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Bildung verleiht Macht 

Epang Domulot Balbin. Philippinen. Stammesführerin der indigenen Minderheit der Aeta. Kämpft für Gerechtigkeit, Anerkennung und Chancengleichheit, vor allem für indigene Frauen und Mädchen.

Starke Frauen Philippinen © Klaus Mellenthin | Misereor
Epang Domulot Balbin aus den Philippinen © Klaus Mellenthin | Misereor

Das sind meine Wurzeln

Mein Name ist Epang Domulot Balbin. Ich bin 39 Jahre alt und Stammesführerin der indigenen Aeta-Gemeinschaft LAKAS in der Provinz Zambales. LAKAS bedeutet „Das wahre Bündnis der Indigenen Aeta aus Zambales“. Diesen Namen haben wir uns selbst gegeben, als wir noch auf unserem angestammten Land an den Ausläufern des Vulkans Pinatubo lebten. Dort waren wir frei, hatten Obst und Gemüse, konnten jagen und hatten alles, was wir brauchten. Dann suchte die Nationale Ölgesellschaft nach Standorten für Geothermie und grub überall Löcher in unsere heilige Erde. Ab 1982 unterstützten uns die Schwestern eines Franziskanerordens. Sie organisierten und alphabetisierten uns. Als der Vulkan Pinatubo am 15. Juni 1991 ausbrach, zerbrachen all unsere Träume. Ich war damals sieben Jahre alt, aber ich erinnere mich genau: Wir mussten flüchten, lebten in zehn Evakuierungslagern, wurden furchtbar diskriminiert und lächerlich gemacht, bis wir in unsere jetzige Siedlung LAKAS im Tiefland ziehen konnten. Misereor hat uns damals 150 Häuser finanziert. Heute leben hier 286 Familien, die meisten ernähren sich von kleinbäuerlicher Landwirtschaft und Hilfsjobs.

Ich bin verheiratet und habe fünf Kinder. Meine älteste Tochter Eingel studiert Soziale Arbeit. Ich bin sehr stolz auf sie. Ich selbst war eine der ersten Aeta, die studiert haben. Im Sommer 2023 habe ich meinen Abschluss als Grundschullehrerin erhalten. Bis zu meiner letzten Lizenzprüfung unterrichte ich die Kinder an unserer Schule in LAKAS ehrenamtlich in Kultur, Geschichte und dem Gesetz über die Rechte indigener Völker, das die philippinischen Regierung 1997 verabschiedet hat und für das wir lange gekämpft haben.

Das verleiht mir Flügel

Ich liebe es, wenn ich etwas für meine Gemeinschaft tun kann. Als Stammesführerin kümmere ich mich um alles, was anliegt: Nachbarschaftsstreitigkeiten, Landfragen, Krankheiten, Todesfälle, Bildung, Infrastrukturprojekte und vieles mehr. Ich vertrete unsere Gemeinschaft nach außen und setze mich auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene für unsere Rechte als Indigene ein. Ich kämpfe für Respekt, den Erhalt unserer Kultur, unserer Sprache und für die Zukunft unserer Kinder. 2013 haben wir eine eigene Highschool bekommen. Damit haben wir uns einen Traum erfüllt. Ich musste selbst noch auf die öffentliche Schule in Gesamtgemeinde Botolan gehen. Die Diskriminierung war furchtbar, aber ich wollte meinen Abschluss machen. Meine Eltern haben mich unterstützt. Sie waren ebenfalls Stammesführer. 2013 übergaben sie mir den Stab. Das war für mich wie ein Ruf. Ich wusste: Das ist meine Aufgabe!

Ich will meine Gemeinschaft stärken. Ich will unsere Zukunft gestalten. Und ich will meinen Kindern Vorbild sein. Ich will ihnen und anderen Frauen zeigen, dass Bildung Macht verleiht. Sie sollen stolz auf ihre Mutter sein. Sie geben mir Kraft, das alles durchzuziehen und zu zeigen: Jede Frau kann studieren, selbst wenn sie Kinder hat. Und jede Frau, die das schafft, motiviert wieder andere.

Starke Frauen Philippinen © Klaus Mellenthin | Misereor
© Klaus Mellenthin | Misereor

Dafür setze ich mich ein

Mein Ziel ist, dass wir Aeta die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben wie die Menschen aus dem Tiefland. So nennen wir diejenigen, die keiner indigenen Minderheit angehören. Wir wurden lange Zeit diskriminiert und ausgeschlossen. Das möchte ich meinen Kindern ersparen. Ich möchte, dass wir Aeta gestärkt werden, dass unsere Kultur respektiert wird, dass wir selbstbewusst und stolz auf unsere Herkunft sind und uns gleichberechtigt in der Gesellschaft bewegen. Ich möchte, dass die Aeta Führungspositionen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft übernehmen, dass wir ein Leben in Würde führen.

