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Beten mit den Füßen

 „In sich gehen. Außer sich sein.“ Wozu Misereor Menschen mit seiner jährlichen Fastenaktion motivieren will, das setzen die in diesem Jahr 76 Hungertuchwallfahrerinnen und -wallfahrer sehr konsequent um: Sie laufen passagenweise schweigend nebeneinander, ganz auf die eigenen Gedanken und die sie umgebende Landschaft konzentriert. Sie konfrontieren sich an einzelnen Stationen mit spirituellen Impulsen, die herausfordernd sind. Dabei betrachten sie das aktuelle Hungertuch des Freiburger Künstlers Emeka Udemba, in dessen filigranen Strukturen immer wieder etwas Neues entdeckt wird.

Zwei Männer tragen das Misereor-Hungertuch auf der Hungertuchwallfahrt
Ihr Weg führte die Hungertuchwallfahrer*innen der bundesweiten Aktion entlang der Donau bei Leipheim. © Ralph Allgaier/ Misereor

Der Erdball rutsche uns aus der Hand, „unsere Gier überschreitet die Belastbarkeit der Erde“, heißt es in einem Text, den die Pilger*innen in der freien Natur gemeinsam lesen. Sich auseinandersetzen mit den eigenen Schwächen und Grenzen, gemeinsam über Veränderung nachdenken, zu reflektieren, wo man hin will in Zukunft, was die eigene Rolle dabei sein könnte – das alles ist nicht immer leicht.

Spirituelle Bedeutung und engagierter Austausch

Und doch hat diese Hungertuchwallfahrt, die eine bundesweit zusammengesetzte Pilgergruppe und eine Gruppe aus der Diözese Paderborn umsetzen, für die Teilnehmenden eine große Anziehungskraft und Bedeutung. „Beten mit den Füßen“, umreißt einer der Wanderer, um was es ihm geht, wenn er sich darauf einlässt, mit anderen in einem Staffelsystem etwa 270 Kilometer zurückzulegen – vom Ort der Fasteneröffnung 2022, Freiburg, bis nach Augsburg, wo die Misereor-Aktion dieses Jahr gestartet wurde. Abwechselnd wird rund um die Uhr gelaufen, man nächtigt auf einfache Weise etwa in Turnhallen oder Pfarrgebäuden. Es wird viel und ausdauernd debattiert – zum Beispiel über das Motto der laufenden Misereor-Fastenaktion „Frau. Macht. Veränderung“. Dieser Leitgedanke reizt einige zu engagiertem Austausch. Und immer wieder geht es um den Ukraine-Krieg, der sich während der Pilgerreise jährt. Um die schwierigen Lebensbedingungen auf Madagaskar, dem aktuellen Beispielland für die Fastenaktion.

Ein Teilnehmer der Hungertuchwallfahrt spielt im Gottesdienst Gitarre.
Einer vielen Stopps der Pilger*innen: Beim morgendlichen Gottesdienst in der Kirche St. Peter und Paul in Bissingen (Diözese Paderborn) wurde selbst musiziert. © Ralph Allgaier/ Misereor

Das alles ist neben der anspruchsvollen Wegstrecke nicht immer einfach zu verarbeiten und zu bewältigen. Und doch fühlen sich die Pilger*innen unterwegs auch reich beschenkt. „Es ist immer wieder erstaunlich, welche tiefen und intensiven Gespräche sich auf der Hungertuchwallfahrt ergeben“, sagt eine Teilnehmerin, die bei den seit 1986 bundeweit stattfindenden Wallfahrten nur einige Jahre gefehlt hat. Und dann sind da die schönen Begegnungen, wenn man Passanten als Botschafter*innen von Misereor etwas zur Fastenaktion und dem Hungertuch erzählen kann und auf freundliches, ehrliches Interesse stößt. Wenn ein Bürgermeister und seine Frau sich für die Pilgerinnen und Pilger extra viel Zeit nehmen. Wenn vor Ort große Gastfreundschaft zu spüren ist.

