Suche
Suche Menü

„Auf dem Land fühle ich mich frei“

Es ist fünf Uhr morgens, als wir mit Rafael von der Pastoral Social Pasto aus der Stadt aufbrechen. In diesen frühen Morgenstunden sind außer uns nur ein paar Rennradfahrer*innen unterwegs, die sich ebenfalls die endlosen Serpentinen hochschlängeln. Unser Ziel liegt noch zahlreiche Autostunden, Täler und Schotterpisten entfernt. Für uns ein Abenteuer, für die Landpastoral in Pasto Alltag.

Die Misereor-Mitarbeiterinnen Suzanne, Mirjam und Jana mit Familie Burbano auf ihrer Finca © Misereor
Die Misereor-Mitarbeiterinnen Suzanne, Mirjam und Jana mit Familie Burbano auf ihrer Finca © Misereor

„Ich mache mich in der Regel an den Wochenenden auf den Weg in die Gemeinden, um dort mit ihnen zu arbeiten und bleibe dann auch die Zeit dort“, erzählt uns Rafael Jurado, Leiter der Landpastoral der Pastoral Social Pasto. Die Strecken wären viel zu lang, um zwischendurch zurückzukehren. Das liegt unter anderem an der Geografie des Bundesstaats Nariño: In dem ganz im Süden an der Grenze zu Ecuador gelegene Department laufen drei Bergketten der Anden zusammen. Das Ergebnis ist landschaftlich atemberaubend. Allein auf unserem Weg in die Projektregionen nördlich von Pasto durchqueren wir verschiedene Schluchten und Täler. Selbst auf über 2.500 Metern wachsen Bäume, Früchte, Gemüse und Obst. „Das liegt auch an dem Vulkangestein, das es hier gibt“, erzählt uns Rafael auf unsere überraschten Rückfragen hin.

Mehr noch: Nariño ist sogar bekannt für sogenannte „thermische Stockwerke“. Rafael erklärt: „Dadurch, dass wir uns hier auf so verschiedenen Höhen bewegen, unterscheiden sich natürlich auch die Temperaturen auf sehr kleiner Fläche drastisch. Das machen sich die Bäuerinnen und Bauern zunutze: Weiter unten bauen sie anderen Pflanzen an als weiter oben und haben so eine konstantere Ernte.“ Was am Ende dabei herauskommt, ist eine unwahrscheinliche Artenvielfalt. Von Kaffee über Zitrusfrüchte, Avocado und Zuckerrohr bis hin Obstsorten, die es in Deutschland nicht einmal zu kaufen gib, ist hier alles zu finden.

Was uns im ersten Augenblick wie ein Paradies vorkommt, ist jedoch nicht unbedingt Standard, sondern auch Ergebnis der Arbeit der Pastoral Social. „Wir bauen unseren Kaffee schon länger nach agrarökologischen Prinzipien an. Die Pflanze wächst zum Beispiel besser im Schatten, so dass wir sie unter Zitrusfrüchten gepflanzt haben“, berichtet uns beispielsweise Oweimar Viveros auf seiner Finca in San Lorenzo. Nach seinem Studium der Agrarwirtschaft in der Stadt zog der heute 32-jährige zurück auf das Land, dort fühle er sich frei, erzählt er uns. Gemeinsam mit seiner Familie lebt er von der Landwirtschaft, insbesondere vom Kaffeeanbau. Der wächst jedoch nur so gut, weil es auf seinen Feldern eben nicht nur die eine Spezies gibt: „Es hilft sehr zu verstehen, wie alles zusammenhängt und sich gegenseitig beeinflusst. Zudem wäre es sehr riskant, wenn wir uns nur auf den Kaffee verlassen würden. Letztes Jahr erkrankten einige der Setzlinge, in ein paar Fällen verloren Bäuerinnen und Bauern 80 % ihrer Ernte.“ Das könne ihm im Grunde nicht mehr passieren, dazu sei seine Finca viel zu breit aufgestellt, meint er.

"Verbindungen" und "Neugierde": Momente der Reflektion mit der Landpastoral auf die Frage, was uns auszeichnet © Misereor
„Verbindungen“ und „Neugierde“: Momente der Reflektion mit der Landpastoral auf die Frage, was uns auszeichnet © Misereor

Breit aufgestellt sein ist hierbei das Stichwort: „Wir als Landpastoral arbeiten mit den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern daran, dass sie ihren Anbau diversifizieren und wegkommen von der Monokultur. Das wiederum soll ihnen ein würdiges Leben auf dem Land ermöglichen“, meint Rafael Jurado. Das ist schon aus verschiedenen Gründen nicht selbstverständlich. Als wir auf Oweimars Finca stehen, zeigt Rafael in die Ferne und fragt: „Seht ihr diese Hügelkette? Das ist die Region Cauca, wo fast nur Koka angebaut wird. Dort sind viele der bewaffneten Gruppierungen ansässig. Von all dem, was hier um uns herum ist, gibt es dort nichts.“

Nariño ist, im Gegensatz zu einigen anderen Regionen in Kolumbien, eine recht friedliche Gegend. Der Konflikt ist zwar sehr nahe, aber die Menschen hier können in Frieden leben. Dennoch ist das Landleben hart und längst nicht so romantisch, wie es auf den ersten Blick scheint – die Kaffeeernte beginnt zum Beispiel in der Regel in den frühen Morgenstunden und ist körperliche Schwerstarbeit, erzählt uns Oweimar. Trotzdem ist er überzeugt: „Auf dem Land fühle ich mich frei. In der Stadt war das anders, aber hier haben wir alles, was wir brauchen.“


Interessiert mich die Bohne - Fastenaktion 2024

Fastenaktion 2024

Erfahren Sie mehr über die Fastenaktion 2024 und über den Schwerpunkt Ernährung und Landwirtschaft in Kolumbien unter fastenaktion.misereor.de oder spenden Sie direkt:


Die richtigen Schritte gehen

Bei der Eröffnung der Fastenaktion in Ludwigshafen kommt Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel mit den Menschen ins Gespräch. Weiterlesen >

Fastenaktion-2024-Eroeffnung-©-Misereor

Geschrieben von:

Ansprechtpartnerin

Jana Echterhoff ist Länderreferentin für Lateinamerika bei Misereor.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Bitte senden Sie mir Ihren Inforteil zu Kolumbien zu, wenn möglich gleich in diesen Tagen.
    Ich hatte selbst über Misereor in Kolumbien gearbeitet – vor Jahrzehnten, und bin an aktuellen Versionen daher interessiert bzw. werde dazu in der Pfarre auch angefragt.
    Danke, Dr. Sedlmeyer
    Planeggersr.5, 82131 Gauting

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.