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Besser Essen: Deutschlands erster Ernährungsrat

„Küchen werden in Deutschland zum Statussymbol“ titelt 2015 eine deutsche Tageszeitung. Zeit zum Kochen verbringen wir darin aber immer weniger. Nur noch 5 ½ Stunden stehen die Deutschen wöchentlich, und damit weniger als die Amerikaner und nur wenig mehr als die Brasilianer, in der Küche – Kaffee und Frühstücksbrot inklusive*. Rund 1/3 unserer Ernährung decken wir von unterwegs ab, unser Wissen um Lebensmittel, ihre Herkunft und Rezepte geht dadurch immer weiter verloren. Gegen die „Entfremdung“ von Lebensmittel und Verbraucher will sich nun der Ernährungsrat Köln einsetzen – Und ist damit der erste seiner Art in Deutschland.

Was Kanada und Großbritannien schon länger vormachen, soll jetzt in Deutschland Nachahmer finden: Ein Ernährungsrat für Köln bringt ein 30-köpfiges Gremium aus Landwirten, Köchen, Händlern, Gärtnern, Wissenschaftlern, Politikern und Lehrern an einen Tisch, um gemeinsam mit der Stadt ein Konzept für eine regionale, gerechte und vor allem nachhaltige Versorgung mit Lebensmitteln für die Region zu entwickeln. „Es geht nicht darum, eine Stadt wie Köln komplett regional zu versorgen“, erklärt Valentin Thurn, Filmemacher und Gründer des Vereins Taste of Heimat, der die Initiative ins Leben gerufen hat. „Es geht darum, dass möglichst viele Städter wieder einen Bezug zu ihrem Essen, zu dessen Wert und zur Herkunft ihrer Lebensmittel bekommen.“

Vom Hof an die Haustür – Regionale Lebensmittel „online“

Der Ernährungsrat will zum einen die Verbindungen zwischen Landwirten und Konsumenten stärken. Unter anderem, indem Vermarktungswege und Verkaufsräume für regionale Lebensmittel ausgebaut und neu gedacht werden. „Wenn ich auf dem Feld stehe und Heu mache, habe ich keine Zeit, meine Waren auf dem Markt anzubieten“, erklärt Peter Schmidt, Schaf- und Rinderzüchter auf dem Klosterhof Bünghausen in Gummersbach und Vertreter im Rats-Ausschuss „Regionale Direktvermarktung“. Konzepte wie Online-Kaufplattformen oder sogenannte „Food-Coops“, also Lebensmittelgenossenschaften, sind mögliche Wege für Schmidt und seine Kollegen, ihre Produkte leichter zum Verbraucher zu bringen. Auch für Gastronomen soll die Belieferung mit regionalen Lebensmittel in Zukunft einfacher und damit auch attraktiver werden. Geschütze Grünflächen mit öffentlichen Gemeinschaftsgärten inmitten der Stadt, Fortbildungen zum privaten Gemüseanbau im eigenen Hinterhof oder „Gemüseakademien“ für Schulklassen – die Mitglieder haben schon jetzt viele Ideen für Köln gesammelt. Weitere Städte in NRW und Deutschland haben bereits Interesse bekundet, dem Kölner Vorbild zu folgen.

Der Kölner Ernährungsrat will sich dafür einsetzen, dass sich mehr Menschen regional und damit auch nachhaltig ernähren. © Monika Ewa Kluz

Der Kölner Ernährungsrat will sich dafür einsetzen, dass sich mehr Menschen regional und damit auch nachhaltig ernähren. © Monika Ewa Kluz

Für MISEREOR wird Florian Sander im Ernährungsrat sitzen. „Die Frage ‚Wie wollen wir leben?‘ ist für uns zentral; das bezieht sich vor allem auf den Beitrag, den wir hier in Deutschland zu einem gerechten Miteinander weltweit leisten können. Kaufen wir nur noch in Massen produzierte und damit meist auch billige Lebensmittel, tragen wir zum Beispiel zum Preisdruck auf Bauern weltweit bei. Die können mit den großen Konzernen, die günstig produzieren und die Weltmärkte mit ihren Produkten beliefern, nicht mehr mithalten. Ob in Europa, Afrika, Asien oder Lateinamerika.“ So würden nicht nur immer mehr Familienbetriebe verdrängt, sondern auch die Vielfalt von unseren Tellern. Deutlich werde das  in Indien, wo lokale Milchproduzenten zunehmend vom Markt verschwinden, „und das, obwohl Milchviehhalterfamilien fast 90 Prozent des indischen Marktes schon mit ihrer Milch versorgen“, so Sander.

Kleine Milchproduzenten versorgen in Indien rund 90 Prozent des Milchmarktes. © MISEREOR

Kleine Milchproduzenten versorgen in Indien rund 90 Prozent des Milchmarktes, doch sie werden von Großkonzernen zunehmend verdrängt. © MISEREOR

Die Versorgung mit regionalem Essen soll messbar steigen

Drei weitere Ausschüsse beschäftigen sich in Zukunft mit den Themen „Veranstaltungen“, „Ernährungsbildung und Schulverpflegung“ sowie der „Zukunft der Lebensmittelproduktion in der Stadt“. Viermal im Jahr kommen die Ausschüsse dann zusammen – entstehen sollen in Zusammenarbeit mit der Stadt Köln verbindliche und vor allem messbare Ziele, wie zum Beispiel auch die Zahl regional belieferter Großküchen und Schul- und Gemeinschaftsgärten vergrößert werden kann.

*Quelle: GfK-Umfrage, 2015, in 22 Ländern


Weitere Informationen

Blogbeitrag „Kein Junkfood mehr an indischen Schulen“

Beispielmappe: „Gute Ernährung kennt keine Grenzen – Zukunftsfähige Beispiele aus der ganzen Welt“

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Rebecca Struck hat als persönliche Referentin von MISEREOR-Chef Pirmin Spiegel gearbeitet.

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