Welches sind die Zukunftsperspektiven für Bäuerinnen und Bauern in Deutschland, Europa und Afrika? Und wie müsste eine Handelspolitik aussehen, die die Existenzen von Bäuerinnen und Bauern weltweit sichert? Darüber diskutierten beim Studientag zur 59. MISEREOR-Fastenaktion in Trier deutsche Landwirte, Vertreter aus Politik, von der Molkereigenossenschaft Arla sowie MISEREOR-Partner René Millogo aus Burkina Faso.
Milchbäuerinnen und Milchbauern stecken in der Klemme: Die Ausrichtung der EU-Agrarpolitik auf Produktionssteigerung und Export von Milch hat viele Erzeuger in Existenznot gebracht, etliche sogar zur Aufgabe gezwungen – Und das nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch in Westafrika. Die derzeit verhandelten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit Westafrika versprechen liberale Märkte und gleiche Handelsbedingungen für alle, doch insbesondere Milcherzeuger aus Westafrika, Kleinmolkereien und Organisationen wie MISEREOR befürchten, dass die Abkommen die Schieflage weiter zementieren, statt die Bauern zu entlasten.
René Millogo, nationaler Koordinator bei PASMEP (Initiative zur Unterstützung halbnomadischer Viehhalterfamilien in Burkina Faso): „Wir in Burkina Faso sind nicht nur Konsumenten. Wir sind auch Produzenten. 80 Prozent unserer Bevölkerung lebt von der Viehwirtschaft. Die Peulh-Frauen sorgen mit der Milch für Einkommen, unsere Milchwirtschaft hat enormes Potenzial. Im Gegensatz zu anderen afrikanischen Ländern schützt unser Land unsere Märkte aber nicht ausreichend. Es wird Trockenmilchpulver importiert, dass billiger ist als unsere eigene Milch. Wir sind nicht gegen gute Geschäfte und Wachstum, wenn es mit uns betrieben wird. Es geht darum, dass unser Potenzial erkannt und gefördert werden muss. Die derzeitige Situation der Viehhirten ist schlecht und droht immer schlechter zu werden. Es gibt schon viele Konflikte um Weideland und Wasser, dazu kommt die Bedrohung durch Boko Haram und andere bewaffnete Gruppen im Sahel. Die Verlierer sind die Peulh und die junge Generation.“
Norbert Neuser, Mitglied des Entwicklungsausschusses im Europäischen Parlament: „Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten haben bei der Neuausrichtung ihrer Agrarpolitik versucht, auf sozialökologische Aspekte zu achten, das ist nicht immer gelungen. Partnerschaftsabkommen wie die mit Afrika sind richtig und wichtig, aber wir müssen stärker diskutieren, wie sie fair für alle Seiten gestaltet werden können.“
Kasper Thormod Nielsen, Direktor globale Handelspolitik bei Arla Foods: „Die Milchpreiskrise hat auch viele unserer Bauern die Existenz gekostet. Unsere Vision ist es aber weiterhin, die Zukunft der Molkereienwirtschaft mitzugestalten. Dazu zählt für Arla auch Wachstum. Und Gewinn. Aus der Kritik an unserer Exportstrategie für Afrika haben wir jedoch gelernt: Das Ziel bei unseren Investitionen in Nigeria ist, gemeinsam mit der Bevölkerung, gemeinsam mit den Milchbäuerinnen und Milchbauern und mit der Regierung nachhaltiges Wachstum zu schaffen.Wir wollen lokale Milch sicher zu einem Festpreis abnehmen, in Nigeria verarbeiten und dort auf den Markt bringen. Ob das alles so klappt, müssen wir sehen. Funktioniert das Modell, könnte es expandieren.“
Klementine Bonifas, Landwirtin im Bund Deutscher Milchviehhalter: „Als Erzeuger haben wir keinen Einfluss auf die Geschäftsbedingungen der Genossenschaft, die wir Landwirte beliefern. Jedes Unternehmen schaut nur auf die Marge. In Burkina Faso habe ich viele Parallelen erkannt, unsere Probleme sind ähnlich. Vor allem die einer ruinösen Agrarpolitik. Landwirte sind verschuldet und sehen keinen Ausweg mehr. Prämien kommen längst nicht mehr in den Betrieben an, weil sie gepfändet werden. Wir alle sind motiviert, doch es bleibt nichts mehr übrig. Für gerechte Rahmenbedingungen für alle Milchbauern fordern wir Marktverantwortung, brauchen wir eine Deckelung der Mengen, die wir produzieren.“
Tobias Reichert, Germanwatch e.V.: „Das Verständnis der Politik ist noch immer, dass mehr Milch produziert werden muss – doch immer mehr Betriebe schrumpfen und geben auf. In vielen Ländern sind die Konsumgrenzen bereits erreicht. Kühe fressen kein heimisches Gras mehr, sondern importiertes Soja und Weizen. Dies ist alles andere als eine gute, gesunde und nachhaltige Wachstumsstrategie.“
Renée Millogo: „Wir wünschen uns, dass diese Versprechen nicht bloß auf dem Papier bestehen, sondern in der Praxis eingehalten werden. Ich lade Sie, Herr Nielsen, ein nach Burkina Faso. Überzeugen Sie sich von der Courage unserer Frauen, die die Mini-Molkereien betreiben. Es geht um nicht weniger als unsere Ernährungssouveränität.“
Weitere Informationen:
Ausstellung „Mensch Macht Milch“