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DR Kongo und sexualisierte Gewalt: Über Mut und Hoffnung in der Not

Gewalt und Menschenrechtsverletzungen gehören in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) seit Jahren zur traurigen Realität. Die aktuellen Nachrichten aus dem zentralafrikanischen Land sind erneut beunruhigend: Zurzeit wird die Lage wieder unsicherer, berichten MISEREOR-Partner. Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege muss noch mehr als sonst um seine Sicherheit fürchten. Nachdem er den erneuten Gewaltausbruch in der östlichen Provinz Süd-Kivu kritisiert und gefordert hatte, alle Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, erhält er Morddrohungen.

Besonders im Osten des Landes kommt es seit den 1990er Jahren immer wieder zu Konflikten zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Die, mit Unterbrechungen, bis heute andauernden Kriege hinterlassen tiefe Spuren der Zerstörung in der Bevölkerung. Eine davon: Auf beispiellose Weise setzen Milizen Vergewaltigungen als Kriegsmittel ein, ziehen durch die Dörfer und greifen vorwiegend den weiblichen Teil der Bevölkerung systematisch an. Betroffen von der sexualisierten Gewalt sind eine große Zahl von Frauen und auch Männern.

Ihnen nach dieser Traumatisierung psychisch und physisch zu helfen – dafür setzen sich beherzte Menschen wie der Arzt Denis Mukwege und auch die MISEREOR-Partner ein. Sie leben gefährlich in einem Land, in dem schon seit langer Zeit Gewalt tobt. Wie schaffen sie es, Überlebende von sexualisierter Gewalt auf ihrem Weg zu unterstützen? Wie können die Betroffenen mit den psychischen und physischen Folgen leben?

Wir haben mit Thérèse B., einer MISEREOR-Partnerin, die in der DR Kongo mit Überlebenden arbeitet, über die Situation in ihrem Land, ihre Organisation und die Erfolge im Kampf um Gleichberechtigung und der Überwindung der Traumata gesprochen. Thérèse ist nicht ihr richtiger Name, zu ihrem Schutz möchten wir ihn nicht nennen. 

In den Gruppenstunden können die Frauen über ihre Erlebnisse sprechen und sich austauschen. © MISEREOR
 

Thérèse, was stellt für Frauen und Mädchen die größten Schwierigkeiten im Osten des Kongos dar?

In unserer Gegend stehen Frauen aufgrund ihres Geschlechts vor großen Problemen, wobei die Lage täglich unsicherer wird. Bewaffnete Gruppierungen, auch Soldaten, die eigentlich die Bevölkerung schützen sollten, setzen sexualisierte Gewalt als Waffe ein. Die Folgen sind schwerwiegend: Familien brechen auseinander, die Überlebenden dieser Taten sind traumatisiert, teilweise begehen sie Selbstmord. Es werden sogar Mädchen, die keine 12 Jahre alt sind, zur Prostitution gezwungen, eine Reihe von ihnen werden ungewollt schwanger. Viele flüchten deshalb in die Städte.

Besonders groß ist das Leid für die Überlebenden sexualisierter Gewalt, wenn sie HIV-positiv sind und deshalb nicht in ihre Dörfer zurückkönnen. Es gab Lager für sie, die nun aber niedergerissen wurden. Diese Frauen sind jetzt obdachlos und dem Risiko ausgesetzt, dass sie oder ihre Kinder erneut Opfer von Vergewaltigungen werden. Auch alleinerziehende Mütter haben mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Ihnen fehlen häufig finanzielle Mittel, um für ihre Gesundheitsversorgung aufzukommen. Dies trifft vor allem diejenigen, die HIV-positiv sind oder mit den gesundheitlichen Folgen von sexualisierter Gewalt leben müssen.

Die Frauen werden psychologisch begleitet. In den Therapiestunden können sie reden.
© MISEREOR

Wie arbeitet Ihre Organisation vor Ort?

Im Rahmen unserer Arbeit setzen wir uns mit verschiedenen Initiativen und Programmen für die von Gewalt betroffenen Kinder und Frauen ein. Derzeit liegt unser Fokus unter anderem auf der Versorgung schutzbedürftiger Kinder. Einige von ihnen wurden vergewaltigt, andere haben eine Behinderung, sind Kriegswaisen oder wurden zurückgelassen. In zwei Zentren in Goma/Kyeshero und Nyakariba nehmen wir sie in Obhut. Darüber hinaus ermöglichen wir mehr als 300 Frauen psychosoziale Begleitung. Es handelt sich dabei um Überlebende von Vergewaltigungen, Frauen, die HIV-positiv sind und Witwen, die sich finanziell in einer schwierigen Lage befinden. Neben der Betreuung helfen wir ihnen beim Aufbau von beispielsweise Kleingewerben, bieten Weiterbildungen an, zum Beispiel zu Frauenrechten, und ermöglichen einen Austausch untereinander.

Was sind meine Rechte? Was möchte ich erreichen? Der MISEREOR-Partner unterstützt und fördert die Frauen und ihre Talente. © MISEREOR

Ein weiterer, wichtiger Bestandteil unserer Tätigkeit sind Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Veranstaltungen. Wir organisieren Konzerte, in denen durch Musik und Tanz auf Themen wie Vergewaltigung, Frieden oder sozialen Zusammenhalt aufmerksam gemacht wird. Für Menschen mit einer Behinderung haben wir zusätzlich Programme, in denen es darum geht, ihre Talente zu fördern.

