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Mercosur: Was ein Handelsabkommen mit Pestiziden zu tun hat

Lebensmittel, die mit Spuren von giftigen Pestiziden belastet sind, möchte niemand gerne essen. In der Europäischen Union ist der Einsatz einiger Pestizide deshalb auch verboten. Produziert und exportiert werden sie aber trotzdem, zum Beispiel in die Mercosur-Länder. Agrarminister Özdemir hat angekündigt, dieser Praxis ein Ende zu setzen. Wir erklären Ihnen, was es damit auf sich hat und warum ein Exportverbot notwendig ist.

Pestizideinsatz in Lateinamerika
Pestizideinsatz in Lateinamerika: Dort werden Pestizide eingesetzt, die aufgrund ihrer Schädlichkeit bei uns längst verboten sind. © INCADE/ Misereor

Freier Handel mit Südamerika?

Im Jahr 1991 wurde in Lateinamerika die Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur (Mercado Común del Sur, übersetzt „Gemeinsamer Markt des Südens“) von den Ländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gegründet. Bald darauf beschloss die Europäische Union eine wirtschaftliche Partnerschaft mit den Ländern einzugehen, um Zölle zu senken und den Handel mit bestimmten Produkten zu erleichtern. Erst 2019 kam es unter der Präsidentschaft Bolsonaros zu einer Einigung: Im Tausch gegen billiges Rind- und Geflügelfleisch, Futtersoja, Zucker und daraus gewonnenem Bio-Ethanol erhalten die Mercosur-Länder Pestizide, Verbrennerautos und Autoteile. In Deutschland würden somit insbesondere die Automobil-, Maschinenbau- und Chemiekonzerne vom Zollabbau profitieren.

Die Schattenseiten des Merkosur-Abkommens

Gleichzeitig würde jedoch auch der Schaden gefördert statt reduziert werden. Schon jetzt werden in Südamerika gigantische Waldflächen gerodet, um Platz für Weide- und Ackerland zu schaffen. Dort wird dann zum Beispiel in gigantischen Monokulturen Soja für den Export in die EU produziert: Die Ackerflächen werden nicht nur mit europäischen Pestiziden bespritzt, ihre Erzeugnisse landen außerdem wieder in Europa und somit auch in europäischen Supermärkten auf unseren Tellern. Wird der Import von Agrarprodukten für die EU also günstiger, nimmt der Handel damit zu und fordert im Umkehrschluss wieder mehr Fläche für die Produktion ein. Fläche, die nicht vorhanden ist, die die Abholzung des Amazonasregenwaldes erzwingt, die Treibhausgasemissionen, Landvertreibung und Menschenrechtsverletzungen mit sich bringt. Zu den Betroffenen der Expansion von Sojafeldern gehört beispielsweise die indigene Gruppe der Guarani-Kaiowá in Brasilien – sie erleben Vertreibung, Hunger, Gewalt und Armut.

Flagge des Mercosul
Mercosul (portugiesisch für Mercosur) – für die einen ein Zeichen wirtschaftlicher Zusammenarbeit, für die anderen ein Zeichen ungleicher Bedingungen.

Pestizide für Lateinamerika

Eine weitere gravierende Folge des Abkommens wird der ansteigende Verbrauch von Agrargiften in Lateinamerika sein, der gleichzeitig die Profite der europäischen Chemieindustrie fördert. Dieses Verhältnis ist insofern problematisch, als dass in den Mercosur-Ländern zahlreiche hochgiftige Pestizidwirkstoffe in der Landwirtschaft verwendet werden, die teilweise jedoch in der EU verboten oder nicht zugelassen ist. Deutsche Unternehmen wie Bayer oder BASF verkaufen bereits jetzt große Mengen der bei uns nicht zugelassenen Agrargifte an Südamerika, da dort die Prüfungsverfahren der Giftig- und Gefährlichkeit von Pestiziden wesentlich lockerer sind als in der EU. In den Jahren 2018 und 2019 waren es fast jährlich 10.000 Tonnen. Ein Skandal, den unsere Partnerorganisationen seit vielen Jahre anprangern und von ihren Regierungen fordern, dieses schädliche Geschäft mit besseren Gesetzen zu beenden.

Denn die Pestizide schaden zahlreichen Tier- und Pflanzenarten enorm – und sie sind vor allem für die Menschen eine Gefahr: Die Bäuerinnen und Bauern tragen meistens keine Schutzkleidung, Warnhinweise auf Etiketten fehlen oder sind nicht in lokale Sprachen übersetzt, Mindestabstände zu Siedlungen, Gewässern und indigenen Territorien werden nicht respektiert.  Das birgt ein erhebliches Gesundheitsrisiko. Aber nicht nur die Menschen in Lateinamerika sind betroffen: Am Ende konsumieren auch wir die hier verbotenen Pestizide wieder, da Lebensmittel wie die Ananas oder Mangos in die EU exportiert werden und somit doch auf unseren Tellern landen.

Agrarflugzeug Brasilien Pestizide
Flugzeuge können die Pestizide flächendeckend ausbringen – durch Wind werden die Gifte jedoch auch an Stellen getragen, an denen sie nicht vorgesehen sind. © Tiago Firmino Boaven / Wikimedia Commons

Pestizidexportverbot

Misereor setzt sich deshalb politisch dafür ein, dass der Export gefährlicher Pestizide verboten wird – denn das beschriebene Problem betrifft nicht allein südamerikanische Länder. Nein, auch Menschen in Asien oder Afrika leiden unter dem Einsatz von Pestiziden! Mit Ihrer Stimme können Sie dazu beitragen, dass diese Doppelmoral ein Ende hat. Unterstützen Sie jetzt unsere Petition und stimmen Sie ab unter aktion.misereor.de >


Weitere Informationen

Gefährliche Pestizide von Bayer und BASF – ein globales Geschäft mit Doppelstandards

Die Broschüre zeigt Fälle von indigenen Gemeinden in Brasilien und Farmarbeiter*innen in Südafrika, deren Gesundheit durch Pestizideinsätze gefährdet ist. Zum Download (.pdf) >

Pestizide – gleicher Schutz für alle Menschen

Hochgefährliche Pestizide, die in der EU verboten sind, kommen weiterhin in anderen Ländern unserer Welt zum Einsatz. Als Teil einer weltweiten Bewegung setzten wir uns für eine Ende des doppelten Pestizid-Standards ein. Weitere Informationen unter misereor.de/pestizide >

Reisfeld auf den Philippinen

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Julia Stollenwerk arbeitet als Online-Redakteurin bei Misereor.

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