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„Myanmar soll für alle eine ‚grüne Heimat‘ bleiben“

Für den Klimaschutz ist der Ausstieg aus Kohle und Öl keine Frage und erneuerbare Energie eine Antwort für klimafreundliche Energieversorgung. Wir stellen Partnerorganisationen aus unterschiedlichen Ländern vor, die sich gegen die Nutzung fossiler Energieträger und für kohlenstoffarme Entwicklung einsetzen.

Myanmar

Myanmar, eines der ärmsten Länder der Welt, ist bereits heute stark vom Klimawandel betroffen. Trotzdem setzen die Pläne der Politik hinsichtlich einer neuen Energie- und Umweltpolitik nicht durchgängig auf nachhaltige Systeme, sondern im Falle der Energiepolitik auf den Ausbau der Kohleenergie. Dr. Kyaw Thu, Direktor des Netzwerks „Paung Ku“, welches sich für die Stärkung und Vernetzung zivilgesellschaftlicher Organisationen in Myanmar einsetzt, erläutert im Interview die möglichen Auswirkungen auf die Bevölkerung sowie Alternativen und Forderungen an die Regierung.

Ralf Symann, MISEREOR-Dialog- und Verbindungsstellenleiter in Myanmar, im Gespräch mit Dr. Kyaw Thu, Direktor des Netzwerks „Paung Ku“ in Myanmar. © MISEREOR

Herr Dr. Kyaw Thu, während der 22. Weltklimakonferenz in Marrakesch im vergangenen Jahr haben mehr als 170 Nichtregierungsorganisationen aus Myanmar ein internationales Statement gegen Kohle unterschrieben. Kurz danach veröffentlichten 400 NGO die Stellungnahme gegen Kohle und Großstaudämme „Myanmar: Say no to coal and big dams“. Warum ist das so ein großes Thema in Myanmar?

Kyaw Thu: An vielen Orten in Myanmar spüren Menschen die negativen Auswirkungen von Großstaudämmen, Bergwerken und Kohlekraftwerken. Ein besonders negatives Beispiel ist das 120-MW Kohlekraftwerk in Tigyit, Shan State, im Osten Myanmars, das von China finanziert wurde. Durch den Kohleabbau in der Nähe wurden Boden und Wasser verschmutzt. Wir können negative Einflüsse auf die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner des Kraftwerks feststellen, wie Frühgeburten, Missbildungen oder Atemwegserkrankungen. Die Behörden und das Unternehmen reagieren einfach nicht auf Protest. Eigentlich hätte eine Abschätzung der Folgen für Umwelt und Gesellschaft erfolgen müssen, wie es in Myanmar gesetzlich vorgeschrieben ist. Aber die Behörden sagen, die Vorschrift gilt nicht für das Kraftwerk, das vor diesem Gesetz in Betrieb genommen wurde.

Wie sehen denn die Kohlepläne in Myanmar aus und was sind aus Ihrer Sicht die größten Probleme?

Unseren Informationen nach sind mindestens elf Kohlekraftwerke in verschiedenen Landesteilen geplant. Kohlekraftwerke werden meist in Gebieten geplant, in denen große Industriezonen entwickelt werden sollen. Aber es ist schwierig, genaue Ortsangaben zu machen, da die Regierung darüber nicht informiert. Im Dorf An Din im Mon-Staat, im Südosten des Landes, sollte ein Kohlekraftwerk in einem Gebiet mit besonders schöner Natur gebaut werden, das für den Tourismus sehr wichtig ist. Damit wäre langfristig die Chance für die Bevölkerung, sich mit dem Tourismus einen Wirtschaftszweig zu erschließen, zunichte gemacht worden. Die lokale Bevölkerung hat sehr stark dagegen protestiert und konnte somit den Bau des Kraftwerks verhindern.
Das Schlimme: in Myanmar gibt es so gut wie keine Beteiligung der Bevölkerung und außerdem ist Korruption in den Behörden sehr stark verbreitet. Für Großprojekte wie Kraftwerke oder Staudämme werden Menschen von ihrem Land vertrieben, ohne dass es dafür eine gesetzliche Grundlage gäbe. Kompensationen werden oft willkürlich, oder widersprüchlich erteilt, so dass dies zu Spaltung in den Gemeinden führt.

Hat Myanmar denn große Kohlevorräte? Oder woher soll die Kohle für die vielen geplanten Kraftwerke kommen?

