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Honduranische Kämpferin für Menschenrechte von Killern bedroht

Alejandrina Cabrera war mit anderen honduranischen Aktivisten vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf und anschließend in Berlin zu Gesprächen mit Politikern. Die 31-jährige vom Volk der Tolupan vertritt die zivilgesellschaftliche „Bewegung für Würde und Gerechtigkeit“ in Honduras. Die Alleinerziehende kann nicht zu ihren fünf Kindern zurück, denn sie wird von Auftragskillern bedroht und muss sich verstecken. MISEREOR berät das Netzwerk der Menschenrechtsorganisationen in Honduras und unterstützte die Lobbyreise nach Deutschland.

Alejandrina Cabrera - Kämpferin für Menschenrechte

Alejandrina Cabrera – Kämpferin für Menschenrechte

Wie werden Ihre und die Menschenrechte Ihres Volkes verletzt in Honduras?

Alejandrina Cabrera: „Die Regierung ignoriert die Probleme meines Volkes aus Francisco de Locomapa. Wir erleben eine furchtbare Krise: Wir haben keine Arbeit, es werden illegal Lizenzen an Minen und an unserem Land vergeben, die Unternehmen zerstören unsere Wälder und verschmutzen unsere Flüsse. Wir haben keinerlei Unterstützung, genauso wie die ethnische Minderheit der Lenque, von denen auch viele von ihrem Land vertrieben wurden. Es gibt noch einunddreißig andere indigene Völker in unserem „Departemento“ mit den gleichen Problemen: Überall herrscht Korruption und unglaublich viele Menschen werden ermordet. Ein Opfer war auch meine Mutter Maria, die am 25. August 2013 in ihrem Haus erschossen wurde.

Darum habe ich mich diesen Sommer entschieden, für 33 Tage in einen Hungerstreik zu treten. Ich wollte, dass die Regierung uns endlich wahrnimmt und auf unsere Forderungen eingeht. Vor vierzehn Tagen wurde mir zum ersten Mal damit gedroht, dass ich und meine Kinder sterben werden. Einmal war ein Mann da, aber ich hielt mich zu diesem Zeitpunkt mit meinen Kindern in San Pedro auf. Es ist jetzt so gefährlich, dass ich mein Dorf verlassen muss.

Auch andere Delegationsmitglieder, die mit mir hier in Europa unterwegs sind, erhalten Morddrohungen. Die Regierung weiß das ganz genau, aber es interessiert sie nicht. Sie zieht eher Vorteile daraus, weil die Zivilgesellschaft auf diese Weise eingeschüchtert wird. Wenn unser Präsident ins Ausland reist, stellt er alles dagegen sehr positiv dar. Wegen den Vertreibungen und den Morddrohungen haben wir Anzeige auf Anzeige erstattet, aber wir werden einfach nicht gehört.“

Wer ist dafür verantwortlich – auch für die Morde? Was denken Sie?

Alejandrina Cabrera: „Die Minenbetreiber sind für die Auftragsmorde verantwortlich, aber es gibt bisher keine Untersuchungen dazu. Im Gegenteil: Die Mörder laufen frei unter uns herum und wir, die Bedrohten, müssen uns verstecken. Wir können der Polizei sagen, wer die Mörder sind, und wir tun das auch. Aber dann warnt sie die Killer vor einer bevorstehenden Verhaftung. Polizeibeamte bekommen für so etwas Geld und sind insofern beteiligt.

Es gibt auch Leute, die von außerhalb kommen, Waffen erhalten und uns bedrohen, weil sie für den Schutz der Minen verantwortlich sind. Auch ein pensionierter General ist mit involviert. Als er noch im Dienst war, haben er und seine Soldaten uns Einwohner bedroht und einen Teil unseres Landes besetzt. Er hindert uns daran, in den Wald zu gehen und Brennholz zu sammeln, das wir dringend brauchen. Wir können ihn nicht mit Worten überzeugen. Er terrorisiert die Bevölkerung und läuft straffrei herum – ohne irgendwelche Konsequenzen.“

Welche Rolle spielen die Goldminen für Ihr Volk?

Alejandrina Cabrera: „Es wird seit langem und an vielen Wasserstellen Gold gewonnen. Auch wir Indigenen haben das traditionell gemacht. Wir haben also nichts grundsätzlich dagegen. Aber wir kritisieren den massiven Eingriff, weil wir von unserem Land nicht mehr leben können. Die jetzigen Minenbetreiber kommen aus dem Ausland und sind internationale Unternehmen. Die Regierung unterstützt sie, vergibt Lizenzen an sie und hält sich nicht an die eigenen Gesetze.

Sogar nach unserem Hungerstreik hat die Regierung fünfundsechzig zusätzlichen Minenunternehmen das Goldschürfen gestattet. Wir wurden vorher weder befragt noch darüber informiert. Wir haben zwar protestiert, aber noch keine Antwort bekommen.“

Profitieren Sie auch vom Abbau der Bodenschätze?

Alejandrina Cabrera: „Wir als Indigene haben gar keine Vorteile davon. Wir leben in absoluter Armut ohne richtige Unterkünfte. Auch für unsere Kinder gibt es keine Perspektiven, nicht einmal ein Bildungszentrum und auch keinen Gesundheitsposten. Und wir haben nicht genug zu essen.

Aber wir leiden an den schädlichen Auswirkungen des offenen Tagebaus. Die Luft ist stark verschmutzt und durch das kontaminierte Wasser sind schon viele Menschen gestorben. Die Minen verbrauchen viel Wasser, das wir insbesondere in Dürreperioden dringend benötigen. In diesem Jahr haben wir beispielsweise eine schlechte Bohnen- und Maisernte, weil es zu trocken war und nun können wir nicht bewässern.

