Die Geschichte des Fairen Handels
Von Thomas Antkowiak.*
Der Faire Handel ist Teil einer Reihe von Initiativen, die sich darum bemühen, die wirtschaftliche Lage und die Arbeitssituation von Menschen im Globalen Süden zu verbessern. So engagiert sich Misereor seit seiner Gründung 1958 auch durch Entwicklungsprojekte in Kaffeeanbauregionen, die besonders von Armut betroffen sind.
Vor 35 Jahren gründete schließlich eine Gruppe von Organisationen – darunter Misereor – eine Arbeitsgemeinschaft. Sie sollte ergründen, mit welchen Mitteln Kleinbauernfamilien unterstützt werden könnten, die Kaffee und andere Lebensmittel für alle Welt produzieren. Aus dieser Initiative ist 1992 der Verein Fairtrade Deutschland entstanden.
Eine-Welt-Läden waren die Vorreiter
Auch vor der Gründung von Fairtrade gab es in Europa erste Bemühungen, den Kaffeehandel gerechter zu gestalten. Vorreiter waren hier die vielen Eine-Welt-Läden in den Kirchengemeinden und Weltläden. Sie boten einen alternativen Zugang zum europäischen Markt mit verlässlichen, fairen Preisen. Aber der Großteil des Kaffeemarktes verharrte in einem vom Kolonialismus geprägten Wirtschaftsmodell, das auf Ausbeutung beruhte. 1973 wurde schließlich die „Gesellschaft für die Partnerschaft mit der Dritten Welt“, kurz GEPA, gegründet. Ende der 1980er Jahre machte diese erste Versuche, ihren Kaffee auch über Supermärkte zu vertreiben, um für die Kleinbauernfamilien im Globalen Süden höhere Umsätze zu erzielen und mehr Konsumenten zu erreichen.
Misereor und Brot für die Welt als größte Gesellschafter trieben gemeinsam diese Strategie der GEPA voran. In dieser Zeit wurde über die GEPA auch der erste Biokaffee überhaupt nach Deutschland importiert. In Mexiko war es die Kooperative UCIRI, die sich als erste dem fairen Wirtschaftsmodell anschloss. Misereor gab eine einmalige Anschubfinanzierung. Der Leiter der Kooperative, der niederländische Pfarrer Frans van der Hoff, sollte später auch bei der Gründung des Fairtrade-Siegels eine große Rolle spielen.
Am Anfang war die Kaffeekrise
Die einzelnen Initiativen des Fairen Handels waren für sich sehr erfolgreich, weil sie viel Bewusstsein für Ungerechtigkeiten schufen und sehr viel Engagement in Kirchen und Jugendgruppen auslösten. Doch sie schafften es nicht aus ihrer Nische heraus. Der Kaffeehandel insgesamt wurde zunächst nicht fairer. Es mussten weitere Angebote her, die Kundschaft und Handel von einem Fairen Wirtschaften überzeugen sollten.
Nach Aufhebung der festen Kaffeepreise an den Börsen durch die internationale Kaffeeorganisation (ICO) Mitte der 1980er Jahre waren die Weltmarktpreise über einen langen Zeitraum auf einem Tiefstand. Gründe dafür waren Überangebot, Qualitätsprobleme in Anbau und Verarbeitung, und vor allem das enorme Machtungleichgewicht in den Handelsbeziehungen. Ganze Regionen wurden durch die niedrigen Erlöse wirtschaftlich ruiniert. Einige Volkswirtschaften, beispielsweise in Zentralamerika, lagen am Boden, ist doch Kaffee dort häufig das wichtigste Exportprodukt.
