Schon bevor wir die Region der Rohingya-Flüchtlingscamps in Bangladesch erreichen, wird erkennbar, dass wir uns auf dem Weg dorthin befinden. Autos von Hilfsorganisationen, vollbepackte Lastwagen mit Lebensmitteln des Welternährungsprogramms und Plakate mit der Premierministerin als „Mutter der Menschlichkeit“ und „Pionierin für Frieden“ prägen das Straßenbild. Bald drängen sich immer mehr Fahrzeuge und Menschen zu Fuß auf der engen Straße.
Flüchtlingslager der Rohingya in Bangladesch, Foto: MISEREOR.
Zuerst taucht das „alte“ Flüchtlingslager der Rohingya auf, das schon seit 1992 existiert und in dem die Menschen nach wie vor unter unzumutbaren Zuständen hausen. Das lässt die Hoffnung, dass hier mittelfristig eine Verbesserung der Situation für die Flüchtlinge zu erzielen sei, kaum aufkommen. Eher sieht es danach aus, dass hier der größte Slum der Welt entstehen könnte.
Nahtlos gehen die Notunterkünfte aus Bambusgeflecht und schwarzen Plastikplanen in die neuen Camps über. Wir werden heute feststellen, dass sich die Lager kilometerweit über die Hügel ziehen – soweit das Auge reicht.
Mindestens 700.000 Menschen sind in den vergangenen Monaten hierher geflüchtet, nachdem sie in Myanmar verfolgt wurden. Aus Rücksicht auf die seelische Belastung der Menschen nach teils schlimmsten Erlebnissen werden wir nicht danach fragen. Wir konzentrieren uns auf die Lage nach ihrer Ankunft.
MISEREOR-Länderreferentin Christine Kögel im Gespräch mit geflüchteten Rohingya, Foto: MISEREOR.
In dem Abschnitt, in dem die Caritas Bangladesch, eine Partnerorganisation von MISEREOR, in den vergangenen Monaten an der Nahrungsmittelhilfe beteiligt war, treffen wir Hasina, eine Frau in den Fünfzigern. Zusammen mit ihren Kindern und Enkelkindern wohnt sie in einer notdürftig zusammengeschusterten Hütte, die eindeutig nicht genügend Platz für sechs Menschen bietet. Die Familie ist vor zwei Monaten hier eingetroffen und erhielt seither vierzehntägig Reis, Öl, Linsen, Zucker sowie ein paar Haushaltsartikel. Hasina macht vor allem der anstehende Winter Sorgen. Die Enkelkinder sind noch sehr klein und die Hütte bietet keinen ausreichenden Schutz gegen Kälte und Feuchtigkeit. Der Mangel an Arbeit und damit an verfügbarem Geld ist ein weiteres großes Problem, das die Familie in ihren Möglichkeiten einschränkt.
Uns stellt sich schließlich die Frage, ob es nicht besser wäre, die Menschen mit Geld anstatt Lebensmitteln etc. zu versorgen, so dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen könnten.
Eine andere junge Frau kommt zu uns, auf dem Arm ihr Baby, das behindert ist. Selim ist erst vor einer Woche im Lager angekommen und muss derzeit bei Verwandten Unterschlupf und Verpflegung finden, da sie noch nicht registriert ist und auch keinen Anspruch auf Nahrungsmittel hat.
MISEREOR-Länderreferentin Christine Kögel bei der Ausgabe von Hilfsgütern in einem Flüchtlingscamp, Foto: MISEREOR.
Auf die Frage, welchen Traum die Menschen hier im Lager haben, antwortet ein alter Mann, dass er lieber heute als morgen nach Myanmar zurückkehren würde. Doch solange es in Myanmar für die Rohingya nicht möglich sei in Frieden zu leben und ihnen keine Bürgerrechte zugestanden würden, käme eine Rückkehr nicht in Frage.
Das medizinische Personal einer der Gesundheitsstationen berichtet von diversen Krankheiten, unter denen die Menschen leiden. Besonders häufig seien Hautkrankheiten, Mangelernährung, Skorbut sowie Fieber und Husten bei Kindern.
Große Probleme bereitet auch die hygienische Situation. Abgesehen von der Tatsache, dass sich 16-20 Familien eine Latrine teilen müssen, die schnell ihre Kapazitäten erreicht hat, gibt es keine Rückzugsorte für Frauen und heranwachsende Mädchen, wo sie sich ungestört waschen könnten.
Viele Kinder springen umher, sie machen einen meist fröhlichen Eindruck. Aber man kann spüren, dass sie in dieser Situation sehr verletzlich sind – Gefahren wie Krankheiten, sexuelle Gewalt und Menschenhandel sind unter solchen Umständen groß.
Die nächste Phase der Hilfe durch Caritas Bangladesch, die MISEREOR unterstützen wird, sieht die Verbesserung der Unterkunft, des Zugangs zu sauberem Wasser, der Hygienebedingungen und der sanitären Anlagen vor. Dazu kommt der Schutz von Kindern, der auch Freizeitangebote für diese beinhalten wird.
Kinder an einem Trinkwasserbrunnen, Foto: MISEREOR.
Wir fahren zum Übergangspunkt zwischen Bangladesch und Myanmar. Dort sehen wir in der Ferne weitere Camps, in denen die Menschen auf den Abend warten, um über den Fluss ins Land einzureisen. Noch immer sind es über tausend Flüchtlinge pro Tag, die diesen Weg nehmen.
Auf der Rückfahrt kommen wir an einer langen Schlange von Flüchtlingen vorbei, die am Morgen über die grüne Grenze gekommen sind. Bepackt mit ihren wenigen Habseligkeiten folgen sie einem Mann des bangladeschischen Roten Halbmond. Sie haben es vorerst geschafft – ihre Zukunft jedoch ist alles andere als klar.
Über die Autorin: Christine Kögel arbeitet als Länderreferentin für Bangladesch bei MISEREOR.
Möglichkeit zum Spenden
MISEREOR unterstützt die Versorgung der aus Myanmar geflüchteten muslimischen Rohingya in den Flüchtlingscamps im angrenzenden Bangladesch.
Nein. Wird es nicht. Besser für höhere Dämme sammeln, bevor etwas passiert:
https://www.focus.de/politik/ausland/rohingya-droht-erneut-eine-todesfalle-100-000-fluechtlinge-befuerchten-zwangsumsiedlung-auf-einsame-insel_id_11152342.html
Warum hört man nichts von der Bundesregierung oder von der EU? Wollen die alle ertrinken lassen?