Wenn wir, also mein Stamm der Tolupan mit 950 Menschen, selbst Gold schürfen, verschmutzen wir nichts – weder Wasser noch Luft. Wir möchten ein besseres Leben haben als das, was wir jetzt führen müssen. Doch leider sind auch Mitglieder unseres Verwaltungsrates beteiligt an den Geschäften der Unternehmen mit Bodenschätzen – vor allem mit Holz. Unsere eigene Vertretung ist also auch korrupt, denn der Profit durch den Holzhandel ist einfach verlockend groß.“

Was fordern Sie?

Alejandrina Cabrera: „Für uns ist es sehr wichtig, dass eine Schutzkommission eingerichtet wird. Wir wollen auch Polizeiposten in den Dörfern, die durch diese Kommission kontrolliert werden. Sie sollen gemeinsam die Sicherheitslage analysieren und über entsprechende Schutzmaßnahmen entscheiden – also ein partizipativer Prozess.

Die „Bewegung für Würde und Gerechtigkeit“ unterstützt uns, damit wir nicht von unserem Land vertrieben werden und unsere Rechte gewahrt bleiben. Aber die Lage ist auch für nicht indigene Menschenrechtsverteidiger sehr gefährlich. Zusammen fordern wir darum auch die Einrichtung einer international besetzten „Kommission gegen die Straflosigkeit“. Wir vertrauen in so eine Einrichtung, weil sie in Guatemala erfolgreich in Sachen Morde, Bedrohung und Korruption ermittelt hat. Bei uns gibt es so etwas noch nicht, darum können die Verantwortlichen machen was sie wollen und müssen nicht dafür büßen. Es ist wichtig, dass die Wahrheit ans Licht kommt, auch wenn es beispielsweise wie in Guatemala den Präsidenten betrifft, der wegen Korruption aufgeflogen ist.“

Was erwarten Sie sich von Ihrer Reise nach Deutschland?

Alejandrina Cabrera: „Wir haben mit Vertretern der honduranischen Botschaft in Berlin gesprochen und berichtet, dass 38 Personen aus unserem Dorf Polizeischutz erhalten sollten, aber nichts passiert ist. Wir hoffen, nun auf diese Weise Gehör zu finden. Ich habe auch erklärt, wie die Korruption in Verwaltungs- und Regierungsapparat abläuft. Ein Beispiel: Das Förderprogramm „Bonus 10.000“ für alleinerziehende Mütter wird alle zwei Monate ausgezahlt und steht allen armen Familien zu. In der Realität wird es denjenigen verwehrt, die sich politisch engagieren wie beispielsweise mir und meinen fünf Kindern. Obwohl ich nichts verdiene, bekomme ich nur alle sechs bis sieben Monate eine Unterstützung.

Wir hoffen, dass die deutsche Regierung mit der honduranischen Regierung über die Situation der Menschenrechte spricht, über die kriminelle Einschüchterung durch Morddrohungen und über die Situation der Armen. Ich hoffe auch, dass die deutsche Regierung auf die Einhaltung der Rechte drängt, auch der rechte unseres Stammes der Tolupan. Natürlich kennt die honduranische Regierung die ganze Situation vor Ort. Das Dilemma ist, dass es dem Präsidenten gut geht und ihn die Probleme unseres Volkes nicht interessieren.

Und letztendlich erhoffen wir uns, dass die honduranischen Regierung Stellung bezieht und Maßnahmen ergreift, um die Situation grundlegend zu verbessern.“


Informationen zur Person…

Alejandrina Cabrera gehört zu einem Netzwerk von Menschenrechtsverteidigern, das bei dem Universal Periodic Review vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf vorsprechen konnte. Im September war die follow up Sitzung vor dem UN-Menschenrechtsrat und die honduranische Regierung hat bestimmte Kritikpunkte anerkannt und im Juni 2015 ein Gesetz zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern erlassen. Doch das Gesetz weist Lücken auf und ist noch lange nicht umgesetzt.

Einige MISEREOR-Projektpartner sind Mitglieder des Netzwerkes von Menschenrechtsverteidigern in Honduras. Ein MISEREOR-Berater hat sie unterstützt und einen wichtigen Austausch mit Partnern in Kolumbien organisiert. Auch die Lobbyreise nach Berlin wurde von MISEREOR mit getragen. Dort besuchte die Delegationsgruppe das Auswärtige Amt, sie führte Gespräche mit Parlamentariern vor dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und mit der deutsch-mittelamerikanischen Parlamentariergruppe.

Im Zentrum stand die Kritik, dass sich die Situation in Honduras nicht gebessert bzw. verschlechtert hat. 90% aller Krimineller Akte und Verbrechen bleiben ungestraft. Es ist das gefährlichste Land für Verteidiger von Landrechten und Umweltaktivisten. Mehr als 5000 Bauern werden kriminalisiert, darunter 815 Frauen. Im Jahr 2014 wurden im Durchschnitt zwei Menschen in der Woche ermordet. Viele Aktivisten sind weiterhin massiv gefährdet und müssen sich verstecken –wie Alejandrina Cabrera. Die Menschenrechtsverletzungen, wozu auch Landnahme, die illegale Nutzung von Wäldern und Ausbeutung von Minen gehört, bleiben genauso straflos wie die Verbrechen, die von angeheuerten Profikillern durchgeführt werden.

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Eva Wagner war Mitarbeiterin im Berliner Büro von Misereor.

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