Was sind Ihre größten Erfolge?

Wir sind eine kleine Organisation und seit unserer Gründung vor zwölf Jahren wurden mehr als 300 Frauen und Kinder von uns begleitet, die in ihrer Vergangenheit Schlimmes erlebt haben. Mit der Zeit konnten wir die Qualität unserer Maßnahmen und Angebote stetig verbessern. Viele Menschen, denen wir geholfen haben, haben große Fortschritte gemacht und sind wieder aufgeblüht. So arbeiten einige, die selbst sexualisierte Gewalt erlitten haben, nun mit Betroffenen zusammen, unterstützen sie und kämpfen für Frauenrechte. Im Jahr 2008 zum Beispiel haben wir zwei Frauen aufgenommen, die durch Vergewaltigungen traumatisiert waren und bei uns in Behandlung kamen. Mittlerweile leben sie in ihren eigenen Wohnungen und arbeiten mit Hingabe in unserem Team. Es geht ihnen wieder gut. Das macht Mut. Gleichzeitig ist es schön zu sehen, dass unsere Sensibilisierungsmaßnahmen und Konzerte viele Menschen bewegen. So haben wir ein Album veröffentlicht, “Voix d’enfant et halte au viol“. Das hat viele tief berührt.

Eine Gruppe Frauen nach ihrem Treffen. Der MISEREOR-Partner klärt über Frauenrechte auf und stärkt die Überlebenden sexualisierter Gewalt. © MISEREOR

Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?

Zu den Herausforderungen und auch Vorhaben unserer Organisation gehört es, dass wir durch gut ausgebildetes Personal und eine eigenständige Infrastruktur die Menschen bestmöglich unterstützen möchten. Solange es uns unsere Mittel erlauben, hat unsere Organisation das Ziel, sich weiterzuentwickeln und noch mehr Mädchen und Frauen zu unterstützen. Es bestärkt uns, dass so viele von uns betreute Personen es schaffen, ihren Weg zu gehen.  

Es ist uns ein Anliegen, unsere Arbeit stetig weiterzuentwickeln. Lobbyarbeit ist ein wichtiger Bestandteil davon. Die Kriegshandlungen im Osten der DRK reißen nicht ab. Wir möchten die Betroffenen unterstützen und als starke Stimme auf die Auswirkungen sexualisierter Gewalt aufmerksam machen.


Über die Konflikte in der Demokratischen Republik Kongo

Die Konflikte in der DR Kongo sind eng verbunden mit der Frage um die Kontrolle von Ressourcen und Macht. Das zentralafrikanische Land gilt mit seinen Coltan-, Cobalt-, Gold- oder Kupfer- und Diamant-Vorkommen als eines der rohstoffreichsten Länder der Erde. Davon möchten verschiedene Akteure im Land selbst, in den umliegenden Ländern und darüber hinaus profitieren. Lange Zeit verfügte Diktator Mobutu über die Bodenschätze. Die politischen Auseinandersetzungen um Machtwechsel und Demokratisierung des Landes in den 1990er Jahren führten jedoch zu Kämpfen zwischen Anhängern verschiedener Parteien und ihren Milizen. Sie splitterten sich zunehmend auf und kämpften in wechselnden Allianzen um die Kontrolle über ressourcenreiche Gebiete und Zugang zu Machtpositionen. Diese Konflikte halten bis heute an. Besonders dramatisch: Die Zivilbevölkerung wird entlang ethnischer Zugehörigkeiten in die Konflikte hineingezogen und ist dadurch Zielscheibe und Akteur zugleich. Die Zahl an Gewaltopfern unter ihnen ist auch deshalb enorm hoch. Sexualisierte Gewalt wird häufig systematisch als Mittel der Kriegsführung eingesetzt.

Gewaltprävention und Genderarbeit von MISEREOR in der Demokratischen Republik Kongo

Im Bereich der Gewaltprävention fördert MISEREOR in der DR Kongo aktuell fünf Projekte in Höhe von insgesamt mehr als 930.000 Euro. Ein in dem Zusammenhang wichtiges Thema ist dort der Einsatz für mehr Geschlechtergerechtigkeit. Gewalt gegen Frauen gehört in dem zentralafrikanischen Land oftmals noch zur traurigen Realität. Die MISEREOR-Partnerinnen und -Partner setzen sich deshalb dafür ein, patriarchal geprägte Denkweisen und Strukturen zu durchbrechen, das Selbstwertgefühl von Frauen und Mädchen zu stärken und über Frauenrechte aufzuklären.

Die Traumaarbeit mit Überlebenden von sexualisierter Gewalt ist dabei ein wesentlicher Aspekt der Projektaktivitäten. Der Schutz und die Unterstützung von Mädchen, die auf der Straße leben und Übergriffe fürchten müssen, ist darüber hinaus ebenso Teil der Partner-Tätigkeiten wie die Sensibilisierung von Frauen und Männern für Geschlechtergerechtigkeit und Frauenrechte. Auf struktureller Ebene verfolgen sie u.a. das Ziel, die Gesundheitsversorgung, besonders bei mentalen Erkrankungen, zu ermöglichen und zu verbessern.

Den Namen unserer Interview-Partnerin haben wir zu ihrem Schutz geändert und die Namen unserer Partnerorganisationen aus diesem Grund nicht genannt.

Geschrieben von:

Ansprechtpartnerin

Jana Echterhoff ist Länderreferentin für Lateinamerika bei Misereor.

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