Suche
Suche Menü

Klima-Bericht: Wir müssen jetzt handeln!

Der im Oktober erschienene Sonderbericht des Weltklimarates (IPCC) zeigt, dass die Menschheit jetzt alles daran setzen muss, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Er zeigt aber auch, dass wir alle gefragt sind, unsere Lebensweise an die extremen klimatischen Veränderungen anzupassen. Selbst eine um 1,5 Grad heißere Erde bedeutet unumkehrbare Veränderungen, unter deren Folgen besonders die Ärmsten der Welt schon jetzt leiden. Der Kampf gegen den Klimawandel ist in den Augen MISEREORs daher eng verknüpft mit dem Kampf gegen Armut und globale Ungleichheit.

Städte in Zeiten des Klimawandels

Brennglas für die massiven Umwälzungen, die der Klimawandel mit sich bringt, sind die Städte. Parallel zu einer Zeit, in der es uns gelingen muss, den Klimawandel zu begrenzen, findet die größte Urbanisierungswelle der Menschheitsgeschichte statt. Heute lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Bis zum Jahr 2050 sind es mehr als zwei Drittel. Die Zahl der Stadtbewohnerinnen und -bewohner ist dann höher als die aktuelle Weltbevölkerung. Städte heizen den Klimawandel an: Sie produzieren bis zu 70 Prozent der CO2-Emissionen. Städte und ihre Bevölkerung sind gleichzeitig in hohem Ausmaß von den klimatischen Veränderungen betroffen, beispielsweise durch extreme Hitze. Die sogenannten „urbanen Hitzeinseln“ entstehen durch dichte Bebauung, wenig Grünflächen und Abgase. In vielen Großstädten liegen die Temperaturen zwischen ein und drei Grad höher als in umliegenden Gebieten. Besonders dicht besiedelte Armensiedlungen sind für ihre Bewohner tödliche Hitzefallen: „Heat-Maps“ verdeutlichen, dass die heißesten Areale in Städten ihre Siedlungen sind. Verschärft wird das Problem durch ihren eingeschränkten Zugang zu Trinkwasser und gesundheitlicher Versorgung.

Zunehmende Überflutungen

Hinzu kommt: Mehr als 13 Prozent der globalen Stadtbevölkerung leben in Küstengebieten, die höchstens zehn Meter über dem Meeresspiegel liegen (die sogenannte „Low Elevation Coastal Zone“). Der durch den Klimawandel bedingte Anstieg des Meeresspiegels bedroht damit städtische Infrastruktur wie Wohnungen, Straßen, Schulen und Energiesysteme, die in Küstennähe liegen. Bei einer Erwärmung von 1,5 Grad werden 137 Millionen Menschen weltweit vom ansteigenden Meeresspiegel betroffen sein, bei 2 Grad rund 280 Millionen. In den Philippinen wird damit gerechnet, dass 13,4 Millionen Menschen direkt vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen sein könnten. Das Eindringen von Salzwasser in Grundwasser und Flüsse gefährdet schließlich die Trinkwasserversorgung und kontaminiert landwirtschaftliche Flächen. Schätzungen zufolge können der steigende Meeresspiegel und Überflutungen zu wirtschaftlichen Schäden von bis zu 1 Billionen US Dollar jährlich führen. Weitere Szenarien zeigen: Bei einer Erwärmung der Erde um 1,5 Grad steigt auch das Risiko von Überschwemmungen an Flüssen deutlich an. Auch hier sind städtische Arme massiv betroffen. Häufig sind sie gezwungen in Gebieten zu siedeln, in denen sie den Risiken des Klimawandels schutzlos ausgesetzt sind: Ob in Küstennähe, an Flussufern oder an Hängen, meist jedoch auf unbefestigtem Boden und in instabilen Behausungen. Heute leben weltweit etwa 850 Millionen Menschen in sogenannten „informellen Siedlungen“, also ohne Landrechte und unter prekären Lebensbedingungen.

Klimawandel-Anpassung: Blinder Fleck „städtische Arme“

Die Informellen-Siedlung „Estero de San Miguel Legarda“ in Manila. Foto: Kathrin Harms/MISEREOR

Doch gerade Städte bieten auch enormes Potenzial, den Klimawandel zu begrenzen, die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und Armut zu mindern. Viele Städte haben damit begonnen, sich vor den Folgen des Klimawandels zu schützen: Häufig sind die Wohnviertel der städtischen Armen direkt von diesen Maßnahmen betroffen. Notwendige Schutzmaßnahmen wie der Bau von Deichen, die Schaffung von Überlaufflächen und die Sicherung von Steilhängen führen oft zur vollständigen Zerstörung ihrer Siedlungen. Häufig werden die Betroffenen aufgrund ihres informellen Status jedoch ohne jede Kompensation umgesiedelt oder vertrieben und damit grundlegende Menschenrechte verletzt. Städte, die hingegen Mitsprache von informellen Siedlerinnen und Siedlern ermöglichen, stoßen auf innovative Lösungsansätze für sozial-gerechten Klimaschutz und Klimawandelanpassung. Während die internationale Staatengemeinschaft nur langsam voran kommt und den Rechten, Interessen und Bedürfnissen der Ärmsten keine Priorität einräumt, gehen Partnerorganisationen von MISEREOR weltweit voran. Sie verdeutlichen, wie sich Menschen sozial gerecht vor den Folgen des Klimawandels schützen und sie zur Begrenzung des Klimawandels beitragen.

