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Philippinen: Symbol der Frustration

In Massen strömten die Menschen in den Philippinen am Montag zu den Urnen, um landesweit insgesamt 18.000 politische Ämter neu zu besetzen, vom Präsidentenamt bis zu lokalen Stadträten. Etwa 55 Millionen Filipinos waren landesweit wahlberechtigt. In Cebu City hatte man das Gefühl es ist Stadtfest: Brechend volle Straßen um die Wahllokale, Essensstände auf dem Bürgersteig, überall bunte Plakate. Die Stimmung war ausgelassen, aber auch gespannt. Viele Menschen nahmen es in Kauf stundenlang in der brütenden Sommerhitze zu warten. Man merkte, dass dieser Tag die Zukunft des Landes beeinflussen wird.

Vor den Wahllokalen bildeten sich lange Schlangen, die Wahlbeteiligung lag sehr hoch © Thomas Kuller/MISEREOR

Vor den Wahllokalen bildeten sich lange Schlangen, die Wahlbeteiligung lag sehr hoch © Thomas Kuller/MISEREOR

Die Frustration und der Wunsch nach Wandel in der Bevölkerung sind extrem groß. Seit dem Fall von Diktator Marcos im Jahr 1986 wurden die Philippinen auf lokaler und nationaler Ebene meistens von immer der gleichen Riege an einflussreichen Familien regiert, die von mächtigen Unternehmern unterstützt werden. Die sechs Prozent Wirtschaftswachstum pro Jahr unter der letzten Regierung Aquino kamen vor allem ihnen zugute, nur wenig sickerte zu den ärmeren Filipinos herunter. Die Schere zwischen Arm und Reich reicht so weit auseinander, wie in kaum einem anderen Land Südostasiens. Jeder vierte Filipino lebt unter der Armutsgrenze, Millionen gehen staatlich gefördert ins Ausland, um angemessen bezahlte Beschäftigung zu finden. Daran hat sich in den letzten Jahren trotz vieler politischer Versprechen wenig geändert.

Kampf gegen Kriminalität, Korruption und die politische Elite angekündigt

Vor diesem Hintergrund fand der Wahlkampfslogan „Change is coming“ von Rodrigo Duterte eine große Resonanz. Der umstrittene Bürgermeister von Davao war im Wahlkampf vor allem mit ausfallender Rhetorik und Hetze gegen Kriminelle aufgefallen. Seine Kampagne fokussiert sich auf Bekämpfung von Kriminalität, Drogenmissbrauch und Bestechung. Ankündigungen außergerichtlicher Tötungen von Kriminellen, wie während seiner Amtszeit und mit seiner Billigung als Bürgermeister in Davao bereits geschehen, haben vor dem Hintergrund der autoritären Vergangenheit des Landes einen besorgniserregenden Beigeschmack und sorgten bei vielen Menschen für Sorgenfalten. Sie hielten über 15 Millionen Filipinos jedoch nicht davon ab, Duterte zu wählen, der damit einen deutlichen Sieg einfuhr: Seine ärgsten Konkurrenten kamen lediglich auf rund 9,3 (Mar Roxas) bzw. 8,7 (Grace Poe) Millionen Wählerstimmen. Die Wahlbeteiligung war mit 81 Prozent sehr hoch.

Gespaltenes Land

„Duterte ist zu einem Symbol der Frustration, vielleicht sogar der Verzweiflung derer geworden, die ihre Hoffnung und Vertrauen in die Hände der Elite des Landes gelegt haben“, kommentierte der politische Analyst Ramon Casiple gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Obwohl auch Duterte aus einer lokal einflussreichen Politikerfamilie entstammt, inszenierte sich der 71jährige als Anti-Establishment-Kandidat, der mit Korruption und Vetternwirtschaft aufräumen wird: „Korrupte Beamte sollten zurücktreten oder sterben“, sagte er noch am Wahltag. Sein Wahlkampfsymbol, eine geballte Faust, richtete sich demnach sowohl an Kriminelle, als auch an die Oligarchen des Landes. Die Panik in der Elite war entsprechend groß. Der Wahlkampf wurde immer schmutziger und die politische Konkurrenz schürte Ängste vor einem autoritären Präsidenten Duterte. Für viele zivilgesellschaftliche Organisationen und Menschenrechtsverteidiger sind diese Ängste aufgrund des Verhaltens von Duterte in seinen früheren Positionen allerdings sehr real.

