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UN-Klimakonferenz COP22: Mit Flecken auf der „weißen Klimaweste“ in die Verhandlungen

Nachdem am vergangenen Freitag das Klimaabkommen von Paris in Kraft getreten ist, startet heute die 22. Weltklimakonferenz in Marrakesch, Marokko. Kaum jemand hat damit gerechnet, dass das Abkommen bereits ein Jahr später international anerkannte Realität ist – dies ist ein starkes Signal an die Klimakonferenz. Bei aller Euphorie sollten wir jedoch nicht vergessen: Jetzt kommt es auf die Umsetzung an! Das zeigt auch das Zanken innerhalb der deutschen Regierung bei den eigenen, nationalen Zielen.

Heute beginnt die COP22 in Marrakesch, Marokko. Kathrin Schroeder ist als MISEREOR-Expertin vor Ort.

Heute beginnt die COP22 in Marrakesch, Marokko. Kathrin Schroeder ist als MISEREOR-Expertin vor Ort.

Die ersten Schritte zur konkreten Umsetzung des Pariser Klimaabkommens stehen in den nächsten 14 Tagen in Marrakesch auf der Tagesordnung. Das Abkommen wirkt nur, wenn alle Vertragsstaaten auch verbindliche Ziele und Programme beschließen, um ihre CO2-Emissionen zu reduzieren, sich an den Klimawandel anzupassen und – dies gilt vor allem für die Industrieländer – verlässlich Gelder bereit stellen, um ärmere Länder auf dem Weg in eine emissionsarme Zukunft zu unterstützen.

Doch worum geht es im Detail in Marrakesch?

Es wird darum gehen, genaue Regeln zu entwickeln, wie diese nationalen Beiträge an das Klimasekretariat in Bonn berichtet werden müssen und wie sie dann  – auch von der  Weltöffentlichkeit – untereinander verglichen werden können. Alle fünf Jahre soll dann Bilanz gezogen werden: reicht das, was die Länder sich selbst vorgenommen haben? Und wenn nicht, muss nachgebessert werden? Diese weltweite Bestandsaufnahme (engl.: „global stocktake“) ist ein zentrales Instrument, auf das zivilgesellschaftliche Organisationen wie MISEREOR hoffen. Bisher reichen die gemeldeten Ziele und Maßnahmen längst nicht aus, um das vereinbarte Limit der globalen Erwärmung von „höchstens 2°C, besser 1,5°C“ einzuhalten. Um sich dieser Vergleichbarkeit langsam anzunähern, gibt es bei der Konferenz COP22 in Marrakesch und dann noch einmal in zwei Jahren quasi einen Testlauf, den sogenannten „facilitated dialogue“ – ein moderiertes Gespräch über ambitionierten Klimaschutz.

Ein anderer zentraler Punkt in Marrakesch werden die sogenannten „Klimafinanzen“ sein: Im Pariser Abkommen wird von allen Vertragsstaaten bekräftigt, dass es mehr finanzielle Unterstützung im Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen geben muss. Ab 2020 sollen das jährlich 100 Billionen US-Dollar sein, also rund 100 Milliarden Euro. Aber noch ist völlig unklar, wie diese zusammen kommen, und das vor allem verlässlich, damit Entwicklungsländer ihre nationalen Klimabeiträge auf den versprochenen Summen aufbauen können. Hier braucht es deutlich mehr Planungssicherheit – und natürlich weiterhin Zusagen der Staaten, sich an den unterschiedlichen Finanzinstrumenten zu beteiligen. Zudem gibt es noch immer Klärungsbedarf, welche Finanzhilfen überhaupt als sogenannte „Klimafinanzen“ gelten sollen. Viele Nichtregierungsorganisationen fordern, dass nicht einfach bisher eingeplante Entwicklungshilfegelder als „Klimafinanzen“ deklariert werden – und damit nicht nur das einfließt, was die Länder weltweit ohnehin schon füreinander leisten. „Klimafinanzen“ müssen also neu und zusätzlich sein – so einfach das auch klingt, so schwer wird dies zu erreichen sein.


„Statt Besitzstandswahrung brauchen wir jetzt Mut und Kreativität, im Sinne globaler Klimagerechtigkeit auch hierzulande unsere Hausaufgaben zu machen und eindeutige Signale zu setzten.“
PIRMIN SPIEGEL, MISEREOR-Hauptgeschäftsführer


Pirmin Spiegel kritisiert im Interview den Syrieneinsatz der Bundeswehr © MISEREOR


Was macht Deutschland?

Deutschland reist dieses Jahr mit dicken dunklen Flecken auf der  sonst so weißen „Klimaweste“ nach Marrakesch, denn insbesondere die nationalen Planungen sind letzte Woche deutlich ins Stocken geraten. Der Klimaschutzplan 2050, eigentlich die Langfriststrategie der Bundesregierung, wie unsere CO2-Emissionen im nötigen Maß reduziert werden sollen, wurde erst total verwässert und dann völlig gestoppt. Im Moment ist daher völlig unklar, wie die angekündigt geplante Reduktion von Treibhausgasemissionen bis 2050 auf 80-95 Prozent überhaupt funktionieren soll. Unsere federführende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks wurde vor allem von Industrie- und Agrarlobbyisten unter Beschuss genommen; und dann auch noch von Ministern ihrer eigenen Regierung – den Ministern für Energie, Landwirtschaft und Verkehr – völlig im Stich gelassen.  Viele Menschen weltweit erwarteten und erwarten noch immer von Deutschland eine Vorreiterrolle. Sie wollen lernen, wie Deutschland als wirtschaftlich gut aufgestelltes Industrieland die Dekarbonisierung seiner Wirtschaft angeht. Im Moment ist davon weder zu spüren noch zu sehen  – stattdessen stehen Befürchtungen im Raum. Die Bundesregierung ist jetzt vor allem in Marrakesch gefordert.

Kathrin Schroeder wird in den kommenden 14 Tagen in Marrakesch beobachten, wie sich die Verhandlungen entwickeln und ob die deutsche Bundesregierung den eigens angefeuerten Erwartungen der Weltgemeinschaft im Klimaschutz dort gerecht wird.


Weitere Informationen

Broschüre „Kurswechsel 1,5°. Wege in eine klimagerechte Zukunft“ von MISEREOR, BUND und der Heinrich-Böll-Stiftung

Online-Dossier „Klimawandel“ mit Infos, Bilder und MISEREOR-Projekten

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Kathrin Schroeder leitet die Abteilung Politik und Globale Zukunftsfragen bei Misereor.

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