinander lernen
Misereor-Hauptgeschäftsführer Monsignore Pirmin Spiegel dankte alle Teilnehmern des Unternehmerforums herzlich für ihr Engagement. Für Misereor sei der Dialog mit Wirtschaftsvertretern von außerordentlicher Bedeutung. „Wir sind froh, von Ihren Erfahrungen und Sorgen zu erfahren und von Ihren Ideen zu lernen.“ Das Forum solle eine kritische Auseinandersetzung mit zentralen Zukunftsfragen fördern. Damit trifft Misereor auf viele offene Ohren. Auch Telekom-Vorstandsvorsitzender René Obermann nahm sich trotz vieler anderer Termine Zeit, bei der Veranstaltung persönlich dabei zu sein.