„Lass uns in Deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun.“ Viele Menschen kennen das gleichnamige Kirchenlied, und es bringt auf den Punkt, worauf es in diesen Zeiten von Krisen, Kriegen, Klimawandel ankommt: Mutig zu sein, das Zaudern und Zögern zu überwinden, Entscheidungen zu treffen, die längerfristig unabdingbar sind. Bei einer „Kontroverse am Aschermittwoch“, die im Vorfeld der Eröffnung der Misereor-Fastenaktion im Heinrich-Pesch-Haus in Ludwigshafen stattfand, wurde ansatzweise durchgespielt, wie wir in zwei Jahrzehnten im Jahr 2045 auf die gegenwärtige Zeit zurückblicken werden. Haben wir entschlossen die Weichen gestellt hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft? Oder sind wir im Klein-Klein kurzsichtiger Auseinandersetzungen und verzagten Beharrens hängengeblieben und auf dem Weg zu einem nachhaltigen Alltag gescheitert?
Zukunftsbilder 2045
Notwendig scheint es in diesem Zusammenhang, zu zeigen, dass die nun erforderlichen Schritte machbar und realistisch sind. Der Unternehmensberater Boris Lebedev zeigte auf der Veranstaltung Beispiele aus dem Buch „Zukunftsbilder 2045“. In ihm wird überaus anschaulich demonstriert, wie es gehen könnte. Die Autorinnen und Autoren legen darin Abbildungen von einzelnen Vierteln in überwiegend bekannten deutschen Städten vor, und zwar so,wie sie heute aussehen. Und dann werden diesen Fotos beeindruckende Animationen gegenübergestellt, wie dieselben Orte sich in 20 Jahren verändert haben könnten. Da sind überall Pflanzen und Bäume aus dem Boden gewachsen, die Dächer sind begrünt und bieten Gärten, auf denen Lebensmittel angebaut werden können. Die Stadt ist mit dem vielen zusätzlichen Grün gewappnet, um Wasser zu speichern und die Umgebung zu kühlen – genau das, was angesichts der Erderhitzung notwendig wäre. Es gibt neue Stätten der Begegnung, Kommunikation und des Austauschs, viel mehr Ruhe und Muße auf Plätzen, auf denen Autos durch umweltfreundlichere Fortbewegungsmittel ersetzt wurden. Regenerative Lösungen und „Realutopien“ wie die Kreislaufwirtschaft und vertikale Gärten, Permakultur und Schwammstädte, Superblocks oder Gemeinwohlbanken laden ein, entdeckt zu werden. Es sind inspirierende Visionen, die übrigens gar nicht so visionär sind, weil viele Details schon an einzelnen Punkten in Deutschland und Europa existieren oder eingeleitet wurden. Nur muss all das nun mit mehr Verve angepackt werden.
Weitsichtige Wasserversorgung
Auf einer Exkursion drei Tage später zu Landwirtschaftsflächen in der Südpfalz wird an einer Stelle deutlich, dass entscheidende Dinge auch mal gegen Widerstände umgesetzt werden müssen, will man zukunftsfeste Strukturen erhalten. Gezeigt wird ein ausgeklügeltes System der Wasserversorgung der hiesigen Gemüsefelder mit einem hunderte Kilometer langen Rohrsystem, das Wasser aus einem Arm des Altrheins in die Region transportiert und dort speichert, so dass selbst in Dürrezeiten immer genügend Feuchtigkeit für die Agrarpflanzen zur Verfügung steht. Weitsichtig wurde es schon Mitte der 1960er Jahre aufgebaut – trotz großer Bedenken vieler Bäuerinnen und Bauern, die weiter ihre individuellen Grundwasserbrunnen nutzen wollten. Heute sehen alle, wie wichtig die damalige Investition war – in Zeiten, in denen an vielen Stellen auch Deutschlands Grundwasser immer knapper wird. In der Gruppe diskutiert auch Aida Burbano mit, Mitarbeiterin der Landpastoral der Diözese Pasto in Kolumbien. Sie ist als Repräsentantin einer Misereor-Partnerorganisation in Deutschland, um aus erster Hand die Herausforderungen zu beschreiben, mit denen die Landwirtschaft in ihrer Heimat konfrontiert ist und über das Motto der Misereor-Fastenaktion „Interessiert mich die Bohne“ zu sprechen. Es zeigt sich: Viele Probleme von Bäuerinnen und Bauern sind in Zeiten der Erderhitzung ganz ähnlich – in Kolumbien und Deutschland.