Eine Idee aus den Niederlanden
Als Reaktion auf die niedrigen Kaffeepreise hatte Frans van der Hoff in den Niederlanden ein Zeichen in den Supermärkten eingeführt. Dieses versprach der Kundschaft erstmals „eerlijke handel“, also ehrlichen Handel. Die Idee übernahm die deutsche „AG Kleinbauernkaffee“. Sie zog mit ihrem Verein von Aachen nach Köln um und nannte sich in Transfair – das spätere Fairtrade Deutschland – um. Gründungsvorsitzender war der Misereor-Mitarbeiter Dr. Klaus Piepel. Der erste Geschäftsführer Dieter Overath prägte den Verein die nächsten dreißig Jahre maßgeblich und führte ihn zu seinem heutigen Erfolg. Seit seiner Gründung ist Fairtrade mehr ist als ein bloße Zertifizierungsinstrument, das einen besseren Handel attestiert, sondern eine Bewegung für mehr Gerechtigkeit.
Die Herausforderung bleibt
Noch heute ernten Kleinbauernfamilien mehr als 70 Prozent des weltweit erzeugten Kaffees. Die hohen Gewinne von Kaffeeröstern und Kaffeehändlern spiegeln sich jedoch nicht in den Einkommen der Bäuerinnen und Bauern wider. Dies hat sich auch nach 50 Jahren Fairer Handel in Deutschland und auch nach 30 Jahren fairer Zertifizierung nicht geändert.
Während die Lebenshaltungskosten in den Erzeugerländern des Globalen Südens immer weiter wachsen, stagnieren die Einkommen aus dem Kaffeeverkauf. Im Standart Magazin wurde dieser Realeinkommensverlust vor einigen Jahren folgendermaßen dargestellt: Noch 1976 haben in Zentralamerika vier Säcke Kaffee gereicht, um eine Familie für ein Jahr zu ernähren. Heute braucht es dafür 34 Säcke Kaffee. Die Anschaffung eines Lastwagens wäre 1975 mit dem Gewinn aus 55 Säcken Kaffee möglich gewesen. Heute bedarf es dafür 1457 solcher Säcke.
In den seltensten Fällen dient Kaffee also noch als die Haupteinnahmequelle dieser Haushalte, denn der Preis deckt weder die Kosten eines nachhaltigen Anbaus, noch sind die Einkommen verlässlich. Zudem macht der Klimawandel den Kaffeeanbau in bisheriger Form auf Dauer unmöglich und junge Menschen müssen sich alternative Berufe suchen, zumeist in den städtischen Regionen.
Eine Würdigung
Trotz dieser ernüchternden Bilanz für den Kaffeehandel sind die großen Erfolge des Fairen Handels nicht von der Hand zu weisen. Die Ursache für Armut und Perspektivlosigkeit in den Anbauregionen von Kaffee ist nicht der Mangel an Angeboten und Möglichkeiten, sondern das mangelnde Engagement der Kaffeehändler und Kaffeeröster, ihren Kaffee fair herstellen zu lassen und Preise dafür zu zahlen, die existenzsichernd sind und die wahren Kosten decken.
Als großer Erfolg des Fairen Handels sind vor allem die steigende Bekanntheit und Beliebtheit von fair gehandelten Lebensmitteln in Deutschland und Europa zu nennen. Was mit dem Kaffeehandel begann, dehnte sich in den letzten Jahren auf verschiedenste Produkte aus. Heute sind faire Bananen, Blumen, Schokolade oder auch Tee längst nicht mehr aus Geschäften wegzudenken. Und auch das Bewusstsein der Menschen für einen nachhaltigen und fairen Konsum steigt stetig. Das ist wohl das Beste am Einsatz für den Fairen Handel.
*Thomas Antkowiak ist seit 2006 Vorstandsmitglied bei Misereor und in der Geschäftsführung zuständig für die „Hauptabteilung Interne Dienstleistungen“. Der Entwicklungszusammenarbeit ist Antkowiak durch seine frühere Tätigkeit als Diözesanvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Hildesheim verbunden. Zu den Aufgaben von Thomas Antkowiak bei Misereor zählen die Leitung der Bereiche Personal, Verwaltung und Finanzen. Außerdem ist er für die Belange des Fairen Handels und des Entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes zuständig.
Weitere Informationen zum Thema Fairer Handel finden Sie unter www.misereor.de/fairer-handel