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Bougainville: Erfolgreiches Peacebuilding vor neuen Herausforderungen

Auf der Pazifik-Insel Bougainville läuft seit gut anderthalb Jahrzehnten ein relativ erfolgreicher Friedensprozess. Er folgte auf den längsten und blutigsten Gewaltkonflikt im Südpazifik nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Bekämpft hatten sich zehn Jahre lang die Streitkräfte der Zentralregierung Papua-Neuguineas (PNG) und eine sezessionistische Guerrillatruppe, die Bougainville Revolutionary Army (BRA), die die Abspaltung Bougainvilles von PNG und Unabhängigkeit für die Insel forderte. Ein Waffenstillstand seit April 1998 und ein Friedensabkommen im August 2001 beendeten den Krieg. Der nachfolgende Friedensprozess tritt gegenwärtig in eine entscheidende Phase ein: im Juni 2019 soll es ein Referendum über die Unabhängigkeit Bougainvilles geben. Erst mit seiner friedlichen Durchführung und der friedlichen Implementierung seines Ergebnisses wird Friedensbildung auf Bougainville abgeschlossen sein.

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Volker Böge (rechts) von der MISEREOR-Partnerorganisation PaCSIA in Bougainville ©Elisabeth Strohscheidt/MISEREOR

Ich bin auf den ‘Fall’ Bougainville Anfang der 1990er Jahre gestoßen, als ich an einem internationalen Forschungsprojekt zum Zusammenhang von Umweltzerstörung und Gewaltkonflikten beteiligt war. Denn wesentlicher Auslöser des Krieges war die Panguna-Mine, eine gigantische Kupfer- und Goldmine, in den 1970er/1980er Jahren die größte Mine der Welt. Betrieben wurde sie von Bougainville Copper Limited (BCL), einer Tochter des Bergbaumultis Rio Tinto. Das dort gewonnene Kupfererz wurde zum größten Teil in meine Heimatstadt Hamburg verschifft und dort von der Kupferhütte Norddeutsche Affinerie weiter verarbeitet. Die massiven Umweltzerstörungen und die sozialen Verwerfungen, die durch den Minenbetrieb verursacht wurden, führten Ende der 1980er Jahre zu Protesten der örtlichen Bevölkerung. Darauf reagierte die Zentralregierung PNGs mit dem Einsatz von Polizei und Militär. Das wiederum führte zur Bildung der BRA und zum Sezessionskrieg.

Ich besuchte Bougainville erstmals gleich nach dem Waffenstillstand 1998, und seither bin ich immer wieder zu Forschungsaufenthalten dorthin gereist und habe dort Kooperationspartner und Freunde gewonnen. Mich fasziniert der dortige Friedensprozess, weil er eine Reihe von Besonderheiten aufweist, die ihn zu einer Erfolgsgeschichte gemacht haben.

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Die zurzeit stillgelegte Panguna-Mine…

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…führte zu massiven Verwerfungen und Umweltzerstörungen ©Elisabeth Strohscheidt/MISEREOR

Zuallererst liegt Peacebuilding auf Bougainville in der Hand der lokalen Bevölkerung – der so oft strapazierte Begriff der ‘ownership’ hat hier tatsächlich konkrete Bedeutung. Peacebuilding, insbesondere im lokalen Rahmen, erfolgt gemäß indigenen traditionellen Normen und Verfahren, gestützt auf traditionale Autoritäten wie ‘chiefs’ und ‘elders’. Sie gründen Friedensbildung auf ‘kastom’, das heißt die lokale Kultur und die lokalen Bräuche. ‘Kastom’ legt das Gewicht auf Versöhnung und Wiederherstellung harmonischer Beziehungen zwischen ehemaligen Konfliktparteien. Der spirituellen Dimension von Friedensbildung kommt in diesem Zusammenhang große Bedeutung zu.

‘Kastom’ fand nicht nur lokal Anwendung, sondern auch im Kontext der politischen Prozesse auf regionaler und nationaler Ebene, bei Gesprächen und Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien. Zwar folgten diese auch gängigen westlich-liberalen Vorgaben, waren aber gleichzeitig durchzogen von lokalen traditionellen Verfahren. Und so kam es zu einer positiven Verbindung von ‘bottom-up’- und ‘top-down’- Ansätzen der Friedensbildung und zu einer positiven Verbindung von lokal-traditionalen und westlich-‘modernen’ Ansätzen. Das Ergebnis war eine sogenannte „hybride“ Friedensbildung und die Entwicklung hybrider Formen von Frieden und politischer Ordnung.

Die Kooperation von lokalen und internationalen Akteuren trug ebenfalls zum Erfolg der Friedenskonsolidierung bei. Auch wenn der Friedensprozess lokal getragen und kontrolliert wurde, war internationale Unterstützung doch hilfreich. In der ersten Phase des Friedensprozesses spielten eine kleine UN-Beobachtermission und eine regionale Peace Monitoring Group (PMG) wichtige Rollen. Die PMG setzte sich aus Militärs und Zivilisten, Männern und Frauen, aus Australien, Neuseeland, Fidschi und Vanuatu zusammen. Ihr markantestes Kennzeichen war, dass sie unbewaffnet war. Heute sind eine Reihe von UN-Organisationen, internationalen NGOs und bilateralen Gebern im Friedensprozess engagiert. Die lokal-internationale Interaktion führte ebenfalls zur Hybridisierung von Frieden(sbildung).

Ich war in den letzten zwei Jahren auf Bougainville im Rahmen eines von Misereor geförderten Projektes aktiv. Dieses ‘Panguna Dialogue Project’ (PDP) zielte auf die Stärkung der Konfliktregelungs- und Governance-Kapazitäten der Gemeinschaften im Minen-Gebiet ab. Die Panguna-Mine war in einer frühen Phase des Krieges von der BRA erobert worden und liegt seither still. Auch gegenwärtig wird sie immer noch von einer (ehemaligen) BRA-Fraktion, die sich dem Friedensprozess offiziell nicht angeschlossen hat, kontrolliert, der sogenannten Meekamui-Bewegung. Dem PDP gelang es, Frieden in der marginalisierten – und gleichzeitig für den gesamten Friedensprozess zentralen – Panguna-Region zu konsolidieren. Insbesondere gelang es, die Meekamui-Bewegung in Aktivitäten einzubeziehen und darüber auch näher an die Autonomieregierung Bougainvilles heranzuführen.

In den nächsten Jahren wird es darum gehen, die Gemeinschaften auf Bougainville bereit zu machen für das Referendum. Dazu sollen von Misereor geförderte ‘Referendum Dialogues’, die an PDP anschließen, einen Beitrag leisten. Misereor kann mithin dazu beitragen, dass Friedensbildung auf Bougainville tatsächlich als Erfolgsgeschichte endet.

Autor: Dr. Volker Boege ist Politikwissenschaftler und arbeitet für das von MISEREOR geförderte Peace & Conflict Studies Institute Australia (PaCSIA).

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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