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Sojaanbau in Paraguay: Entmenschlichung und Verarmung statt Fortschritt

Drei Tage waren wir in Paraguay. Ein Land, das immer wieder Spielball von Akteuren von außen ist. Die Spuren von einem verlorenen blutigen Krieg Ende des 19. Jahrhunderts sind nach wie vor greifbar. Heute kommt die Bedrohung nicht mehr durch fremde Soldaten, doch die Auswirkungen des Sojabooms erinnern an einen Krieg.

Von den Feldern werden Sojabohnen in die Silos multinationaler Aufkäufer wie Cargill und Bunge oder bis zu den privaten Frachthäfen verbracht, von wo die Bohnen nach Europa gebracht und zu Viehfutter verarbeitet werden. © Luis Vera/MISEREOR

„Es gibt eine Front, es gibt Opfer und Vertriebene, und das Ganze erscheint generalstabsmäßig geplant und unterstützt durch die paraguayische Regierung“, sagt Miguel Lovera, Koordinator der MISEREOR-Partnerorganisation Iniciativa Amatocodie in Asunción. Heute kommen die großen Investoren aus genau den Nachbarländern, gegen die Paraguay den Krieg damals verloren hat: aus Argentinien und Brasilien. Diese Investoren nehmen die Natur und vor allem die Campesinofamilien und die indigenen Völker geradezu in die Zange. Von Norden her wird die Rinderhaltung auf großen Agrarflächen immer weiter vorangebracht, von Osten her der Sojaanbau des Agrobusiness, von Süden der mechanisierte Reisanbau.

Die Kleinbauern und die indigenen Völker sind diesem Vordringen nahezu schutzlos ausgesetzt. Wie uns immer wieder mitgeteilt wird, ist die Justiz in Paraguay auf Seiten der Investoren, ganz im Sinne der Regierung, die das Agrobusiness in jeglicher Form unterstützt. Zum Glück aber gibt es Organisationen wie die Sozialpastoral der Diözese Coronel Oviedo oder Iniciativa Amatocodie. Diese stehen an der Seite der Campesinofamilien und Indigenen; sowohl was die Weiterentwicklung ihrer Anbaumethoden betrifft als auch bei der Frage, wie diese ihre Landtitel sichern können. Denn diese sind neben einer technischen Begleitung, bezahlbaren Kleinkrediten und der Garantie des Produktverkaufs auf lokalen Märkten von entscheidender  Bedeutung, um den Verbleib auf ihrem Land sicherzustellen. Vertreibungen kommen in Paraguay fast täglich vor. Auch an dem Tag unseres Besuches wurde wieder eine Gruppe Indigener vom ihrem Stück Land vertrieben, um das sie seit Jahren kämpften. Das alles bei strömenden Regen. Diese Menschen gehören dann zu den Vielen, die in die Städte migrieren, wo sie außer einer Misere nichts weiter erwartet. So wird ihnen nicht nur das Land genommen, sondern  auch die Würde, sich in der für sie kulturell angepassten Form selber zu ernähren. Stattdessen werden sie zu Bettlern oder noch schlimmer: nicht wenige rutschen in die Drogenkriminalität ab.

„Diese Entwicklung führt zu einer Entmenschlichung und diese Art von Fortschritt bedeutet Verarmung“, sagt uns der Bischof von Coronel Oviedo, Juan Gavilán aus Paraguay, und schaut mit Sorge auf die vielen Opfer dieses „Krieges“. Der Krieg um Land und um Territorien findet auch in seiner Diözese statt. Doch es gibt  Zeichen der Hoffnung. Da sind zum Beispiel die Indigenen, die sich zusammenschließen, um ihre Rechte einzufordern  – und diese oftmals auch durchsetzen können. Da gibt es die Campesinogemeinden, die gemeinsam eine Fischzucht aufgebaut haben, mit der sie nicht nur ihre eigene Ernährung ergänzen, sondern sich auch ein kleines Einkommen erwirtschaften. Das ist besonders für die vielen jungen Leute auf dem Land ein wichtiges Zeichen: ein würdiges Leben auf dem Land ist möglich.

Ein Beitrag von MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel und Malte Reshöft, Leiter der Lateinamerika-Abteilung von MISEREOR. Beide reisen noch bis einschließlich 13.10. durch Paraguay und Ecuador. Zu ihrem Programm gehören Treffen mit der Fachstelle der Paraguayischen Bischofskonferenz für indigene Fragen (CONAPI), mit vom Sojaanbau betroffenen Kleinbauernfamilien sowie der Forschungseinrichtung BASE IS, die zu Monsanto, Menschenrechtsverletzungen und Ressourcenkonflikten arbeitet. 


Weitere Informationen

Interview mit Kinderarzt Medardo Avila Vazquez über die Folgen des Pestizideinsatzes in Argentinien

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Pirmin Spiegel ist Hauptgeschäftsführer bei Misereor. Bevor er 2012 zu Misereor kam, war er 15 Jahre in Brasilien als Pfarrer tätig und bildete in verschiedenen Ländern Lateinamerikas Laienmissionare aus.

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