Es bleibt abzuwarten, wie sehr Duterte tatsächlich die Auseinandersetzung mit der politischen Elite des Landes suchen wird. Laut einem Bericht der Ratingagentur S&P Global vom Montag könne die Duterte-Präsidentschaft in diesem Fall große Unsicherheit auf den Märkten hervorrufen. Zudem umgibt sich auch Duterte mit einflussreichen Unternehmern, die seinen Wahlkampf unterstützten. Kurz nach der Wahl setzten alle Kandidaten zunächst auf Versöhnung und die Einheit des Landes. „Allen meinen Kontrahenten strecke ich die Hand aus, es ist Zeit für Heilung“, sagte Duterte am Dienstag.

Dutertes Wahlkampfslogan „Change is coming“ und die geballte Faust als Symbol kamen bei vielen Wählerinnen und Wählern gut an © Thomas Kuller/MISEREOR

Dutertes Wahlkampfslogan „Change is coming“ und die geballte Faust als Symbol kamen bei vielen Wählerinnen und Wählern gut an © Thomas Kuller/MISEREOR

Was also ist von der neuen Regierung zu erwarten? Während des Wahlkampfes zählten in allen Kampagnen die Inhalte weniger als die Person. Auch Duterte beließ es oft bei vagen Absichtserklärungen. Es ist unklar, wie er konkret gegen die weit verbreitete Armut im Land vorzugehen gedenkt – abgesehen von der Bekämpfung von Kriminalität, die er für einen Schlüsselfaktor bei der Entstehung von Armut hält und nicht als deren Folge. Viele Analysten befürchten dadurch einen Anstieg an Menschenrechtsverletzungen.

Hoffnung auf Fortführung des Friedensprozesses

Gleichzeitig werden an Dutertes Präsidentschaft Hoffnungen auf eine Fortführung des Friedensprozesses mit der muslimischen Rebellengruppe MILF (Moro-Islamic Liberation Front), aber auch mit der kommunistischen Front aus CPP (Communist Party of the Philippines), NPA (New People’s Army) und NDF (National Democratic Front) geknüpft. Als erster Präsident aus Mindanao wird ihm von einige Beobachtern ein besseres Verständnis der Konfliktursachen und eine größere Offenheit für die Interessen der Menschen im Visayas-sprachigen Süden des Landes zugesprochen. Zudem unterhält er gute Beziehungen zu Führungskräften der CCP/NPA/NDF. Vor der Wahl kündigte er Gesprächsbereitschaft gegenüber verschiedenen Konfliktparteien an. Zudem gab er Pläne einer Föderalisierung des Landes bekannt, die er allerdings nicht näher ausführte.

Nach einem emotionalen Wahlkampf, der das Land gespalten hat, ist die Stimmung zurzeit von einem gespannten Abwarten geprägt. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob es Duterte gelingen wird, das gespaltene Land zu einen und die hohen Erwartungen zu erfüllen, die seine Anhänger an seine Präsidentschaft stellen, oder ob sich die Befürchtungen seiner Kritiker bewahrheiten. Interessant wird dabei auch die Rolle der neuen Vizepräsidentin Leni Robredo sein. Die Wunschkandidatin der scheidenden Aquino-Administration konnte sich nur sehr knapp gegen Ferdinand „Bongbong“ Marcos Jr., den Sohn des ehemaligen Diktators, durchsetzen. Es gibt die Hoffnung, dass Leni Robredo die Dialogbereitschaft und Aufrichtigkeit, welche auch das politische Wirken ihres verstorbenen Ehemanns Jesse Robredo ausgezeichnet hat, als Korrektiv für Dutertes Impulsivität und seinen laxen Umgang mit Menschenrechten und demokratischen Werten in die neue Regierung einbringen kann.


Weitere Informationen…

Pressemitteilung des Aktionsbündnis Menschenrechte – Philippinen

 

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Thomas Kuller ist Fachreferent für Friedensförderung und Konflikttransformation bei MISEREOR.

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