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Buen Vivir, Sumak Kawsay, Gutes Leben – Was ist das eigentlich?

Ein Erklärungsversuch aus Lateinamerika

Wir sprechen oft über den sozial-ökologischen Wandel, aber uns scheint meist selbst nicht klar zu sein, was das Ziel dieses Wandels ist. Also wie genau soll diese Welt aussehen, in der alle Menschen ein lebenswertes, gerechtes Leben führen, ohne der Umwelt dabei zu schaden?

Lebenskonzept Buen Vivir
©Canva

Was für uns noch wie Utopie erscheint, hat sich im Leben vieler anderer Kulturen längst manifestiert, wie beispielsweise in Teilen Lateinamerikas. „Buen Vivir“ oder auch „Sumak Kawsay“, wie es im indigenen Sprachgebrauch genannt wird, ist ein Lebenskonzept, das ein soziales und ökologisches Leben vorschreibt.

„Sumak Kawsay kommt aus einer indigenen Tradition aus dem andinen Raum und umfasst ein sehr komplexes Gedankenkonstrukt, das sagt, dass alle Wesen der Erde und die Natur im Einklang miteinander sind. Für uns bedeutet das so viel wie, in nachhaltigen, gerechten und solidarischen Strukturen zusammenzuleben“, sagt Dieter Richarz, Leiter der Lateinamerika-Abteilung bei Misereor. In der Vergangenheit hat er viel über lateinamerikanische Lebensweisen gelernt und sie selbst kennengelernt. In unserem Gespräch hat er mir erzählt, was wir aus diesen lernen können.

Sumak Kawsay ist ein Politikum

Sumak Kawsay hat eine weitreichende Geschichte und ist mindestens seit dem 15. Jahrhundert, zu Zeiten von Bartholomäus de las Casas, fest im Leben der Indigenen verankert. „In den letzten Jahrzehnten spielte Sumak Kawsay dann eine immer größere Rolle und es wird in den aktuellen Debatten öfter aufgegriffen.“, so Richarz. Die Regierungen von Ecuador und Bolivien haben das Konzept mittlerweile in ihre Verfassungen aufgenommen und das friedliche Zusammenleben von Mensch und Natur somit zum Politikum gemacht. „Das ist grundsätzlich eine gute Maßnahme, weil das Thema somit an Relevanz gewinnt. Schwierig wird es aber, wenn das Thema missbraucht wird, um die politische Macht von einzelnen zu vergrößern. Außerdem ist so ein Recht auf ein gutes Leben gar nicht so einfach umzusetzen. Das sieht man am Beispiel des Wasserrechtes in Ecuador: Da stellen sich Fragen wie ‘Wie darf das Wasser genutzt werden? Und wer entscheidet, was nicht rechtmäßig ist? Die Regierung oder die Bevölkerung?‘ Es zeigt sich, dass die Natur, in diesem Fall das Wasser, nicht selber für seine Rechte eintreten kann und der Mensch letztlich doch die Entscheidungshoheit hat.“

Richarz betont aber dennoch, dass solche Konzepte viel Potenzial haben, auch wenn ihre politische Umsetzung noch nicht vollends gelingt. So wie der Mensch die Erde aktuell ausbeute, gehe es nicht ewig weiter, das sei längst erwiesen. Konzepte wie Buen Vivir bzw. Sumak Kawsay könnten Lebens- und Denkweisen der Menschen langfristig verändern und ein Neudenken bewirken. Unsicherheiten und Ängste vor einer ungewissen Zukunft könnten dadurch aufgebrochen werden. Außerdem wird ein Gemeinschaftsgefühl ausgelöst, das dazu führt, dass die Verantwortung auf viele Schultern verteilt wird – Alle für Eine (Natur) also!


Gutes Leben überall auf der Welt

Lebenskonzepte wie Buen Vivir oder Sumak Kawsay gibt es in allen Teilen der Welt, zum Beispiel auch in Asien und Afrika. Sie sind sehr vielfältig und unterscheiden sich durch die langjährigen Entwicklungen in den verschiedensten Umgebungen. Gleichzeitig haben sie vieles gemeinsam, wie der Blick auf die Gemeinschaft und die Einheit mit der Natur. Jedes Konzept lebt auf seine Art von der Genügsamkeit und der Akzeptanz, mit dem zu leben, was vorhanden ist. Eine Denkweise, die auch uns Europa oft guttun könnte.

Geschrieben von:

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Ina Thomas ist Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Misereor.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

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    Guten Morgen Ina, die Frage ist hervorragend;)

    Grüße

    Samuel

  2. Avatar-Foto

    Eine gute Frage, und wir sollten dabei *niemals* in die Falle treten und uns anmaßen, unsere Maßstäbe auf andere zu projizieren. Die Menschen in Indien zum Beispiel verstehen darunter in vielen Bereichen etwas vollkommen anderes als wir. Und selbst, wenn wir nur unseren Nachbarn anschauen. Jeder ist anders.
    Grundbedürfnisse sind natürlich das eine, deshalb heißen sie ja so – aber die Frage nach einem „guten Leben“ ist eine sehr emotionale.

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