Solibrotaktion: Für jeden ein Platz am Tisch

Misereor ist dankbar für solche Multiplikator*innen, die es auf andere und vorbildliche Weise auch beim Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) gibt. Dieser Verband beteiligt sich seit nunmehr zehn Jahren in ganz Deutschland an der Solibrotaktion von Misereor. Dabei bieten auf Initiative von KDFB-Zweigvereinen zahlreiche Bäckereien während der Fastenzeit (22.02. – 08.04.2023) ein Solibrot an, das mit einem Benefizanteil verkauft wird. Mit dem dadurch gesammelten Beitrag werden Misereor-Projekte für Frauen und Mädchen gefördert.

Fünf Personen halten ein sehr großes Solibrot in den Händen
Bei der Jubiläumsfeier des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) in Augsburg wurde ein überdimensioniertes Solibrot angeschnitten. Mit dabei waren KDFB-Vizepräsidentin Sabine Slawik, die Augsburger Oberbürgermeisterin Eva Weber, Taratra Rakotomamonyi, Generaldirektorin der madagassischen Misereor-Partnerorganisation Vozama, Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel und Bäcker Johannes Knoll (v.l.n.r.). © Ralph Allgaier/ Misereor

Zum zehnjährigen Jubiläum, das im Vorfeld der Fastenaktionseröffnung in der Augsburger Innenstadt gefeiert wurde, konnte KDFB-Vizepräsidentin Sabine Slawik auf einen Gesamtertrag der Solibrot-Aktivitäten ihres Verbandes von mehr als 800.000 Euro verweisen – eine mehr als stolze Summe, die die vielen dabei engagierten Frauen stark motiviert, auch dieses Jahr wieder intensiv für die Solibrotaktion die Trommel zu rühren. Mit einem der beteiligten Augsburger Bäcker und der Augsburger Oberbürgermeisterin Eva Weber wurde ein überdimensionales Solibrot angeschnitten und fulminant die diesjährige Aktion gestartet. Sabine Slawik lobte das ausdauernde und konstante Engagement der KDFB-Frauen: „Gemeinsam sind wir ganz stark!“ Und Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel unterstrich, wie wichtig es sei, dass Menschen in benachteiligten Weltregionen nicht nur etwas von den Brotkrumen abbekämen, die anderswo unter den Tisch fallen. Die Frauenbund-Frauen leisteten demgegenüber einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zu dem Ziel, „dass jeder und jede einen Platz am Tisch des Lebens hat“.


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Ralph Allgaier arbeitet als Pressesprecher bei Misereor.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Hallo
    Bitte nehmen Sie mich auf in Ihre Verteilerliste, dass ich im nächsten Jahr (2024) rechtzeitig die Anmeldeinfos zur HTW bekomme.
    In 2025 würde ich dann gerne mitlaufen.
    Besten Dank

  2. Avatar-Foto

    sehr schön beschrieben.
    Danke, dass Sie ab und zu die Form des * vermeiden. Das Sternchen suggeriert, dass die Pluralform nicht alle Menschen meint, das finde ich sehr nachteilig. Es ist besser, immer wieder durch Taten und Erklärung klar machen, dass das Plural selbstverständlich jeden Menschen meint. Das hat bei vielen Menschen so geklappt. Für die, die sich unter m oder w nicht finden, sollten wir einen würdevollen Namen finden, kein Sternchen. Das suggeriert, dass sie nicht in unsere Sprache gehören. Zudem gibt es manchmal sachlichen Unsinn, der verwirrt. Die Studien, auf die sich die „Sterndeuter“ beziehen, lassen keineswegs genau diese Interpretation zu, dass der Plural nicht verstanden wird. Das was sehr erhellend. Wir sind in unserer Jugend und meine Großeltern in ihrer schon auf die Gleichwertigkeit jedes Menschen hin erzogen worden und bislang habe ich in meinem Beruf als Sozialpädagogin dies auch immer als Feedback bekommen, egal ob Kinderheim, Kita, Asylantenarbeit, Ausländerbegleitung und kleine Einsätze im Ausland.
    Liebe Grüße Wiltrud Merkens-Görtz

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