Suche
Suche Menü

Südafrika: Willkommen in der Hölle

Ob beim Kohleabbau in Südafrika oder bei der Produktion von Bekleidung in Bangladesch: Immer wieder verletzen transnational tätige Konzerne Menschenrechte. Jetzt sollen die Firmen mehr Verantwortung für ihre Produktions- und Beschaffungsketten übernehmen, das sehen Leitprinzipien der UNO vor. In Deutschland werden diese gerade konkretisiert: mit einem nationalen Aktionsplan. Beteiligte NGOs plädieren für Verbindlichkeit, dagegen sträuben sich Unternehmensverbände.

Unemployed Maria Petla (63) has TB and survives doing odd jobs if she lucky to have one. She lives with her one kid at the MNS settlement in Emalahleni, Witbank. 13/11/15 Photo: Oupa Nkosi

Die arbeitslose Maria Petla (63) ist an Tuberkulose erkrankt. Sie ist froh über jeden Job, den sie ergattern kann.  © Oupa Nkosi/MISEREOR

„Willkommen in der Hölle“, so begrüßten lokale NGO-Vertreter MISEREOR-Mitarbeiter Armin Paasch in der Provinz Mpumalanga. Im Zentrum des südafrikanischen Kohlebergbaus roch er den Schwefel und sah die schwarzen Rußpartikel und die von Grubenwasser weiß geätzte Erde, allesamt untrügliche Zeichen der gravierenden Folgen des Kohlebergbaus für Mensch und Natur in der Region. Ähnlich schmutzig könnte es bald auch in der Region Limpopo aussehen, wo ein neues Kohlerevier entsteht und der südafrikanische Konzern Eskom gerade ein neues Kraftwerk baut. Menschen werden auch dort ohne angemessene Kompensationen umgesiedelt, Ackerflächen und Wasser gehen verloren oder werden verseucht. Aktivisten kritisieren Verletzungen der Menschenrechte auf Gesundheit, Nahrung oder Wasser durch den Kohlebergbau in Südafrika schon seit Jahren, echte Verbesserungen gab es bislang nicht, obwohl das Land diverse Abkommen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt unterzeichnet hat.

Medupi Power Plant during sunset in Lephalale, Limpopo. 10/11/15 Photo: Oupa Nkosi

Das Medupi Kohlekraftwerk in Lephalale, Limpopo. © Oupa Nkosi/MISEREOR

Südafrika ist da beileibe kein Einzelfall. Viele Regierungen kommen ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung nicht nach, für die Einhaltung von Menschenrechten in der Wirtschaft Sorge zu tragen. Deswegen stellt sich die Frage: Welche Verantwortung tragen Akteure aus Wirtschaft und Politik anderer Länder für die Einhaltung von Menschenrechten, wenn sie in der Ferne Geschäfte tätigen oder unterstützen? Zum Beispiel sind am Bau der beiden Kraftwerke in Kusile (Mpumalanga) und Medupi (Limpopo) mindestens 19 Firmen aus Deutschland beteiligt, die staatliche KfW IPEX-Bank hat einen Teil der Anlage finanziert und der Bund hat den Bau mit zwei Exportgarantien unterstützt, womit der deutsche Steuerzahler Risiken trägt. Und die großen deutschen Stromkonzerne E.ON & Co importieren vom Kap der guten Hoffnung große Mengen Steinkohle.

Schon heute müssen Unternehmen Aktionäre und Öffentlichkeit über diverse Risiken wirtschaftlicher Art informieren. Laut den sogenannten UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sollen Firmen künftig auch menschenrechtliche Auswirkungen ihrer Tätigkeiten identifizieren, Schäden vorbeugen und eingetretene Schäden beheben. Das ist eine Konsequenz aus der gestiegenen Macht grenzüberschreitend tätiger Unternehmen, den großen Gewinnern der Globalisierung.

The second hand coal that is left by T and TN mining company for the resident of MNS settlement situated next to the mine to use as they please. 13/11/15 Photo: Oupa Nkosi

© Oupa Nkosi/MISEREOR

UNTERNEHMEN IN MENSCHENRECHTSVERSTÖSSE VERWICKELT

Unternehmen sind immer wieder in menschenrechtliche Konflikte verwickelt. Es ist die logische Konsequenz des heutigen Geschäftsmodells transnationaler Konzerne mit ihren global verästelten Beschaffungs- und Produktionsketten. Genaue Zahlen über das Ausmaß der Verstrickung von Unternehmen in Menschenrechtsverstöße gibt es nicht. Einen Hinweis liefert jedoch eine Studie der Universität Maastricht aus dem Jahr 2015. Forscher hatten 1800 öffentlich zugängliche Be-schwerden über Menschenrechtsverstöße ausgewertet. Unternehmen aus den USA führen die Liste mit 511 Beschwerden an, dann folgen Firmen aus Großbritannien, Kanada und China. Firmen aus Deutschland belegen mit 87 Beschwerden Platz fünf in diesem Negativranking. Am meisten Verstöße gab es demnach im Bergbau, gefolgt vom Einzelhandel.

