Serie: Im Westen was Neues. – Schlaglichter aus Westafrika, Teil 3
Schon einmal habe ich an dieser Stelle über die Goldgräber-Stimmung in Teilen Westafrikas geschrieben (zum Artikel: Goldrausch und Dorfleben in Burkina). In den letzten Monaten habe ich mehrfach Orte des informellen Goldabbaus besucht und hier halte ich meine Erfahrungen fest. Mich stimmen diese Beobachtungen nachdenklich.
Der Traum vom Gold, vom schnellen Geld und von der Entwicklung der Region begegnet mir immer wieder: im Süden des Senegals, im Westen und Norden Burkina Fasos, in den großen Werbeanzeigen internationaler Konzerne in überregionalen Zeitschriften.
Überall ist man mit den Auswirkungen, den Hoffnungen und den Risiken konfrontiert, die der Abbau mit sich bringt. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, sagt man manchmal leicht dahin. Man sollte aber hinzufügen: Auch dort, wo das Gold glänzt, wirft dieser Glanz riesige Schatten auf die Umwelt und das Leben der Bevölkerung.
Dezember 2012, Senegal in der Nähe der guineischen Grenze
Getreidesäcke lehnen an der Lehmhütte – bestimmt fünfzehn Stück – alle randvoll mit staubiger Erde. In ihr sollen sich kleine und kleinste Partikel von Gold finden lassen. Hinter dem kleinen Dorf wird der Boden umgegraben – die Familie schürft arbeitsteilig, einer gräbt in den Erdlöchern, einer haut mit einem schweren Hammer die Felsstücke zu dem Staub, der dann in den Getreidesäcken endet.
Vor der Lehmhütte ist eine abschüssige Holzkonstruktion aufgebaut, um über eine Distanz von drei, vier Metern Wasser mit Gefälle ablaufen zu lassen. Am oberen Ende füllt Aziz gerade den Staub in ein Küchensieb, während sein Bruder den Holzablauf mit Stücken von Autofußmatten auskleidet, sodass die ganze Länge abgedeckt ist. Gleich wird der Staub mit Wasser übergossen. Am unteren Ende steht ein großer Eimer, dort wird das Schlammwasser aufgefangen, um es erneut zu benutzen. Das Gold als schwereres Element soll in den Fußmatten hängen bleiben, während die leichteren Erdpartikel mit dem Wasser fortgeschwemmt werden.
Schließlich werden die Fußmatten ausgewaschen und Aziz wäscht mit zwei Schüsseln kunstvoll die winzigen gelb schimmernden Partikel aus dem Schlammwasser. Immer wieder führt er ovale Bewegungen durch, lässt Wasser ablaufen und trennt langsam schwerere Goldpartikel von Erdkörnern. So wie er arbeiten hier viele – erst wenn die Regenzeit kommt und das Graben in den Erdlöchern noch gefährlicher wird als ohnehin schon, begeben sich die Familien auf die Felder, die sie in dieser Region traditionell bewirtschaften. Zwischenzeitlich liegen die Flächen brach oder werden im Vergleich zu früher kaum gepflegt. Über weite Teile des Jahres ist ihr Leben vom seltenen Glück des Findens und von einer langen harten und gefährlichen Suche bestimmt.
April 2013, Burkina Faso, jenseits der großen Städte
Auf dem Weg zur Grabungsstelle geht es vorbei an eingerissenen Mauern und demolierten Hütten. Es sind Reste einer staatlichen Razzia gegen den illegalen Goldabbau. Geändert hat es nichts. Kurz darauf eröffnet sich der Blick auf ein Areal, auf dem weitläufig verteilt hunderte Menschen unter Planen sitzen, aus Erdlöchern Eimer voll Geröllbrocken ziehen oder per Hand schaufeln. Die Sonne steht tief, aber selbst mit abgedeckten Augen vermag man in manchem Schacht den Boden nicht zu sehen. Glaubt man den Aussagen vor Ort, dann gehen sie bis 30 oder 35 Meter in die Tiefe. Der Abstieg in den Schacht erfolgt in kleinen gehauenen Trittlöchern, die nicht sehr vertrauenswürdig aussehen.
Wo die Grabungen beginnen gibt es Abbruchkanten von mehreren Metern – an einigen Stellen wurde auch unter dieser Kante weiter gegraben und dort soll es zu den schlimmsten Unglücken gekommen sein – dass Untertage Menschen verschüttet werden, ist hier keine Seltenheit. Die Schächte werden mit Holzstämmen gestützt, die am Rand der Grube von jungen Männern in Form gehauen werden. Manche von ihnen steigen auch nachts in die Schächte – ohne Helm, ohne richtiges Grabwerkzeug – allein eine an den Kopf gebundene Taschenlampe als Lichtquelle.
Aber auch diejenigen, die nicht hinabsteigen, die in der Hitze von über 40° immer wieder unermüdlich die Steine klopfen oder den Erdstaub im Wind sieben, sind gezeichnet von der Arbeit. Ihre Körper und ihre Kleider sind vom Staub durchdrungen, oft zerrissen. Es wird viel gehustet. Der Staub der einen zieht über die anderen hinweg. Atemmasken oder Tücher vor dem Mund tragen hier die Wenigsten.
Und selbst diejenigen, die einmal einen großen Fund machen, haben damit nicht immer Glück. Mehrere Geschichten werden mir erzählt von Goldgräbern und deren Familien, die sich nach einem Fund um das Geld stritten und mit dem kleinen ersehnten Reichtum nicht umzugehen vermochten. Oder von dem Fall, dass sich Jugendliche mit dem Geld Motorräder kaufen, die sie nicht beherrschen.
Viele der Arbeiter sind Wanderarbeiter und ziehen zu neuen Fundstätten weiter. Dieses Leben ist hart. Zum Teil haben sie nicht einmal eine Behausung und schlafen auf dem nackten Boden unter Planen neben den Schächten. Mit den Wanderarbeitern komme auch die Prostitution, das mache auch AIDS wahrscheinlicher, auch Drogen spielten eine Rolle, sagen mir meine Begleiter.
Am Rande der Gruben sitzen neben Frauen auch Kinder im Schatten: Eigentlich müssten sie zur Schule gehen, die gar nicht weit entfernt liegt. Anscheinend wiegt hier der Goldrausch schwerer als ein Bildungsversprechen.
Am Ende meines Besuchs kommen wir an einer Stelle vorbei, an der einige kleine Erdhügel nebeneinander liegen. Ohne Markierung, ohne Zuordnung – es sind die Grabstätten derjenigen, die hier verschüttet wurden. Der Wind trägt den Staub über die Gräber – ganz in der Nähe wird weiter nach Gold gesiebt.
Schade, wenn ihre einzige Chance den Tod mit sich bringen kann. Man kann sich wohl kaum vorstellen, wie das Leben dort sein muss und welchen Stellenwert der Tot in der Gesellschaft hat, wenn Begrabene liegen gelassen werden und nebenan weiter gegraben wird. Schlecht wird mir dabei.