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Öl ins Feuer

Wegen der Petition „Kein Essen in Trog und Tank“ gerät Misereor ins Visier von Tierproduzenten. So werden Vorschläge zur Milderung der Hungerkrise schnell zum Kulturkampf.

Petition: Kein Essen in Trog und Tank

Zum G7 Treffen im Frühjahr verfasste Misereor gemeinsam mit Greenpeace ein Positionspapier zur sich zuspitzenden Ernährungskrise in Folge des Ukraine Kriegs und – ja immer noch – der Corona-Pandemie. Als ein Grund wurden darin die stark gestiegenen Getreidepreise ausgemacht.

Menschen hungern, weil Nahrung zu teuer ist

Um dies kurzfristig abzumildern und die überhitzten Märkte zu beruhigen formulierte das Papier als zwei von sechs Forderungen:

  • Maßnahmen zur Senkung des Verbrauchs von Getreide und Ölsaaten als Energieträger zu prüfen;
    und
  • den Einsatz von Brotgetreide als Futtermittel zur Erzeugung von Fleisch für die reichen Länder deutlich zu reduzieren.

Im Frühsommer folgte dazu die Petition: Kein Essen in Trog und Tank Die Petition konkretisiert die Forderungen. Und Sie wies erneut darauf hin, dass Hunger vor allem ein Problem ist, das durch Armut verursacht wird. Teil einer internationalen Antwort sollte sein, sowohl die Produktion von sogenanntem „Biosprit“ Agrotreibstoffen, als auch die Produktion von Fleisch und Eiern,- zu reduzieren um den Bedarf an Futtergetreide zu senken. Letzteres bedeutet ein Abbau der Tierzahlen in der deutschen und europäischen Landwirtschaft mit gleichzeitigen Konsumanreizen, für pflanzliche Nahrungsmittel.

IPC Karte Ernährungsunsicherheit 2022
Seit 2020 haben sich Hungerkrisen massiv ausgebreitet: In der Karte zeigen die orange bis dunkelrot gefärbten Gebiete, wo große Bevölkerungsanteile akut von Hunger bedroht sind; aber auch in anderen Teilen der Welt können große Teile der Bevölkerung sich keine ausreichende Versorgung mit dem Nötigsten leisten. (IPC / FAO)

Breit geteilte Forderungen

So weit, so erwartbar will man meinen. Denn all diese Forderungen sind zum einen bekannt. Zum anderen wurde insbesondere die Forderung nach dem Abbau der Tierzahlen von unterschiedlichen Seiten wie dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung oder der Zukunftskommission Landwirtschaft geteilt. Bei letzterer saß übrigens der Deutsche Bauernverband und der Industrieverband Agrar am Tisch. Und auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt seit Jahrzehnten Fleisch in Maßen zu genießen.

Organisierter Gegenwind als Ablenkungsstrategie?

Zuerst kamen vereinzelte E-Mails von Landwirten, sie warfen uns Unkenntnis in landwirtschaftlichen Fragen vor. Aber auch insgesamt „gegen Bauern“ zu sein oder gar „unsere christlichen Wurzeln“ zu verraten, weil wir bei dieser Petition mit Greenpeace zusammenarbeiten. Bei den Mails fiel uns auf, dass sie sich teilweise im Wortlaut ähnelten. Offenbar folgten sie dem Aufruf zum Spendenboykott eines bayerischen Landwirts, der auf seinem Hof mehrere hundert Schweine hält und eine Biogasanlage betreibt. Der Bayerische Rundfunk berichtete regional. In diesem Bericht inszeniert sich der Landwirt als gläubiger Katholik und wirft Misereor „Diffamierung“ vor. Ins gleiche Horn stößt später eine Pressemeldung des Verbands „Freie Bauern“.

Leider bleibt sowohl der Bericht wie auch die „Freien Bauern“ die Antwort schuldig, was Tierfutter denn eigentlich mit christlichem Glauben zu tun hat. Und die Diskussionen bleiben auch schuldig, wie denn die Hungerkrise stattdessen angegangen werden sollte? Ganz zu schweigen von Klimakrise und Artensterben.

Getreidefeld
Getreidefeld in der Ukraine: Fast 30 Prozent der weltweiten Weizenexporte stammen aus Russland und der Ukraine. © Ihor Uaina / Unsplash

Facebook-Schlacht und Schelte

Auch unter unseren Facebook-Posts wächst die Kommentarflut. Es fallen Begriffe wie „Hetze“ „Vernichtung“ und „Diffamierung“. Man wird auch schon mal persönlich und beleidigend. Dann gab es einen Artikel von „Land & Forst. Die Stimme der Landwirtschaft. Seit Generationen.“ über die Aussprache von Misereor mit dem bayerischen Landwirt. Dort blendet die Autorin, trotz vorherigem ausführlichem Interview mit unserem Landwirtschaftsexperten, die Misereor-Position komplett aus.

