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„Jeder Mensch sollte die gleichen Chancen haben“

Marlene Topajian Constantin. Projektmanagerin. Libanon. Hilft geflüchteten Frauen, sich selbst zu helfen.

© Klaus Mellenthin / Misereor

Das sind meine Wurzeln

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, die mich als Mädchen ganz selbstverständlich genauso behandelt hat wie meine zwei Brüder. Da wurde kein Unterschied gemacht. Für mich war es also immer normal, dass Männer und Frauen gleich sind. Deshalb kann ich nur schwer verstehen, wenn heute im Jahr 2020 immer noch keine Gleichberechtigung herrscht. Jeder Mensch sollte die gleichen Chancen haben, das Beste von sich zu geben. Was ich von meinen Eltern gelernt habe, gebe ich an meine Kinder weiter.

Meine Stärke kommt außerdem von meinen armenischen Wurzeln. Meine Vorfahren mussten viel Leid ertragen, Worte können das kaum beschreiben. Doch sie überlebten. Sie waren stark trotz Genozid, Vertreibung, Neuanfang in einem fremden Land.

Das verleiht mir Flügel

Bei Pontifical Mission sind die Hälfte der Mitarbeiter Frauen, es wird kein Unterschied zwischen Frauen und Männern gemacht. Hier kann ich mich beweisen und ständig weiterentwickeln. Das ist nicht selbstverständlich im Libanon. Und ich kann anderen Frauen dabei helfen, ebenfalls ihre Potenziale zu entfalten.

Ich fühle mich als sehr starke Frau, aber das kommt nicht von alleine. Stärke braucht Anstrengung, du musst an dir selbst arbeiten, dich für andere einsetzen, das hängt alles zusammen. Die Herausforderungen hier sind riesig, aber das hält mich nicht davon ab, alles zu geben – im Gegenteil.

Dafür setze ich mich ein

Meine Mission sind die Frauen, denn sie sind das Rückgrat der Familie – und der Gesellschaft. Sie sind diejenigen, die für ihre Familien stark sein müssen, obwohl sie selbst Angst haben und in unsicheren Verhältnissen leben. Diese Frauen brauchen unsere Hilfe. Mit Lebensmitteln und einem Dach über dem Kopf ist es nicht getan. Sie brauchen psychosoziale Unterstützung. Deshalb kümmern wir uns um Frauen und ihre Kinder, die traumatisiert sind. Ich will ihnen helfen, sich selbst zu helfen. Zum Beispiel, indem sie lesen und schreiben lernen. Sie sind diejenigen, die Familien und soziale Gruppen, also die Gesellschaft, zusammenhalten.

Meine Arbeit ist getan, wenn …

… ich als Frau dazu beitragen kann, die Welt ein bisschen besser zu machen. Wenn ich es schaffe, meine Existenz auf dieser Erde mit Bedeutung zu füllen und einen positiven Einfluss zu haben. Ich möchte mit allem, was ich habe, für das Gute einstehen. Wenn mein Leben für Andere einen Unterschied macht – erst im Kreis der Familie, dann in meiner Umgebung, als nächstes in der Gesellschaft und schließlich für meine Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt. Dann ist meine Arbeit auf dieser Erde getan.

Frauen können …

… alles, was Männer können. Vielleicht auch ein bisschen mehr, denn sie sind in Herausforderungen und Krisen diejenigen, die widerstandsfähiger sind, die mehr aushalten können. Ich glaube aber, dass es nicht darum geht, wer stärker ist. Männer und Frauen sollten einander respektieren und helfen. Für eine gute Gesellschaft müssen sie zusammenarbeiten, Hand in Hand.

Das Interview führte Susanne Kaiser. Sie ist freie Journalistin, mit Schwerpunkt Naher Osten, und Autorin. Gerade erschien bei Suhrkamp ihr Buch „Politische Männlichkeit. Wie Incels, Fundamentalisten und Autoritäre für das Patriarchat mobilmachen“.


Hintergrund

Marlene Topajian Constantin arbeitet seit 1989 bei Pontifical Mission als Projektmanagerin für Flüchtlinge, die ungeachtet ihrer Religion oder Herkunft unterstützt werden. Pontifical Mission Libanon ist eine Partnerorganisation von Misereor in Beirut. Die Hilfsorganisation wurde 1949 vom Papst ins Leben gerufen, ursprünglich, um palästinensische Flüchtlinge im Libanon nach dem Palästinakrieg zu versorgen. Dann erschütterten 15 Jahre Bürgerkrieg das Land, und die libanesische Bevölkerung brauchte selbst Hilfe. Heute leben 1,5 Millionen Flüchtlinge im Libanon, bei einer Bevölkerung von 6,1 Millionen Menschen. Sie kommen vor allem aus dem Irak und aus Syrien.


So können Sie das Projekt unterstützen

Kein anderes Land nimmt so viele Syrienflüchtlinge auf wie der Libanon. Misereor-Partnerorganisationen betreuen und versorgen die Menschen. Flüchtlingskindern helfen sie, traumatische Erlebnisse zu überwinden.


Sie sind Visionärinnen. Kämpferinnen. Trägerinnen von Entwicklung. Sie sind „Starke Frauen“. In unserer Reihe stellen wir sie und ihre Geschichten vor.

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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