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Steinkohle aus Kolumbien: Deutsche Energieversorger halten an umstrittenen Lieferanten fest

Interview mit Susanne Breuer, MISEREOR-Expertin für Energiefragen in Lateinamerika, anlässlich der Hauptversammlung des Energieversorgers EnBW über umstrittene Steinkohleimporte aus Kolumbien.

Susanne Breuer, MISEREOR-Expertin für Energiefragen in Lateinamerika. Foto: MISEREOR

Warum befasst sich MISEREOR mit dem Thema Kohleimporte bzw. -exporte?
Als Werk für Entwicklungszusammenarbeit sehen wir vor allem die fehlenden Entwicklungsimpulse für die Menschen in den Abbau-Regionen. Es ist eine ungeschriebene Regel, dass die vom Kohlebergbau betroffenen Regionen meist den niedrigsten Human Rights Development Index haben – es fehlen der Zugang zu Wasser, zu Abwasserentsorgung, zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung und zu Bildung. Auch die versprochenen Arbeitsplätze werden in der Regel nicht für die betroffenen Gemeinden geschaffen. Die Arbeitslosigkeit ist sowohl in Südafrika als auch in Kolumbien in diesen Regionen mit am höchsten im Landesdurchschnitt. Gleichzeitig gehen viele Arbeitsplätze in der Landwirtschaft zugunsten des Kohlebergbaus verloren. Und bei den notwendigen Umsiedlungen von Gemeinden sind die Konditionen bei weitem nicht dieselben wie vorher, abgesehen von der Zerstörung der sozialen und kulturellen Beziehungen im Rahmen des Umsiedlungsprozesses. So haben wir aus Kolumbien und Südafrika konkrete Kenntnisse über die Verletzung von Menschenrechten in den vom Kohlebergbau betroffenen Gemeinden.

Welche Rolle spielen hierbei deutsche Energieversorger wie RWE oder EnBW?
Auf der einen Seite kritisiert MISEREOR die fehlende Transparenz; bei RWE zum Beispiel hinsichtlich des Steinkohle-Bezugs. Wenn überhaupt, geben die Energieversorger Herkunftsländer und die jeweiligen Importmengen von Kohle an, aber nicht, von welchen Lieferanten und aus welchen Minen sie die Kohle beziehen. Diese Information wäre aber wichtig, um prüfen zu können, ob und in welchem Maße Menschenrechtsverletzungen im Umfeld der Steinkohleförderung begangen werden. Oft wird darauf verwiesen, dass die Kohle über Großhändler bezogen wird und daher kein Einfluss auf die Lieferanten genommen werden könne. MISEREOR hat jedoch bei der Recherche zur Studie „Wenn nur die Kohle zählt – Deutsche Mitverantwortung für Menschenrechtsrisiken im südafrikanischen Kohlesektor“  festgestellt, dass es sehr wohl möglich ist, über die Zollbehörden bei der Einfuhr die Herkunft der Kohle zu bestimmen. RWE verweist gerne auf seine Mitgliedschaft in der Bettercoal Initiative, über die Prüfungen durchgeführt werden. Über die Ergebnisse wird jedoch nur ganz allgemein informiert. Bisher wurde in noch keinem Fall „Handlungsbedarf“ gesehen – und das obwohl es deutliche Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen im Umfeld des Kohlebergbaus in Kolumbien gibt – u. a. in der Region César durch paramilitärische Gruppen. Auch wenn die genauen Zusammenhänge juristisch nicht nachgewiesen sind, müsste man diese Vorwürfe unabhängig prüfen lassen.

EnBW ist transparenter und hat eigene CSR-Standards entwickelt. Das Unternehmen gibt an, im engen Dialog mit den Zulieferern zu stehen und mögliche Menschen- oder Umweltrechtsverletzungen anzumahnen. Dennoch hat auch die EnBW nicht auf Hinweise bezüglich paramilitärischer Gewalt und der möglichen Verstrickung der Zulieferer Drummond und Prodeco  reagiert. EnBW sieht keinen Zusammenhang zwischen der sich seit 2016 zuspitzenden Gewalt gegen Gemeindevertreter in der Kohlebergbauregion César – die im September 2016 und im Januar 2017 in zwei Morden mündete – und dem Kohleabbau. Daher zieht EnBW auch keine Konsequenzen hinsichtlich seiner Lieferenten aus Kolumbien, ganz im Gegensatz zu anderen europäischen Energieversorgern wie Enel aus Italien oder Vattenfall in Deutschland.

Proteste im südafrikanischen Johannesburg gegen die fatalen Folgen der Kohleförderung. Foto: Oupa Nkosi

Was berichten MISEREOR-Partner über die derzeitige Situation in den Abbauregionen?
Gemeinsam mit dem Anwaltskollektiv CCAJAR  (Colectivo de Abogados José Alvear Restrepo) aus Kolumbien hat MISEREOR kürzlich in einer Pressemitteilung  auf die Verschärfung der Dürresituation durch den Kohlebergbau aufmerksam gemacht. Wir prangern darin die Unterernährung und den Hungertod von Kindern im kolumbianischen Departement La Guajira infolge von Wassermangel und Dürre an, der durch den Kohleabbau verschärft wurde. In der kolumbianischen Region César wurden im September 2016 und im Januar 2017 kohlekritische Gemeindevertreter umgebracht. Die Untersuchungen durch die Sicherheitsbehörden laufen nur schleppend. Dauerhaft sind neo-paramilitärische Gruppen in der Gemeinde El Hatillo präsent, diverse Gemeindevorstehe werden verfolgt. Erste Vertreter von Opfern, die sich für die Landrückgabe an Vertriebene einsetzen, haben ihre Posten aufgrund der Bedrohungslage aufgegeben .

Was verlangt MISEREOR von den deutschen Energieversorgern bzw. den Kohleproduzenten?
Der regionale Friedensprozess in Kolumbien ist durch die Präsenz der paramilitärischen Gruppen gefährdet! Umso wichtiger wären starke Signale von den Kohleproduzenten Drummond/Prodeco und von den europäischen Energieversorgern zur Unterstützung des Friedensprozesses und zum Schutz der vielen betroffenen Menschen. Der Versorger Enel hat es letzte Woche vorgemacht: die Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehungen mit den umstrittenen Zulieferern findet nur dann statt, wenn Drummond und Prodeco/Glencore ihre Menschenrechtsbilanz verbessern. Zuletzt ist es die Aufgabe der Bundesregierung, verbindliche Menschenrechtsvorgaben für Auslandsgeschäfte deutscher Unternehmen zu machen und eine Reform der deutschen Außenwirtschaftsförderung in Gang zu bringen. Letztlich – das betonen wir angesichts der nachweislichen Unvereinbarkeit mit den im Klimavertrag von Paris beschlossenen Klimazielen – sollten Projekte in den Bereichen Kohleabbau und -Kraftwerke und anderer fossiler Energien in der Förderung nicht mehr berücksichtigt werden.

Was können Stromkunden in Deutschland tun, worauf können Sie achten?
Sie können ihre Stromversorger anschreiben, Fragen zur Herkunft der Kohle stellen oder einfach den Stromanbieter wechseln…


Weitere Informationen

Umstrittene Kohleimporte: EnBW unter Zugzwang

Kohle-Bergbau in Kolumbien – zu welchem Preis? #breakfree2017

Positionspapier „Beyond Coal“ von MISEREOR, Tierra Digna und weiteren Organisationen

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Rebecca Struck hat als persönliche Referentin von MISEREOR-Chef Pirmin Spiegel gearbeitet.

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