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Gewalt gegen Frauen: „Der Kontext kann zwar unterschiedlich sein, aber das Ergebnis ist immer gleich schlimm.“

Betina Beate ist Abteilungsleiterin für Lateinamerika bei MISEREOR. Ein besonderes Anliegen in ihrer Arbeit sind genderspezifische Themen, wie Gewalt gegen Frauen. Im Interview erklärt sie, warum uns dieses Thema alle angeht und wie Internet und soziale Medien das Problem verstärken.

Betina Beate, Abteilungsleiterin für Lateinamerika bei MISEREOR © Claudia Fahlbusch

Gewalt gegen Frauen ist ein weltweites Problem.  Was verbindet uns diesbezüglich in Deutschland mit den Menschen in Afrika, Lateinamerika und Asien?

Betina Beate: Uns verbindet leider viel Schmerz, viel Leid von Unschuldigen, eine Mentalität, die einen Boden für Gewalt schafft und diese akzeptiert sowie der mangelnde Schutz der Opfer.

Die sogenannte genderspezifische Gewalt basiert auf dem tief verankerten Glauben des Mannes, dass die Frau ihm gehört und dass er die Macht über sie hat. Am häufigsten erfahren Frauen Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner. Das ist überall auf der Welt zu beobachten, ob im globalen Norden oder Süden. Lateinamerika ist der Kontinent mit den meisten Feminiziden, also Frauenmorden. 2020 wurden allein in Mexiko 940 solcher Fälle untersucht. Auf anderen Kontinenten sieht es aber nicht viel besser aus. In der EU zum Beispiel sterben jedes Jahr etwa 3.500 Frauen durch häusliche Gewalt. Das sind neun Todesopfer pro Tag! Auch in Deutschland ist die Situation erschreckend. Hier wird alle drei Tage eine Frau, zumeist von ihrem Partner oder Expartner, getötet. Doch all diese Zahlen sind nur eine Annäherung, denn die Dunkelziffern sind überall immens – das Problem ist also noch viel größer.

Welche Ausprägungen zeigt Frauenhass?

Betina Beate: Nehmen wir Feminizide: Sie bezeichnen ein Phänomen, dass Frauen getötet werden, weil sie Frauen sind. Woher dieser Frauenhass genau kommt, kann aber unterschiedliche Gründe haben. Um die Gewalt gegen Frauen zu rechtfertigen, werden mitunter traditionelle und religiöse Werte vorgeschoben. Bestimmte Faktoren erhöhen die Verletzlichkeit von Frauen zusätzlich, etwa ihre finanzielle Abhängigkeit. All diese Aspekte sind von Region zu Region unterschiedlich ausgeprägt. In manchen Ländern ist es beispielsweise etabliert, Macht über die Frau auszuüben. Rechtliche oder traditionelle Strukturen erlauben es, dass die Männer die wichtigsten Lebensentscheidungen für die Frauen treffen dürfen. Auch hängt die Unabhängigkeit der Frauen extrem davon ab, ob sie die Möglichkeit haben, sich beruflich zu verwirklichen und damit finanziell unabhängig zu werden. Besonders dramatisch ist die Lage in Regionen wo Krieg, Terrorismus oder starke Migration herrschen. Hier ist die Gewaltbereitschaft gegenüber Frauen besonders hoch.  Die Gewalt nimmt dadurch unvorstellbar grausame Formen an.

Im gesellschaftlichen Denken gelten Frauen zu häufig als den Männern untergeordnet. Deshalb wird auch Gewalt gegen sie in Kauf genommen. Der Kontext kann hierbei zwar unterschiedlich sein, aber die Folgen sind immer gleich schlimm.

Ein besonderes Phänomen der Gewalt gegen Frauen ist Frauenhass im Netz. Was hat es damit auf sich?

Betina Beate: Ich beobachte mit Erschrecken, was im Netz passiert. Feminismus-Gegner gab es immer, auch Frauenhass. Neu ist aber, wie rasant sich Frauenhass im Internet verbreitet und welches Ausmaß er annimmt. Ein Phänomen, was uns auch in Deutschland sehr stark betrifft.

In den sozialen Netzwerken wird Gewalt gegen Frauen kleingeredet und Opfern wird gesagt, dass es eigentlich ihre Schuld war. Durch die Anonymität werden Frauen ohne Scheu angegriffen, zum Beispiel durch die Androhung von physischer und sexueller Gewalt.

Besonders heftig geht es in frauenfeindlichen Foren zu. Auf unterschiedlichen Plattformen tauschen Männer ihre Fantasien über Gewalttaten an Frauen aus und motivieren sich gegenseitig, diese in die Tat umzusetzen. Mit Beweisfotos geben sie dann auch noch voreinander damit an. Aufnahmen von vergewaltigen und verprügelten Frauen dienen zur Unterhaltung. Hier gibt es, genau wie in der real-physischen Welt, viel zu wenige Maßnahmen und Gesetze für die Prävention von Gewalt sowie für den Schutz der Opfer. Ganz zu schweigen davon, wie selten die Täter wirklich überführt und bestraft werden.


MISEREOR-Projektarbeit

In gut 60 Prozent, der rund dreitausend MISEREOR-Projekte spielen Genderthemen und Gleichberechtigung der Geschlechter eine wichtige Rolle. 215 Projekte haben Gender als Themenschwerpunkt, sie werden mit mehr als 51 Millionen Euro gefördert. Aktuell unterstützt MISEREOR mit einer Fördersumme von mehr als 7,4 Millionen Euro rund 35 Projekte weltweit, die sich explizit für die Beseitigung von Gewalt an Frauen einsetzen. Allein in Lateinamerika unterstützt MISEREOR viele beispielhafte Projekte, in denen Gewaltprävention und die Begleitung von Opfern nach Gewalttaten eine große Rolle spielen, wie beispielsweise in Honduras, Mexiko und Venezuela. Darüber hinaus ist die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit ein Querschnittsthema von MISEREOR und alle Projekte werden dahingehend geprüft.


Sie sind Visionärinnen. Kämpferinnen. Trägerinnen von Entwicklung. Sie setzen sich ein für eine friedlichere Welt. Für den Erhalt der Erde und für eine Ernährung, die nicht nur satt macht, sondern auch gesund ist und umweltschonend angebaut wurde.

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Ina Thomas ist Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Misereor.

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