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Sieben Jahre Unabhängigkeit: Die Südsudanesen haben keinen Grund zum Feiern

Mit der Gründung des Südsudans waren viele Hoffnungen verbunden. Die Bilanz sieben Jahre nach der Unabhängigkeit des Staates ist katastrophal: Der Bürgerkrieg und die anhaltende Dürre bedrohen die Bevölkerung, über ein Drittel ist auf der Flucht. „Die Probleme im Südsudan sind keine Naturkatastrophe, sondern die Folge schlechter Regierungsführung“, sagt Uwe Bergmeier, MISEREOR-Verbindungsstellenleiter im Südsudan. Im Interview spricht er über die finanzielle Lage des Landes, mit dem Friedensabkommen verbundene Hoffnungen und das Klima um die geplanten Wahlen.

Sieben Jahre Unabhängigkeit: Die Südsudanesen haben keinen Grund zum Feiern. Foto: Bergmeier/MISEREOR

Am 9. Juli jährt sich zum 7. Mal die Unabhängigkeit vom Sudan und die Gründung des neuen Staates Südsudan. Ist das, trotz der aktuell katastrophalen Lage, für die Menschen noch ein Grund zum Feiern oder überwiegt das Entsetzen über die Entwicklung ihres Landes?

Uwe Bergmeier: Die offiziellen Feierlichkeiten der Regierung Salva Kiir wurden bereits am 24. Juni 2018 mit einer Resolution während der Kabinettssitzung abgesagt. Grund seien die ökonomischen Schwierigkeiten, in denen sich das Land befindet. Mit anderen Worten: Es gibt kein Geld für teure Paraden, Kundgebungen oder einfach nur Feste der Bevölkerung zu diesem Anlass. In der Tat, man kann sagen, der Staat und damit die verantwortliche Regierung ist de facto bankrott. Die derzeit nur auf ca. 1/3 der Kapazität laufende Ölförderung und der Export des Rohöls können nicht einmal die grundlegenden Kosten des Landes decken. Korruption, aber auch administrative und politische Unzulänglichkeiten spitzen die Versorgungslage dramatisch zu. Die Grundbedürfnisse der Menschen können nicht mehr befriedigt werden. Weder für diejenigen, die noch in ihren Heimatgebieten leben, noch für diejenigen, die bereits seit Monaten oder Jahren auf der Flucht sind und in Camps oder etwas sicheren Standorten bei Verwandten leben – einen Grund zum Feiern der Unabhängigkeit haben die Menschen in der Tat nicht.

Uwe Bergmeier, Leiter der MISEREOR-Verbindungsstelle im Südsudan, im Gespräch mit unseren Projektpartnern vor Ort. © privat

Uwe Bergmeier, Leiter der MISEREOR-Verbindungsstelle im Südsudan, im Gespräch mit unseren Projektpartnern vor Ort. © privat

Ist es unter diesen schwierigen Umständen überhaupt denkbar, dass im Südsudan dieses Jahr tatsächlich wie geplant Wahlen stattfinden werden? Welche Voraussetzungen müssten dafür geschaffen werden?

Uwe Bergmeier: Es ist nicht davon auszugehen, dass es in diesem und sicher auch noch nicht im nächsten Jahr zu Parlaments- und Präsidenten- und Lokalwahlen im Südsudan kommen wird. Das größte Problem ist die Finanzierung einer solchen Wahl. Die Regierung hat mehrfach das Argument des Geldmangels gegenüber der Öffentlichkeit benutzt, um die Verschiebung auf unbestimmte Zeit zu rechtfertigen. Geld für eine Wahl kann derzeit nur von der internationalen Gebergemeinschaft zur Verfügung gestellt werden, die sich jedoch bisher klar davon distanziert hat. Man werde nicht in eine Wahl investieren, wenn von Seiten der Regierung keine Reformschritte unternommen werden, wie etwa den Bürgerkrieg zu beenden, eine Reform des Staatsystems einzuleiten oder die Rückkehr von Flüchtlingen zu ermöglichen. Dazu kommt, dass die Kiir-Regierung in Juba wegen des anhaltenden Bürgerkrieges keine Kontrolle über weite Teile des Landes hat, somit eine Wahldurchführung in den von ‚Rebellen‘ kontrollierten Gebieten unmöglich ist.

Der derzeit laufende Friedensprozess hat während der letzten Zusammenkunft in Khartum einen ungefähren Zeitplan von 36 Monaten als Vorbereitungszeit für Wahlen aufgestellt. Ein Zeitrahmen, der nicht so unrealistisch ist, wenn man die diversen Problemlagen des Landes bewertet und den minimalen Reformfortschritte gegenüberstellt, die bisher angegangen werden. Eine neue Machtteilung im Sinne eines verhandelten sogenannten „Political Settlement“ wäre der dringlichere Fortschritt. Aber selbst dafür gibt es bisher kein konsensfähiges Format.

