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Krieg und Konflikt in Myanmar

Vor zehn Jahren kündigte das burmesische Militär einen Waffenstillstand mit der Kachin Indepence Army (KIA) auf. Mit dem Angriff auf Stellungen der KIA im Norden Myanmars endete ein 17 Jahre währender Waffenstillstand. Seit 2011 wurden im Kachin- und im nördlichen Shan-Staat von Myanmar in den Auseinandersetzungen mehr als 120.000 Menschen vertrieben. Viele müssen seitdem in einem der über 170 Binnenflüchtlingslager ausharren. Die Versorgung in den meisten Camps ist schlecht. Der Militärputsch in Myanmar am 1. Februar 2021 hat die Situation zusätzlich verschlechtert.

Myanmar Camp Flucht Kachin
Ein Geflüchtetenlager im Kachin-Staat in der Nähe der chinesischen Grenze. © Airavati / Kaw Seng

Bewaffnete Konflikte seit 70 Jahren

Bewaffnete Konflikte beherrschen das Land seit über 70 Jahren. Die Kachin Independence Army (KIA) kämpft schon seit den 1960er Jahren im Kachin-Staat von Myanmar für mehr Autonomie. Im Jahr 1994 war ein instabiler Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien vereinbart worden, der jedoch am 9. Juni 2011 ein jähes Ende fand. Nach zehn Jahren Krieg haben sich die Versorgungs- und Bildungs-, aber auch die soziale Situation erheblich verschlechtert. Viele Menschen haben ihr Land und damit ihre Lebensgrundlage für die Zukunft verloren. Besonders im Norden des Kachin-Staates wurden Teile des Landes z. B. in riesige Bananenplantagen umgewandelt, deren Ernte praktisch ausschließlich nach China geliefert wird. Kompensiert wird der Verlust des Landes nicht.

Angst vor der Pandemie

Die COVID-19-Pandemie erleben die Menschen in den Lagern als besonders bedrohlich, ist doch die Gesundheitsversorgung erheblich eingeschränkt oder gar inexistent. Offiziell hat es mit Beginn der Pandemie Anfang 2020 in Myanmar 145.826 nachgewiesene Infektionen und 3.248 Todesfälle gegeben (Stand 15.06.2021). Getestet wird allerdings sehr wenig. Es wird vermutet, dass das Virus vor allem in den Großstädten wie Yangon und Mandalay sowie in den Grenzregionen grassiert. Die Angst vor einer Krankheitswelle in den oft abgelegenen und schlecht eingerichteten Lagern ist daher groß.

Bild Binnenvertriebene Myanmar
Das Airavati-Kunstprojekt bringt Farbe und Hoffnung in das Leben der geflüchteten Kinder und Jugendlichen: Ein Tuschebild von Lamai Seng Ja Mai, 19 Jahre, das sie im Internat für Binnenvertriebe in Alen Bum gemalt hat. © Airavati

Wiederaufbauhilfe vor dem Putsch

Seit dem Militärputsch vom 1. Februar 2021 haben die Kämpfe in Myanmar insgesamt und besonders im Kachin- und nördlichen Shan-Staat erheblich zugenommen. Vor dem Militärputsch, der von einer sehr großen Mehrheit der Menschen in Myanmar abgelehnt und bekämpft wird, hatte sich die Situation im Kachin-Staat zunächst etwas entspannt. Die Menschen in den Lagern bereiteten sich darauf vor, zumindest zeitweise in ihre Dörfer zurückzukehren, soweit dies die Lage in den Dörfern zuließ, um ihr Leben dort wiederaufzubauen. MISEREOR leistete dazu Wiederaufbauhilfe, etwa bei der Beschaffung von landwirtschaftlichem Gerät und Saatgut für den Anbau. Auch unterstützte MISEREOR Trainingsmaßnahmen für Einkommen schaffende Aktivitäten der Menschen in den Dörfern.

