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Im Nebel an der Zonengrenze

Hartgesottene Wallfahrer mit dem Hungertuch unterwegs nach OsnabrückMISEREOR-Freiwilligendienst mit Trommeln in  Osnabrück

„Was, bitte schön, soll das?“ Die junge Dame, geschätzte zwölf Jahre alt, schaut halb belustigt, halb verständnislos auf das Geschehen vor dem Rathaus in Osnabrück. Sie sieht junge Leute, die auf Blechfässern, Müllbehältern und ehemaligen Mayonnaise-Eimern aus der Imbissbude trommeln und temperamentvoll-rhythmisch skandieren: „Neu denken! Veränderung wagen.“ Ihnen folgen mehrere Bischöfe und mehr als hundert Wallfahrer, die von weit her das Hungertuch nach Osnabrück getragen haben. Als das Mädchen erfährt, dass am nächsten Tag in der gleichen Stadt die MISEREOR-Fastenaktion eröffnet wird, dass diese „Demo“ der ganz anderen Art Menschen zu mehr Solidarität mit weniger privilegierten Völkern und zu mehr Bewusstsein für die gefährdete Schöpfung motivieren soll, ist die Reaktion eindeutig: „Das finde ich cool. Dann mal weiter so!“

Das wiederum lässt nur einen Schluss zu: Ziel erreicht! Wenn so zahlreich Engagierte für MISEREOR auf die Straße gehen, dann sollen damit auch möglichst viele Menschen erreicht werden, die das Hilfswerk (noch) nicht kennen. Die empfänglich sind für eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebensstil und mit Themen wie Klimawandel, globale Gerechtigkeit oder Menschenrechte.Hungertuchwallfahrt

Die beiden Gruppen von Hungertuchwallfahrern, die auch in diesem Jahr den Weg zum Ort der Eröffnung der Fastenaktion angetreten haben, wollen ja auffallen, die Menschen in ihrer Alltagsgeschäftigkeit unterbrechen und für die Unterstützung der MISEREOR-Arbeit werben. Deswegen laufen sie singend durch Fußgängerzonen, sprechen Passanten an, verteilen Handzettel. Es braucht schon ein wenig Mut, auf so ungewöhnliche Weise Aufsehen zu erregen. Den haben auch die jungen Leute aufgebracht, die bereits für MISEREOR einen Freiwilligendienst geleistet und nun zu den Trommeln gegriffen haben.

Hungertuchwllfahrt_Pirmin Spiegel_Franz-Josef Bode

Unterwegs mit den Hungertuchwallfahrern: Bischof Crispin Barrete Varquez, MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel, Bischof Franz-Josef Bode, Erzbischof Stephan Burger, Erzbischof Dr. Antonio Javellana Ledesma, (v.l.n.r.)

Hungertuchwallfahrer sind hartgesottene Aktivisten, die um der Sache MISEREORS willen gewaltige Strapazen auf sich nehmen. Jene rund 50 Pilger, die in Magdeburg gestartet waren, liefen die Strecke wie gewohnt in vier Gruppen, dafür dann aber auch rund um die Uhr. Auf diese Weise machte sich ein Trupp etwa am (sehr) frühen Aschermittwoch gegen 0.30 Uhr auf den Weg von Sommerschenbug nach Helmstedt. In tiefster Nacht, bei Nebel und Kälte, überquerten sie die ehemalige Zonengrenze, verharrten am früheren so genannten Todesstreifen an einem Gedenkstein. „Eine ganz besondere Situation, die uns sehr bewegt hat“, berichtete Wallfahrer Matthias Hey. Am nächsten Tag waren die Wallfahrer beim niedersächsischen Landtagspräsidenten. Dort wurden sie belehrt, dass das Hungertuch einzurollen sei, man befinde sich ja in der Bannmeile, und wenn man der Anweisung nicht Folge leiste, müsse leider die Polizei eingeschaltet werden. Das Missverständnis konnte schmunzelnd geklärt werden…

An der Osnabrücker Domschule trafen die Wallfahrer aus Magdeburg mit der großen Hungertuch-Pilgergruppe zusammen, die bereits zum 20. Mal aus dem Bistum Paderborn gekommen war. Wallfahren, das wurde deutlich, kann – da viel gesungen und meditiert wird – sehr inspirierend sein und weckt ungeahnte Kräfte. So verströmte die 60 Personen starke Gruppe aus Paderborn auch noch fröhlich-zufriedene Gelassenheit, als nach 29 Kilometern harter Strecke über den schlammigen Hermannsweg die Beine immer müder wurden. Pirmin Spiegel, der MISEREOR-Hauptgeschäftsführer, lobte denn auch überschwänglich: „Ich verneige mich vor einer so großen Leistung im Dienst an der Sache der Armen.“ Als Christen trügen wir eine besondere Verantwortung dafür, dass die Hoffnung nicht verloren geht und es immer eine Alternative gibt, meinte der MISEREOR-Chef. Der neue MISEREOR-Bischof Stephan Burger sagte vor den Wallfahrern: „Sie schaffen ein Bewusstsein dafür, dass wir Verantwortung für alle Menschen weltweit tragen.“ Im Friedenssaal des Osnabrücker Rathauses sangen die Wallfahrer ein feierliches „Magnificat“, worauf Bürgermeisterin Karin Jabs-Kiesler sagte, es berühre sie außerordentlich, all diesen Menschen aus dem MISEREOR-Umfeld zu – begegnen. Ein Tag voller schöner Momente – genug Motivation, um auch im nächsten Jahr wieder auf Pilgerreise zu gehen.

Geschrieben von:

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Ralph Allgaier arbeitet als Pressesprecher bei Misereor.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    ….sehr gut!!!
    Danke für euer Engagement. Das regt zum Nachdenken an.
    Sich für andere Menschen einzusetzen und etwas zu wagen ist auch jeden Fall ganz
    super.
    Vielen Dank euch allen die da mitgemacht haben und meinen vollsten Respekt.

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