Präsident Salva Kiir und sein Widersacher, Rebellenführer Riek Machar haben eine Waffenruhe unterzeichnet. Was ist davon zu halten?

Uwe Bergmeier: Als am 27.06.2018 ein weiteres Friedensabkommen zwischen Präsident Kiir und dem einflussreichsten Rebellenführer und früheren Vizepräsidenten Machar in Khartum unterzeichnet wurde, kam kurzzeitig Hoffnung auf, dass dies weitreichende Entspannung in die komplizierte Konfliktlage des Südsudans bringen könnte. Vor allem die vereinbarte Waffenruhe binnen 72 Stunden schien ein guter Anfang zu sein. Die regionale Einbindung der neuen IGAD-Friedensinitiative (Intergovernmental Authority on Development) mit Äthiopien, Uganda, Sudan und Kenia ist vielversprechend und drückt eine neue regionale Verantwortung für die Konflikte in Südsudan aus.

Worum geht es konkret? Das Friedensabkommen von 2015 ließ eine Reihe von Fragen offen, die bisher nicht klar geregelt und umgesetzt sind. Dies sollte die Khartum-Vereinbarung neben dem unmittelbaren Waffenstillstand wieder voranbringen, also zum Beispiel stärkere föderale Strukturen schaffen, Infrastrukturentwicklung, Rehabilitierung der Ölförderung voranbringen. Aber auch ein Fahrplan zu Wahlen nach einer Übergangszeit von drei Jahren sowie die Überwachung des Waffenstillstands durch die Nachbarstaaten sind genannt.

An verschiedenen Standorten ist der Waffenstillstand aber bereits gebrochen oder gar nicht erst begonnen worden. Das Misstrauen gerade der zahlreichen Milizen, die überhaupt nicht bei den Friedensverhandlungen in Addis Abeba wie auch jetzt in Khartum zugelassen wurden, ist groß. Sie halten sich nicht an von außen kommende Vereinbarungen. Eine Bereitschaft von Präsident Kiirs Regierungsvertretern, Machar wieder einmal zum Vizepräsidenten zu machen, ist nicht gegeben. Wahlen, die neue Eliten des Landes in Führungspositionen bringen könnten, finden wie gesagt aus finanziellen wie politischen Gründen der Machterhaltung nicht statt. Keine guten Rahmenbedingungen für eine Waffenruhe.

Das Land ist aufgrund des Bürgerkrieges und von anhaltender Dürre von Hunger betroffen. Wie sieht die Situation im Südsudan konkret aus und wo gibt es die größten Probleme?

Uwe Bergmeier: Um die Probleme im Land wirksam anzugehen, muss die politische Destabilisierung, die durch Angriffe bewaffneter Milizen und Gegenschläge der Regierungstruppen erfolgt, beendet werden. Die dadurch ausgelöste Flucht von über einem Drittel der Bevölkerung ist eine Auswirkung davon, nicht die Ursache.

Ohne tiefgreifende politische Reformen und Verhandlungslösungen, etwa zur Entwaffnung der Milizen und Oppositionsgruppen wird eine Rückkehr von Flüchtlingen nicht gelingen. Entscheidend wird die nächste Phase der Verhandlungen ab dem 10. Juli 2018 in Nairobi sein. Wenn es dann nicht gelingt, zumindest einige der großen staatlichen Reformmaßnahmen, eine neue Machtaufteilung und notwendige Sicherheit für die Bevölkerung zu gewährleisten, ist das sich bereits abzeichnende Scheitern der Vereinbarungen von Khartum nicht abzuwenden.
Die Regenzeit steht an und wird das Thema Dürre zunächst etwas entschärfen. Weil viele Bauern geflüchtet sind und nicht ausgesät wurde, wird jedoch mittelfristig eine Nahrungsmittelversorgung nicht möglich sein. Zu viele Felder bleiben unbestellt. Hungerkatastrophen in den Staaten, vor allem in Jonglei, Unity sind prognostiziert oder bereits bittere Realität.

Die Probleme im Südsudan sind keine Naturkatastrophe, sondern die Folge schlechter Regierungsführung eines multi-ethnischen Staates, der von regionalen wie globalen Interessen ignoriert oder falsch unterstützt wurde.


Spendenprojekt im Südsudan

Der jahrzehntelange Bürgerkrieg hat im Südsudan Generationen von Analphabeten hinterlassen. MISEREOR hilft dabei, dass Grundschulen und Sekundarschulen wieder aktiv werden können und Kinder eine Schulbildung erhalten.

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Nina Brodbeck ist Referentin für Kommunikation bei Misereor.

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