Ausgewogene Berichterstattung stelle ich mir anders vor. Ehrliche Gesprächsangebote auch. Was soll das Ganze also? Warum organisieren bestimmte Bauern Schelte für Misereor?

Lobby für die Rolle rückwärts?

Ich habe den Eindruck, dass in den letzten beiden Jahren in Deutschland viele in Politik und Wirtschaft die Zeichen der Zeit verstanden haben. Es wurden Weichen gestellt hin zu mehr Klimaschutz, Ökologie und vielleicht auch weltweiter Gerechtigkeit. Dagegen organisiert sich immer stärker der Widerstand, derer, die das Rad wieder zurückdrehen wollen. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, warum uns Tierproduzenten so hart angehen.
Dabei wird wie so oft in diesen Tagen ein „Wir gegen die“ aufgebaut, was die gemeinsame Suche nach Lösungen immer schwerer macht.
Alles nach dem Motto, lieber auf den Boten der vermeintlich schlechten Nachricht schießen, als sich mit dieser zu beschäftigen: Das weltweite Ernährungssystem führt dazu, dass über 800 Millionen Menschen hungern, es verschärft die Klimakrise und setzt dabei auch Europas Landwirtschaft immer mehr unter Druck.

Der hoffnungsvolle Teil der Debatte

Zum Glück finden auch sehr differenziertere Gespräche statt, wie zum Beispiel im Video-Blog von Bauer Willi oder Diskussion in öffentlichen Veranstaltungen und Arbeitskreisen. Außerdem gab es viele nachdenkliche Stimmen und Unterstützung für eine andere Landwirtschaft – und Solidarität mit den Menschen, die gerade am meisten leiden: den 811 Millionen Menschen auf unser Welt, die hungern.

Denn genau dazu sehen wir uns Christen aufgefordert: Uns an die Seite der Menschen zu stellen, dort wo Hunger und Armut herrschen. Ohne Wenn und Aber.

Geschrieben von:

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Kathrin Schroeder leitet die Abteilung Politik und Globale Zukunftsfragen bei Misereor.

3 Kommentare Schreibe einen Kommentar

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    Dass bei dem schwierigen Thema auch Emotionen hochkochen, ist vielleicht verständlich. Insgesamt ist die Richtung der Petition von Misereor und Greenpeace in meinen Augen nicht nur richtig, sondern auch unverzichtbar. Das sieht ja auch ein Großteil der Landwirte und Bäuerinnen so. Die übermäßige und mit fragwürdigen Begleiterscheinungen behaftete Fleischproduktion ist ein Irrweg der sehr kurzen Periode der letzten Jahrzehnte. Die Landwirtinnen und Bauern brauchen unsere Solidarität und Unterstützung beim Umsteuern. Und diese Solidarität geht auch über das eigene Einkaufsverhalten.
    Das ist die Meinung und Haltung eines im Münsterland geborenen Bauernsohnes.

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    Hallo Herr Scharl,
    sicher können Sie sich vorstellen, dass ich nach unseren bisherigen Kontakten den Dialog mit Ihnen nicht in der Kommentarspalte unseres Blogs weiterführen möchte. Dass Sie mich der Lüge bezichtigen, verbitte ich mir. Alles andere werte ich als Ihre Meinung und wir haben in unseren bisherigen Kommunikationen ausrechend feststellen können, dass es hier Unterschiede in der Bewertung der Lage zwischen uns gibt.

    Beste Grüße
    Kathrin Schroeder

  3. Avatar-Foto

    Hallo Frau Schröder,
    interessant was sie hier schreiben. Dazu habe ich zwei Fragen:
    Wieso belügen Sie mich bei unserer Videokonferenz? Es gibt kein Dialogforum mit dem BBV.
    Und: bis wann kann ich mit einer Entschuldigung rechnen? Mir wurde im Beitrag im BR eine Falschaussage unterstellt, in unserer Videokonferenz wurde klar aufgezeigt, welche Zahl richtig war, und dass ihr Agrarexperte anscheinend den Unterschied von Getreide und Weizen nicht kennt.
    Hier ist ein Richtigstellung mehr als angebracht, und ich fordere Sie hiermit auch auf!

    Ich inszeniere mich im Übrigen nicht als gläubiger Katholik. Anscheinend habe Sie es nötig ins persönliche zu gehen, da offensichtlich fachlich keine Diskussion stattfinden kann.
    All meine Fragen in der Videokonferenz blieben unbeantwortet (Fruchtfolge, schwierige Bodenverhältnisse usw.) und nun kommt so ein Blogbeitrag.

    Sie weigern sich auch weiter bei der Beantwortung wichtiger Fragen: Wohin mit Grünland? Wohin mit Getreide mit nicht ausreichender Qualität? Was machen die LandwirtInnen, die aufgrund des Bodens und des Klimas keinen Qualtiätsweizen anbauen können.

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