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Fonio: Ein Comeback für kleine Körner

Fonio ist gesund, bringt Frauen ein Einkommen und setzt ein Zeichen für lokale Ernährungssicherheit. Trotzdem war die traditionelle Hirseart in Togo in Vergessenheit geraten. Jetzt erlebt sie ihre Wiederentdeckung – durch Informationsarbeit sowie verbesserte Weiterverarbeitungsmöglichkeiten.

Fonio in Schüsseln
Fonio: Das MisereorSuperFood gegen Hunger © Nicolas Réméné

Evou-Kodegbe in der Region Plateaux in Togo ist ein ruhiger Ort mit einer einzigen Durchgangsstraße. Doch an diesem Morgen herrscht geschäftiges Treiben. 35 Frauen haben sich auf dem Gelände der Kooperative POUST im Zentrum versammelt, um kleine, gräulich und hellbeige schimmernde Körner zu verarbeiten. Fonio war früher in ganz Westafrika bekannt und wurde oft als afrikanische Hirse bezeichnet. Er ist reich an Aminosäuren, Calcium, Eisen, Magnesium, Zink sowie den Vitaminen B1, B2, B3 und B6. Doch der Anbau von Monokulturen wie Mais hat ihn verdrängt. Hinzu kommt, dass importierte Produkte wie Weizen aus Europa und den USA oder Reis aus Asien besser erhältlich und häufig günstiger sind. Aktuell zeigt sich jedoch, wie riskant diese Abhängigkeit ist. Bereits in den ersten sechs Wochen des Russland-Ukraine-Krieges stieg der Weizenpreis in Afrika nach Angaben der Afrikanischen Entwicklungsbank um bis zu 37 Prozent.

Für mehr Unabhängigkeit

Nicht nur dadurch ist die Hungerlage in Togo gerade in ländlichen Gebieten ernst. Durch die Auswirkungen der Klimakrise werden Ernten unzuverlässiger. Vielerorts sind gesundheitsgefährdende Mangelerscheinungen aufgrund einer zu einseitigen und ungesunden Ernährung verbreitet. Häufig sind gerade Frauen und Kinder betroffen.

Die Frauen von Evou-Kodegbe setzen sich mit dem Anbau und der Verarbeitung von Fonio dafür ein, unabhängiger zu werden und qualitativ hochwertige, gesunde Nahrungsmittel zu produzieren. Unterstützung erhalten sie dabei vom Afrikanischen Institut für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (Inades-Formation). Der Misereor-Partner stärkt seit Jahren die nachhaltige und lokale Produktion von Nahrungsmitteln, um die lokale Ernährungssicherheit zu fördern. Doch nicht nur das zählt für Sélome Adoussi Houetognon, Direktorin von Inades-Formation in Togo. „Sie müssen außerdem gesund und reich an Nährstoffen sein.“ Zu all dem kann Fonio einen Beitrag leisten. Zudem eignet sich eine Untersorte besonders, um den Mangel zwischen den Erntezeiten zu verringern, da diese schon sehr frühzeitig geerntet werden kann, während andere Produkte noch reifen.

Eine, die für das Comeback von Fonio sorgt, ist Akossi Nayo, die Schatzmeisterin von POUST. Sie führt über das Gelände, zeigt den Raum, in dem säckeweise Fonio-Paddy – so wird der noch unverarbeitete Fonio genannt – lagert, und führt schließlich auf eine offene Fläche. Hier stehen kleine Kocher, die mit Holz befeuert werden und auf denen der Fonio geröstet wird. Ein nussiger Geruch steigt auf. „Damit wird der Geschmack verbessert“, erklärt Akossi Nayo.

Frauen rösten draußen Fonio in einem großen Topf.
Die Frauen von POUST rösten und kochen den Fonio über offenem Feuer. So erhält er einen nussigen Geschmack, die Schalen lösen sich besser und er ist verzehrfertig. © Nicolas Réméné

Das Herzstück der Kooperative steht auf der gegenüberliegenden Seite. Akossi Nayo zieht ihre Flipflops aus, als sie den kleinen Raum mit der Mühle betritt. Er soll so steril wie möglich sein. Der Generator brummt und die Mühle löst die Schalen. Für die Frauen, die den Fonio traditionell weiterverarbeiten, ist das eine enorme Arbeitserleichterung. Akossi Nayo zeigt auf die Schwielen zwischen ihren Fingern. „Früher mussten wir selbst stampfen, was sehr anstrengend war.“ Auch deshalb war der Verkauf wenig rentabel.

Wieder draußen, bleibt die Schatzmeisterin neben ein paar Frauen stehen, die auf dem Boden sitzen und den Fonio noch einmal sieben. Gerade bei lokal verarbeiteten Produkten muss die Qualität stimmen. Bis heute haben sie oft den Ruf, nicht mit der Importware mithalten zu können.

Zusammen wirtschaften, gut verhandeln

Zum Schluss füllen die Frauen den Fonio in 500- Gramm- und 1-Kilo-Tüten ab, die für umgerechnet 1,20 sowie knapp 2,30 Euro in Atakpamé, der Hauptstadt der Region Plateaux, sowie in Togos Hauptstadt Lomé verkauft werden. Pro Monat verpacken sie zwischen 80 und 100 Kilogramm.