Zwei Beispiele:

Tacloban auf den Philippinen: 5 Jahre nach Haiyan

Zerstörungen auf den Philippinen nach Taifun Haiyan (Philippinen: Yolanda). Foto: Hartmut Schwarzbach/MISEREOR

2013 verzeichnete die Stadt Tacloban landesweit die meisten Todesopfer durch die meterhohen Flutwellen von Taifun Hayian. Niemand erahnte damals die Höhe und Gewalt der Fluten, die Schiffe wie Papierfiguren in die Stadt spülten und die gesamte Küstenlinie für immer veränderten. Die Bilder, die weltweit mit Tacloban verbunden werden – Reste von Holz, Dachlatten und Wellblech, das sich vor malerischer Meereskulisse türmt – sind an der dicht besiedelten Küstenlinie entstanden. Dort, wo vor allem die arme Bevölkerung wohnt. Die Überlebenden dieser Gebiete haben ihre zerstörten Häuser mühselig und aus eigener Kraft wieder aufgebaut; aufgrund ihres „informellen“ Wohnstatus bekamen sie keine Unterstützung von staatlichen Stellen. Der MISEREOR-Partner Urba Poor Associates (UPA) stemmte das einzige Wiederaufbauprojekt nach Haiyan, das Menschen Wohnen innerhalb der Stadt ermöglicht. Statt der üblichen Wiederansiedlung weit außerhalb der Stadt, ohne Zugang zu Schulen, sauberem Trinkwasser, Strom oder Arbeitsplätzen, konnten die Menschen in die Nähe ihrer alten Siedlungen zurückkehren. Direkt nach der Katastrophe begannen UPA damit, den Wiederaufbau gemeinsam mit den Betroffenen zu planen. Mehr als 500 Familien profitieren von dem Projekt. Nun droht das neue „Tide Control Project“ der philippinischen Regierung – ein vier Meter hoher und 23 Kilometer langer Damm – rund 14.000 Haushalte und geschätzt 100.000 Menschen aus ihren Häusern zu vertreiben; vor allem informelle Siedler. Ohne Kompensation oder eine Lösung, wie und wo sie in Zukunft leben können.

Lima in Peru: Kampf um die grüne Lunge der Stadt

Die Bewohner Limas forsten ihr wertvolles Öko-System, die „Lomas“, nach und nach wieder auf. Foto: CIDAP

Nach offiziellen Zahlen wohnen in Lima rund 30 Prozent der Bevölkerung informell. Gleichzeitig sind bis zu 70 Prozent der Wohnungen ohne offizielle Baugenehmigung errichtet, häufig an den steilen Hängen der Hauptstadt in unmittelbarer Nähe zu den „Lomas“. Sie gelten als die grüne Lunge des Landes: Die Artenvielfalt ist dort besonders hoch und sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Luftreinhaltung und der Regulation des Stadtklimas. Doch die Lomas sind zum Großteil zerstört oder bedroht: Schuld sind Steinbrüche zur Produktion von Ziegelsteinen, chemische Industrie oder die intensive Zucht von Vieh und Geflügel. Hinzu kommt, dass fehlender Wohnraum für die Bevölkerung mit geringem Einkommen dazu führt, dass sich die Menschen unkontrolliert an den Hängen ansiedeln. Geschätzt jährlich rund 30.000 neue Familien. Die Bewohner der Siedlungen sind zahlreichen Risiken wie Erdbeben oder Erdrutschen schutzlos ausgeliefert – auch, weil der Klimawandel immer häufiger zu heftigeren Regenfällen und Stürmen führt. Viele Bewohner wollen diese Entwicklungen nicht länger hinnehmen: Sie haben sich in dem Netzwerk „Red de Lomas del Perú“ zusammengeschlossen, um für den Erhalt und die Wiederherstellung der Lomas zu kämpfen. Sie fordern ihre Ausweisung als offizielles Naturschutzgebiet sowie den Zugang zu Land und Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen. In ihrem Engagement wird die  Bevölkerung u.a. von den MISEREOR- Partnerorganisationen CIDAP und Desco unterstützt. Hunderte Freiwillige forsten das Gebiet zudem mit heimischen Arten auf, legen Touristen-Pfade und bieten Führungen an. Einerseits werden so Besucher für Natur- und Umweltschutz sensibilisiert, andererseits neue Einkommensmöglichkeiten geschaffen.

Ein Beitrag von Dr. Almuth Schauber, Referentin für städtische Armut und Clara-Luisa Weichelt, Referentin für Nachhaltige Stadtentwicklung.


Weitere Informationen

Zur Arbeit unseres Partners CIDAP in Peru

Zur Arbeit unser Partner nach Taifun Haiyan auf den Philippinen

Zum Online-Dossier „Städte: Für ein Leben in Würde“

 

Geschrieben von:

Avatar-Foto

Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.