Drei Jungs und ein Hoffnungszeichen
Gut 50 Kilometer weiter treffen wir Pilgerinnen und Pilger, die das Misereor-Hungertuch zum Ort der Eröffnung der Fastenaktion 2024 in Ludwigshafen tragen. „Gemeinsam auf dem Weg der Hoffnung gehen“, steht auf ihrem Transparent. Ja, genau, darum geht es jetzt. Zuversichtlich und hoffnungsfroh bleiben, auch wenn es an manchen Tagen schwerfällt. Die Wallfahrerinnen und Wallfahrer sind wichtige Botschafter*innen der Anliegen Misereors und kommen auf ihrer Strecke mit etlichen Menschen spontan ins Gespräch, etwa drei Jungs im Alter von etwa zwölf Jahren, die einfach neugierig sind, warum da so eine auffällige Gruppe mit dem Hungertuch durch ihren Ort zieht. Sie zeigen ehrliches Interesse an den Misereor-Themen und lassen sich mit der Pilger-Truppe fotografieren. Auch das ist ein echtes Hoffnungszeichen.
Schön ist es auch zu sehen, wie sich eine weitere Gruppe von Hungertuchwallfahrer*innen aus der Diözese Paderborn mit Misereor, Kolumbien und den Anforderungen von Zukunftsfähigkeit auseinandersetzen. Auf ihrem Weg in die südpfälzische Rheinebene halten sie immer wieder inne, gehen bewusst eine Zeitlang schweigend und nachdenkend nebeneinander, um an anderen Orten gemeinsam zu reflektieren und ins Gespräch zu kommen. Zum Beispiel bei einem Kreuzweg, der dazu einlädt, der Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Transformation nachzugehen, darüber zu sprechen, wie wir miteinander und mit unserer Mitwelt umgehen, wie wir die Beziehung zu Gottes Schöpfung und untereinander gestalten. In der Gruppe ist eine ebenso ernsthafte wie gelöste Stimmung zu spüren. Und ein Geist, der zeigt, dass wir es schaffen können, die Zukunft nachhaltig und verantwortungsbewusst zu gestalten.
Fastenaktion 2024
Erfahren Sie mehr über die Fastenaktion 2024 und über den Schwerpunkt Ernährung und Landwirtschaft in Kolumbien unter fastenaktion.misereor.de oder spenden Sie direkt:
Nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung in Kolumbien
Im Rahmen der Misereor Reise nach Kolumbien besuchte unsere Delegation den kleinen Hof von Claudia Burbano, einem Gast der Eröffnung in Ludwigshafen. Lesen Sie mehr über Burbano und die Landwirtschaft in der Diözese Pasto, Kolumbien. Weiterlesen >
Hallo Herr Allgaier, nachdem ich eine Woche lang an der Hungerwallfahrt und der Veranstaltung im hph teilgenommen habe, ist mir die Bohne ans Herz gewachsen. Hier mein Lobpreis auf die Bohne.
Lobpreis auf die Bohne
Interessiert uns die Bohne?
Ja, denn es geht nicht ohne.
Es gibt wohl an die 700 Sorten.
Sie wachsen an den unglaublichsten Orten.
Vater, Heiliger Geist und der Sohne
schenkten der Welt die winzige Bohne.
Auf dass sie nähre die Ärmsten der Armen.
Sie lehrt uns Menschen Erbarmen.
Du, Bohne,
du, Amme der Armen!
Mit Geigen, Zimbeln und Xylophonen,
besinget die kleinen Bohnen.
Selbst die schnarrenden Saxophone
feiern die vielnährende Bohne.
Ruft es in alle Mikrophone:
Wir lieben sie, die unscheinbare Bohne.
Nicht die fette, träge Melone,
Nicht die giftgelbe, saure Zitrone.
Uns interessiert die bescheidene Bohne.
Glatt und rund wie die Pfälzer Marone.
In unserer Minestrone schwimmt auf jeden Fall:
DIE BOHNE
Sie hat das Zeug zur Ikone:
Die Bohne und nochmals die Bohne.
Rosa Tritschler,
nach einer Woche Hungertuchwallfahrt gefüllt mit Bohneneindrücken.