Es muss etwas passieren, weil…

sich der Missbrauch, den das indigene Volk in der Vergangenheit erlebt hat, nicht fortsetzen oder wiederholen darf. Missbrauch und Diskriminierung sind in unserem Land weit verbreitet. Das muss ein Ende haben. Es muss gelingen, dass alle Aeta die Schule abschließen können und gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger der Philippinen werden. Wir haben die gleichen Rechte wie alle anderen. Das muss umgesetzt werden.

Meine Arbeit ist beendet, wenn…

Mein Traum ist, dass kein Aeta mehr zu einer Wahl begleitet werden muss, nur weil er oder sie nicht lesen und schreiben kann. Von den Alten wissen die meisten nicht, wo sie das richtige Kreuz machen. Sie haben Angst von Außenstehenden betrogen zu werden. Meine Arbeit ist beendet, wenn kein Aeta mehr zurückbleibt. Wenn alle Aeta lesen und schreiben können. Wenn alle Aeta-Kinder zur Schule gehen, Abitur machen, studieren und einen Beruf ergreifen können. Wenn wir die gleichen Chancen haben wie der Rest der Bevölkerung. Das gilt für den Bereich Bildung wie für Gesundheit, gesellschaftliche Teilhabe und wirtschaftliche Möglichkeiten. Niemand darf mehr diskriminiert und ausgeschlossen werden. Wir sind alle gleich. Alle!

Frauen können…

alles, was Männer auch können. Als Frau ist es nicht meine Aufgabe, meinem Mann oder meiner Familie zu dienen, sondern mich in die Gemeinschaft einzubringen. Frauen haben die gleichen Rechte wie Männer. Wir können Lehrerinnen, Anwältinnen oder Politikerinnen werden, vielleicht sogar Präsidentinnen. Als Frau habe ich meinen eigenen Verstand. Ich habe meine eigenen Prinzipien, nach denen ich meine Entscheidungen frei treffe. Diese sollten respektiert werden, auch von den Männern.

Starke Frauen Philippinen © Klaus Mellenthin | Misereor
© Klaus Mellenthin | Misereor

Hintergrund

Auf den Philippinen leben rund 15 Millionen Angehörige indigener Minderheiten. Ihre Existenz ist durch Bergbau, Holzeinschlag, Plantagenwirtschaft, Klimawandel und neue Siedlungsgebiete bedroht. Die natürlichen Lebengrundlagen verschwinden, die Armut ist groß. Das gilt auch für die halbnomadischen Aeta auf der Hauptinsel Luzon. Nach dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo im Juni 1991 mussten viele Gemeinschaften umgesiedelt werden. In der Mehrheitsgesellschaft werden sie diskriminiert und ausgegrenzt. Ihr Bildungsstand ist gering, ihre Einkommensmöglichkeiten schlecht. Traditionelle Gemeindestrukturen zerfallen, der Zusammenhalt verschwindet. Missbrauch an Frauen und Kindern, Menschenhandel, Kinderheirat und Zwangsprostitution nehmen zu.

Die Misereor-Partnerorganisation PREDA (Peoples’ Recovery, Empowerment and Development Assistance) setzt sich seit 1974 für die Rechte von Frauen, Kindern und Indigenen ein. Armut ist oft die Grundlage für Missbrauch und Ausbeutung. Um indigenen Familien Einkommensmöglichkeiten und Perspektiven zu bieten, betreibt PREDA ein Fair Trade-Projekt. 561 indigene Kleinbäuerinnen und -bauern haben sich in 16 Aeta-Gemeinschaften zusammengeschlossen. Sie produzieren Mangos, die als Trockenfrüchte und Mus in den internationalen Fairen Handel kommen. Die Familien erhalten ein faires Einkommen, bauen Gemüse im Ökolandbau an, produzieren biologischen Dünger, forsten ihre Felder mit Obstbäumen auf und lernen ihre Rechte als Indigene kennen. Kinderschutz, Bildung und Gleichstellung der Geschlechter gehören ebenfalls zum Projekt. Überschüsse aus dem Fairen Handel fließen in PREDAS Therapiezentren für missbrauchte und ehemals inhaftierte Kinder.


Starke Frauen

Sie sind Visionärinnen. Kämpferinnen. Trägerinnen von Entwicklung. Sie sind „Starke Frauen“. In unserer Reihe stellen wir sie und ihre Geschichten vor. Alle Interviews im Überblick


Das Interview führte Constanze Bandowski.

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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