Frauen verpacken Fonio in Plastikbeutel.
Akossi Nayo verpackt mit anderen Frauen den gekochten Fonio für den Verkauf – im Monat zwischen 80 und 100 Kilogramm. © Nicolas Réméné

Noch werden die Erträge in den Aufbau der Kooperative reinvestiert. Mit der ersten Gewinnbeteiligung können die Frauen Ende 2022 rechnen. In ihrem Alltag hat sich trotzdem schon einiges getan. Drei Kooperativen haben sich zu POUST zusammengeschlossen. So können sie beispielsweise bessere Preise beim Einkauf von Fonio aushandeln. Denn gerade in der Landwirtschaft sind Frauen häufig benachteiligt. Sie besitzen kein eigenes Land und können allenfalls Produkte von anderen weiterverkaufen. Die Gewinnspanne ist marginal und reicht nicht, um nährstoffreiche Nahrungsmittel zu kaufen und den Lebensunterhalt einer Familie zu bestreiten. Für Akossi Nayo ist noch etwas anderes zentral: „Für uns Frauen ist es wichtig, unabhängig zu sein.“ Durch die Fonio-Weiterverarbeitung werden sie künftig ihr eigenes Geld verdienen und in der Gesellschaft mehr Mitspracherecht haben. Akossi Nayo lächelt: „Es wird leichter werden, das Schulgeld für meine drei Kinder zu erwirtschaften, Krankenhausrechnungen zu bezahlen und Geld für größere Anschaffungen zu sparen.“ Da sie Witwe ist, ist das besonders wichtig für sie, muss sie doch alleine für die Familie sorgen.

Ernährung, Strom und Bildung sichern

Mit ihrer Familie lebt sie auf der anderen Straßenseite direkt gegenüber dem POUST-Gelände. Akossi Nayo öffnet die Tür zu dem kleinen Haus und zeigt die eigenen mit Fonio befüllten Jutesäcke, von denen die Familie noch viele Monate essen kann. Dann tippt sie auf den Zählerkasten neben der Tür. Durch Nayos Mitarbeit bei POUST kann sich die Familie bereits Strom leisten. In Togo hat nur gut jeder zweite Haushalt überhaupt einen Anschluss. Nicht immer reicht das Geld, um die Einheiten auch zu bezahlen. Doch das ist gerade für die Ausbildung der Kinder im Alter von elf bis 16 Jahren zentral. Gibt es Strom, können sie abends ihre Hausaufgaben machen.

Frau steht vor einem Haus und zeigt auf Stromzähler
Akossi Nayo zeigt den Zählerkasten für den Stromanschluss an ihrem Haus. © Nicolas Réméné

Dass Fonio darüber hinaus einfach gut schmeckt, davon ist Kossiwa Fongbemi überzeugt. Zur Mittagszeit hat sie in Atakpamé immer alle Hände voll zu tun: Vor ihrem kleinen Holztisch warten mehrere Kund*innen. Auf kleine Plastikteller schaufelt sie Fonio, den sie mit Bohnen vermischt. Dazu gibt es wahlweise Palm- oder Erdnussöl, rohe Zwiebeln und Piment, lokales Chilipulver, das bei keinem Gericht fehlen darf. Seit 23 Jahren betreibt sie das Restaurant „Chez Maman Fonio“. Manche Gäste fahren täglich mehrere Kilometer, um bei ihr zu essen. „Fonio ist gut bei Diabetes“, erklärt die Köchin.

Frau mit Fonio-Paketen in den Händen
Stolz präsentieren die POUST-Mitarbeiterinnen die „Erträge“ ihrer Arbeit: Adjo Mawuvi die fertig gepackten Fonio-Pakete . © Nicolas Réméné

Seit Jahren warnt die Regierung davor, dass immer mehr Menschen daran erkranken. Der Diabetes-Atlas der Internationalen Vereinigung für Diabetes geht davon aus, dass sich die Zahl der Betroffenen in Togo von derzeit gut 75.000 bis ins Jahr 2045 mehr als verdoppeln wird. Gerade ärmere Menschen sind auf billige importierte Lebensmittel angewiesen, die zur Fehlernährung beitragen. Fonio hat jedoch einen niedrigen glykämischen Index und würde ihnen das Leben erleichtern, ist Kossiwa Fongbemi sicher. „Er ist ein gutes Heilmittel“, so die Wirtin. Lecker, gesundheitsfördernd und eine Geheimwaffe gegen den Hunger und Mangel in Togo: Fonio ist eben ein echtes MisereorSuperFood.

Über die Autorin: Katrin Gänsler lebt und arbeitet als Journalistin in Westafrika.


Das kann das MisereorSuperFood gegen Hunger

Name: Fonio (Hirseart)

Herkunft: Westafrika

Superkräfte gegen Hunger:

  • Bringt Vielfalt auf Felder und Teller: Fonio stärkt die Biodiversität, fördert die Gesundheit und reduziert die Krisenanfälligkeit der regionalen Landwirtschaft.
  • Verbessert lokale Ernährungssicherheit und nationale Selbstversorgung: Fonio macht unabhängiger von globalen Lebensmittelimporten und stärkt Kleinbauernfamilien.
  • Verringert den Mangel zwischen Erntezeiten: Fonio ist reich an wichtigen Nährstoffen. Eine Fonio-Sorte kann schon früh im Jahr geerntet werden.

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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