© google maps

Myanmar hat zwar viel heimische Kohle und etliche Bergwerke, aber die Bestände sind meist Braunkohle mit einem schlechten Brennwert und hohem Schwefelanteil. Diese Kohle ist sehr schmutzig und wird normalerweise in modernen Kraftwerken nicht verwendet. Es gibt nur eine Kohlemine in Kalewa, Region Sagaing, aus der die benötigte Kohle hoher Qualität gewonnen werden kann, aber die Bestände reichen nur, um ein Kraftwerk zu versorgen. In Tigyit, unweit des Inle-Sees, wird Braunkohle aus der Umgebung mit Kohle aus China gemischt. Für alle neuen Kraftwerke müsste die Kohle importiert werden, beispielsweise aus Indonesien oder Australien.
Wir vermuten, dass unsere frühere Regierung falsch beraten wurde. Wir wissen beispielsweise von einem Staatsbesuch in Japan, bei dem damaligen Regierungsmitglieder die japanische Kohletechnik vorgeführt wurde. Der spätere von Japan unterstützte Masterplan Energie empfahl dem Energieministerium einen Ausbau der Kohlekraft von 30 Prozent bis 2030 und ist aus unserer Sicht klar interessengeleitet. Auch ging die alte Regierung davon aus, dass Strom aus Kohle schneller als Strom aus erneuerbaren Energien bereitgestellt werden kann, und dass Solartechnik zu teuer sei. Aber das stimmt einfach nicht mehr, denn besonders die Preise für Solartechnik sind in den letzten fünf Jahren stark gefallen. Auch wurde nie kommuniziert, wie viel Wasser für die Kohlekraftwerke gebraucht würde und welche Auswirkungen Transport und Lagerung der Kohle hätte.
Unsere neue Regierung, die NLD-Regierung, hat bisher die Energiepläne der alten Regierung nicht aktualisiert. Wir kritisieren besonders, dass in der Regierung offenbar Energiesouveränität und die starke Importabhängigkeit von Kohle nicht kritisch hinterfragt werden. 

Wie wehren sich denn Anwohnerinnen und Anwohner oder zivilgesellschaftliche Organisationen gegen Kohle?

An vielen Orten, an denen Kraftwerke geplant sind, gibt es Proteste, beispielsweise in Dawei (Region Tanintharyi), in der Irrawaddy-Region im Mon-Staat und in der Region von Yangon. Aber wir protestieren nicht nur, sondern entwickeln auch eigene Vorschläge. Vor vier Jahren gab es die Konferenz “In Search of Clean Energy” (Auf der Suche nach sauberer Energie), die von internationalen Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen unterstützt wurde. Danach gab es eine Serie von Demonstrationen, Debatten und Kampagnen. Das größte zivilgesellschaftliche Netzwerk Myanmars, die „Myanmar Alliance for Transparency and Accountability (MATA)“ spielt dabei eine führende Rolle und setzt sich für eine nachhaltige Energiepolitik ein. Vor einigen Monaten haben wir das „Green Energy Forum“ organisiert, um Betroffene von Großstaudämmen und Kohlekraftwerken zusammen zu bringen. Denn oft sind die Probleme der lokalen Bevölkerung bei großen Energieinfrastrukturprojekten ähnlich.

Was sind denn Ihre Alternativvorschläge und welche Forderungen richten Sie an die Regierung?

  • Einrichtung einer Kommission für den Klimawandel auf nationaler Ebene, in der Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel koordiniert werden;
  • Dezentrale eneuerbare Energielösungen müssen die erste Wahl sein, und der Anteil erneuerbarer Energie im Energieentwicklungsplan muss erhöht werden;
  • Landwirtschaftliche Betriebe müssen Unterstützung für die Anpassung an den Klimawandel erfahren

Angesichts der Tatsache, dass Myanmar zu den zehn am meisten vom Klimawandel bedrohten Ländern zählt, fordern wir, dass allerhöchste Priorität auf kohlenstoffarme Entwicklung und die Bewahrung biologischer Vielfalt gelegt wird. Wir wollen, dass die Zivilgesellschaft an der kohlenstoffarmen Entwicklung beteiligt und ihre Umsetzung unterstützt wird.
Wir als Zivilgesellschaft wollen daran mitwirken, dass zukünftige Generationen eine Zukunft haben und ihr Entwicklungsmodell selbst wählen können. Wir möchten, dass unser Land für alle dort lebenden Menschen eine „grüne Heimat“ bietet.

Das Interview führte Ralf Symann, MISEREOR-Dialog- und Verbindungsstellenleiter in Myanmar.


Politische Situation in Myanmar…

Seit den von der Militärdiktatur im Jahr 2010 abgehaltenen Wahlen hat sich Myanmar erheblich gewandelt und geöffnet. Nach weiteren fünf Jahren des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandels wurden 2015 erstmalig freie Wahlen abgehalten, aus denen die Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD), die Partei der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, als klare Siegerin hervorging. Die neue Regierung unter Staatsrätin Aung San Suu Kyi steht vor riesigen Aufgaben und muss das Staatswesen von Grund auf neu ordnen, was allerdings wegen des weiterhin mächtigen Militärs nur bedingt möglich ist. Auch wenn es einen Regierungswechsel gab, so ist damit also nicht automatisch auch ein Politikwechsel verbunden. Bezüglich einer neuen Energie- und Umweltpolitik werden in Myanmar derzeit Pläne gemacht, die – trotz der eigenen Betroffenheit durch den Klimawandel – nicht durchgängig auf nachhaltige Systeme setzen, sondern im Falle der Energiepolitik auf den Ausbau der Kohleenergie.

Widerstand gegen Kohle-Energie in Südafrika

Kohle-Bergbau in Kolumbien – zu welchem Preis?

 

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Ralf Symann leitet die MISEREOR-Dialog- und Verbindungsstelle in Myanmar.

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