Suche
Suche Menü

Allgemeine Gesundheitsversorgung finanzieren – aber wie?

Die allgemeine Gesundheitsversorgung (im englischen Universal Health Coverage, UHC) ist als eigenständiges Unterziel in der Agenda 2030 und den nachhaltigen Entwicklungszielen verankert. In diesem Zusammenhang soll bis zum Zieljahr 2030 allen Menschen auf der Erde eine angemessene Gesundheitsversorgung zugutekommen.

Tamrat Sultan (20) nurse of Prevention of Mother to Child Transmission, check on Lubaba Nassir, 35, 9 months pregnant, in the ward for women with high-risk pregnancy, at the Attat Primary Hospital, in the village of Attat, Ethiopia, on April 12, 2021.© Soteras|Misereor
Die Ärztin Tamrat Sultan untersucht im Attat-Krankenhaus im Südwesten Äthiopiens eine schwangere Patientin. © Soteras | Misereor

Doch während im internationalen Diskurs zahlreiche Probleme und Herausforderungen für diese Zielerreichung diskutiert werden, vermeiden staatliche Akteure häufig, über einen wesentlichen Punkt zu sprechen: die mangelhafte Finanzierung.

Denn damit Gesundheitsversorgung für alle Menschen weltweit inklusiv und qualitativ hochwertig zur Verfügung gestellt werden kann, müssen nicht nur rechtliche und politische Rahmenbedingungen richtig gesetzt werden, sondern parallel dazu gut ausgebaute Strukturen für die Prävention und das Erkennen von Krankheiten sowie die Behandlung von Patient*innen sichergestellt werden. Dafür ist sowohl die Infrastruktur wie Gebäude, Elektrizität und Wasserversorgung essenziell als auch die technische Ausstattung vom Krankenhausbett bis zum Ultraschallgerät. Das benötigte Personal muss gut ausgebildet und ausreichend bezahlt werden. Darüber hinaus müssen notwendige Medikamente, Impfdosen, Diagnoseinstrumente und vieles mehr meist kostenintensiv importiert werden. Für diese Grundpfeiler der allgemeinen Gesundheitsversorgung fallen entsprechende Kosten an, die zumeist die Regierungen tragen.

Niedrigeinkommensländer sind kaum zur Finanzierung in der Lage

In diesem Zusammenhang liegt ein Hauptproblem in der dramatischen Armut der öffentlichen Haushalte vieler Staaten des Globalen Südens. In den sogenannten Niedrigeinkommensländern leben mehr als 700 Millionen Menschen, diese Staaten müssen jedoch mit einer jährlichen Wirtschaftskraft von weniger als circa 1.000 US-Dollar pro Person zurechtkommen. Die öffentliche Hand ist damit kaum zur Finanzierung der Umsetzung der UHC-Ziele in der Lage. Daher bleiben einkommensschwache Staaten wie Äthiopien, Afghanistan oder die Demokratische Republik Kongo bis 2030 von externer finanzieller Unterstützung im Gesundheitsbereich abhängig.

Angesichts der negativen Folgen der COVID-19-Pandemie steht fest: Es bedarf einer viel größeren internationalen Solidarität im Bereich der globalen Gesundheit. Denn obwohl die bisherigen Finanzmittel in der gesundheitsspezifischen Entwicklungszusammenarbeit zu elementaren Verbesserungen in den Ländern des Globalen Südens geführt haben, indem z.B. die Zahl der Infizierten und der Todesfälle bei den drei Epidemien HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria deutlich gesenkt werden konnte, reichen die bereitgestellten Summen bei weitem nicht zur Finanzierung einer Gesundheitsversorgung für alle aus. Dabei wäre schon ein Bruchteil der Wirtschaftsleistung wohlhabender Länder ausreichend, um die notwendige Finanzierung global zu gewährleisten. Diese zusätzlichen finanziellen Mittel sollten über Zuschüsse statt Kredite vergeben werden, damit die Gefahr der Überschuldung einkommensschwacher Nationen nicht weiter angeheizt wird.

Stärkung nichtstaatlicher Organisationen von hoher Bedeutung

Während primär die öffentlichen Gesundheitssysteme für die Umsetzung von UHC in der Verantwortung sind und deshalb vorrangig die Nationalstaaten direkt unterstützt werden sollten, sind in politisch fragilen oder autoritären Staaten sowohl die staatliche Fürsorgepflicht als auch die öffentlichen Systeme wenig ausgeprägt. Um diesem Problem entgegenzuwirken, ist die Stärkung nichtstaatlicher Organisationen von hoher Bedeutung, damit arme und marginalisierte Menschen profitieren und auch lokale Eigeninitiativen unterstützt werden.

Dabei sollten allerdings zivilgesellschaftliche Organisationen priorisiert werden, denn gewinnorientierte Unternehmen weisen in der Entwicklungszusammenarbeit oft problematische Bilanzen auf. So belegen zwei aktuelle Studien zur Rolle von privaten und von der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) geförderten Gesundheitsanbietern Menschenrechtsverletzungen in Kenia und Indien. Armen und besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen wird auf diese Weise ein angemessener Zugang zu Gesundheitsversorgung verwehrt. Darüber hinaus lassen 80 Prozent der privaten Gesundheitsanbieter die an sie ausgezahlten öffentlichen Finanzmittel über ein undurchsichtiges Geflecht von Finanzinstitutionen mit Sitz in Steueroasen fließen, wodurch eine transparente Kontrolle der Mittelverwendung verhindert wird.

Diese Hürden stehen einer effektiven und effizienten öffentlichen Mittelverwendung entgegen. Folglich ist nicht allein die Erhöhung öffentlicher Entwicklungsgelder wichtig für das Erreichen einer allgemeinen Gesundheitsversorgung für alle. Ebenso ist es von zentraler Bedeutung, dass finanzielle Unterstützung über transparente Kanäle erfolgt und stets darauf abzielt, niemanden zurückzulassen.



Der Autor Tilman Rüppel ist Referent für Advocavy-Arbeit
beim Institut für Gesundheit weltweit „Medmissio“.

Geschrieben von:

Avatar-Foto

Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.