Soforthilfe nach dem Putsch

Der Wiederaufbau kam nach dem 1. Februar zu einem abrupten Stillstand. Stattdessen sind inzwischen weitere Menschen auf der Flucht. Die Kämpfe, die zuvor praktisch nur in ländlichen Regionen stattfanden, haben sich jetzt teilweise in größere Städte verlagert, andere finden in der Nähe von Flüchtlingscamps statt. In einigen Regionen waren und sind Menschen zwischen den Fronten gefangen und können sich nicht in Sicherheit bringen. Angst und Traumatisierung der Geflüchteten sind groß. Wie uns Partnerorganisationen berichten, sind inzwischen mehr als 6.000 Menschen (Stand 09.06.21) aus Dörfern im Kachin-Staat neu vertrieben worden, die bisher nicht vom Konflikt betroffen waren. Die Menschen werden von lokalen Organisationen, den Kirchen und privaten Spender*innen notdürftig versorgt. Oft fehlt es jedoch an Unterkünften, Nahrung und den grundlegendsten Materialien, um sich vor dem einsetzenden Regen zu schützen.

Ernährungssituation verschlechtert sich

Hatte die COVID-19-Pandemie die Lebensmittelknappheit der Geflüchteten bereits verschärft, ist die Ernährungslage für die Menschen in der Region insgesamt erheblich schlechter geworden. Der Handel mit dem an den Kachin- und nördlichen Shan-Staat angrenzenden China ist wegen der Transportrestriktionen sehr begrenzt. Durch den Widerstand gegen den Putsch und die daraus folgenden Schwierigkeiten – etwa bei der Beschaffung von Bargeld, das in einigen Regionen knapp geworden ist – konnten Lebensmittelrationen erst verspätet in den Lagern übergeben werden. Menschen, die sich vor Angriffen in Wälder flüchten mussten, können wiederum so gut wie gar nicht versorgt werden. Der Schulbetrieb ist stark eingeschränkt, die Gesundheitsversorgung ist nur noch sehr begrenzt möglich. Dies ist nicht nur in Pandemiezeiten sehr problematisch, sondern bedeutet vor allem für chronisch Kranke, Ältere und verletzte oder akut kranke Menschen, dass sie kaum noch versorgt werden können.

Myanmar Flüchtlingscamps Konflikt
Die Kämpfe finden auch in der Nähe von Geflüchtetencamps statt; in einigen Regionen waren und sind Menschen zwischen den Fronten gefangen und können sich nicht in Sicherheit bringen. © Hkun Li

„Frieden ist der einzige Weg“

Im ganzen Land nehmen Spannungen und Kämpfe zu. Die Arbeitssituation für humanitäre Helferinnen und Helfer ist gefährlicher geworden. Zehntausende Menschen harren in den Grenzregionen Myanmars praktisch unversorgt an den Grenzen zu den Nachbarländern aus, um sich vor den Kämpfen zwischen dem burmesischen Militär (Tatmadaw) und den bewaffneten Gruppen in Sicherheit zu bringen. Kardinal Charles Maung Bo, Erzbischof von Yangon und Präsident der Föderation Asiatischer Bischofskonferenzen (FABC), erklärte am 25. Mai 2021 zu den Kämpfen und Vertreibungen in seinem Land: „Das muss aufhören. Wir bitten Sie alle, […] bitte eskalieren Sie den Krieg nicht. Unser Volk ist arm, COVID-19 hat ihm die Lebensgrundlage geraubt, Millionen hungern, die Gefahr einer weiteren Welle von COVID-19 ist real. Der Konflikt ist eine grausame Anomalie […]. Frieden ist möglich; Frieden ist der einzige Weg.“

MISEREOR bemüht sich gemeinsam mit seinen Partnerorganisationen, die Situation der Flüchtenden in den Lagern im Norden und an den Grenzen – etwa nach Thailand – zu verbessern.


Weitere Informationen:

zum Airavati-Kunstprojekt, das von 2 Euro helfen unterstützt wird, und zur Arbeit unserer Partner, die Geflüchtete in und aus Myanmar unterstützen.

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Corinna Broeckmann ist Regionalreferentin für Ozeanien und Sri Lanka bei Misereor.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Danke für die Einsichten, wenn sie auch traurig sind. Das Tuschebild geht mir nahe und ist beinahe aussagekräftiger als jede Zahl oder jeder Fakt. Beides gehört zusammen.

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