Kaum eine Volkswirtschaft ist dermaßen in weltwirtschaftliche Zusammenhänge verwoben wie die deutsche. Rund 40 Prozent unserer gesamten Wirtschaftsleistung entstehen durch Exporte. Fast jeder zweite Job in Deutschland hängt direkt oder indirekt von Exporten ab. Angesichts dessen kommt der Bundesregierung eine ganz besondere Verantwortung bei der Umsetzung der sogenannten UN-Leitprinzipien für Menschenrechte zu. Sie wurden 2011 einstimmig vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verabschiedet und damit entstand erstmals ein globaler Rahmen für die Umsetzung der staatlichen Schutzpflichten und der unternehmerischen Verantwortung in Bezug auf Wirtschaft und Menschenrechte. Von einem „historischen Kompromiss“ sprach damals die internationale Handelskammer, eine der wichtigsten Lobbyorganisationen der Wirtschaft. Zivilgesellschaftliche Organisationen reagierten dagegen skeptisch, weil der Ansatz – anders als von ihnen gefordert – viele Lücken aufwies und völkerrechtlich für die Unternehmen unverbindlich ist. Jeder einzelne Staat ist aufgerufen, die Leitprinzipien in einem Nationalen Aktionsplan umzusetzen. Die Bundesregierung ließ sich damit Zeit, erst seit November 2014 diskutieren Vertreter von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaft und Zivilgesellschaft über die richtigen Maßnahmen. Es gab diverse Expertenanhörungen. Beschlossen werden soll der Plan möglichst noch vor der Sommerpause diesen Mai.

Polluted water stream entering the Brugspruit river in Emalahleni, Mpumalanga. 13/11/15 Photo: Oupa Nkosi

Druch verseuchtes Grubenwasser verätzte Erde © Oupa Nkosi/MISEREOR

VERBINDLICHE VORGABEN

Noch spielen die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen in der Praxis offensichtlich eine geringe Rolle, zumindest im Fall der beiden südafrikanischen Kohlekraftwerke in Kusile und Medupi. Keine einzige der beteiligten deutschen Firmen habe gegenüber MISEREOR „eine Mitverantwortung für mögliche menschenrechtliche Folgen anerkannt“, heißt es in einer MISEREOR-Studie. 14 von 19 Firmen beantworteten entsprechende Fragen nicht einmal, darunter Hitachi Power Europe, das in Kooperation mit Hitachi Power Africa und mehreren Unterauftragnehmern alle zwölf Kessel für die Kraftwerke lieferte und einbaute, oder der Baukonzern Bilfinger Berger. Siemens habe sich überhaupt als einziges befragtes Unternehmen konkreter zu der Frage menschenrechtlicher Risiken geäußert, bedauert Paasch, Mitautor der Studie und einer derjenigen Vertreter der Zivilgesellschaft, die an den Beratungen für den Nationalen Aktionsplan teilnehmen. Für ihn steht fest: Wirtschaftsverbände irrten sich, wenn sie annähmen, deutsche Unternehmen kümmerten sich immer freiwillig um ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflichten. Die Fälle der beiden Kraftwerke Kusile und Medupi bewiesen das genaue Gegenteil und damit auch die Notwendigkeit von verbindlichen Vorgaben durch den Gesetzgeber.

Transvaal and Delagu Bay mine (T&DB) is the underground mine that is no longer operational and its forever burning with the land that is collapsing. 13/11/15 Photo: Oupa Nkosi

© Oupa Nkosi/MISEREOR

Die Studienergebnisse sind Wasser auf die Mühlen der Befürworter gesetzlicher Sorgfaltspflichten für Unternehmen. Dafür plädieren energisch zivilgesellschaftliche Organisationen bei den Beratungen für den Nationalen Aktionsplan. Fünf NGOs, darunter Brot für die Welt, Amnesty International und Germanwatch, haben in die Beratungen sogar einen detaillierten Gesetzentwurf eingereicht, welcher größeren Unternehmen die Einhaltung der Sorgfaltspflichten und eine Risikoanalyse vorschreiben würde. Grobe Verstöße sollten zudem künftig geahndet werden.

Den Unternehmensverbänden gehen solche Ideen der Zivilgesellschaft in der Tat viel zu weit. Sie pochen darauf, dass die unternehmerischen Sorgfaltspflichten laut den Leitprinzipien freiwillig sind und wollen verhindern, dass durch die Hintertür bei der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans verbindliche Elemente eingeführt werden.

Über den Autor: Caspar Dohmen lebt in Köln und Berlin. Er arbeitet als Wirtschaftsjournalist, Kommentator und Kritiker vor allem an der Schnittstelle von sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, Deutschlandradio, SWR und WDR sowie als Buchautor (Let‘s Make Money, Good Bank, Otto Moralverbraucher).

Über den Fotografen: Oupa Nkosi lebt als Fotograf in Johannesburg. Er arbeitet für verschiedene Tageszeitungen in Südafrika. Er studierte Fotografie an der Market Photo Workshop in Johannesburg und der World Press Photo Foundation. Er stellte seine Arbeiten bereits im Kiyosato Museum of Photographic Arts aus und gewann 2010 den Bonani Africa Award.


 Mehr erfahren…

… über das Thema in unserem Dossier „Wenn nur die Kohle zählt“ unter www.misereor.de/kohle

Geschrieben von:

Avatar-Foto

Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.