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Der „alte“ Kontinent muss den „Neuen“ respektieren

Anfang dieser Woche (17. & 18.07.2023) versammelten sich 50 Staats- und Regierungschefs aus Lateinamerika, Karibik und der Europäischen Union zum EU-CELAC-Gipfel in Brüssel. Die Erwartungen, die bestehenden Differenzen bzgl. des Abkommens zügig aus dem Weg zu räumen, wurden abermals frustriert. Im bilateralen Treffen zwischen Lula und Von der Leyen am Montag wurde das Abkommen vom brasilianischen Präsidenten nicht mal erwähnt. Zuvor hatte er die von der EU ausgearbeitete Zusatzerklärung als „inakzeptabel“ abgestempelt und stattdessen den anderen Mercosur-Staaten einen noch nicht öffentlich bekannten Gegenentwurf zukommen lassen.

Protest gegen Mercosur-Abkommen
Vor dem EU-Parlament wurde auf die Folgen des Mercosur-Abkommens hingewiesen und dagegen protestiert. © Ramos Görne/ Misereor

Denn im Gegensatz zu den Vorstellungen der EU macht sich Lula für die Bevorzugung einheimischer Unternehmen bei der öffentlichen Beschaffung und für die Reindustrialisierung seines Landes stark. Wenig überraschend ist während des Gipfels auch klargeworden, dass Lula Klimaschutz ernster nimmt als sein Vorgänger. So ist es sein erklärtes Ziel, dass die Regenwaldabholzung in Brasilien bis 2030 komplett zurückgeht.

Gerechter Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft

Parallel zum Gipfel versammelten sich in Brüssel Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen aus beiden Kontinenten, um ihre Visionen für die künftige Kooperation kundzutun. Auch die Kritik am bisherigen Verhandlungsprozess wurde nicht ausgespart. So hinterfragte Maureen Santos von der Misereor-Partnerorganisation FASE und Mitglied der brasilianischen zivilgesellschaftlichen Front gegen das Abkommen beispielsweise, inwiefern angesichts des bestehenden Models internationalen Handels von einem „gerechten Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft“ die Rede sein könne. Siekritisierte die völlig unzulängliche Einbindung der Zivilgesellschaft und den vom Abkommen direkt betroffenen Bevölkerungsgruppen in den Verhandlungen. Der Vertreter der indigenen Organisation APIB Kretã Kaingang mahnte an, der „alte Kontinent“ müsse den „neuen Kontinent respektieren“. Erbetonte, dass die Rechte traditioneller Gemeinschaften nicht Gegenstand von Verhandlungen sein können, sondern sichergestellt werden müssten.

Indigener Misereor-Partner im EU-Parlament
Kretã Kaingang (l.) im EU-Parlament (gemeinsam mit einer Vertreter*in der Partnerorganisation MAM, Raiara Pires). © Ramos Görne/ Misereor

Gleichzeitig kamen aus Lateinamerika und der Karibik auch konstruktive Vorschläge für eine alternative Ausgestaltung der Zusammenarbeit mit der EU. Dazu zählt u. a. die Förderung des gegenseitigen Technologietransfers, insbesondere in solchen Gebieten, die effektiv zur Verbesserung von Lebensbedingungen auf beiden Seiten beitragen (Gesundheit, Wasserversorgung, etc.). Auch wurden die Bedingungen betont, die für effektive Verhandlungen „auf Augenhöhe“ gegeben sein müssen. So sei es zunächst zentral, soziale Ungleichheit und die asymmetrische Landverteilung anzugehen, wichtige Kontrollinstanzen zu stärken (z.B. die brasilianische Umweltbehörde IBAMA, die während der Bolsonaro-Regierung nahezu entmächtigt wurde) und die Unterstützung kleinbäuerlicher Initiativen, die ohnehin einen wichtigen und bislang stark unterschätzen Beitrag zur Ernährungssouveränität der Bevölkerung und zum Erhalt der biologischen Vielfalt leisten.  


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Geschrieben von: und

Ansprechpartnerportrait

Armin Paasch ist Experte für Verantwortliches Wirtschaften und Menschenrechte bei Misereor.

Portraitfoto einer Misereor-Mitarbeiterin

Madalena Ramos Görne ist Länderreferentin für Brasilien bei Misereor.

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