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„Die EU darf Afrika nicht im Stich lassen“ – Interview mit Bischof Fridolin Ambongo

Die EU-Kommission, der Rat und das Europäische Parlament verhandeln derzeit über ein Regelwerk, das mehr Transparenz in der Lieferkette schaffen soll. Bischof Fridolin Ambongo ist Vorsitzender der Kommission Justitia et Pax der kongolesischen Bischofskonferenz in der Demokratischen Republik Kongo und setzt sich seit Jahren für Transparenz in der Lieferkette von Konfliktrohstoffen ein.Bischof Abongo

Welche Probleme sind entstanden durch die reichen Vorkommen an Mineralien wie Diamanten, Gold und Coltan in der DR Kongo?

Fridolin Ambongo: „Die Demokratische Republik Kongo ist reich an Bodenschätzen. Das kongolesische Volk aber, das auf diesen Bodenschätzen lebt, zählt zu den Ärmsten der Welt, weil es kaum davon profitiert. Problematisch ist, dass die großen Industrieunternehmen in dieser Branche durch Verträge begünstigt werden. Es gibt dadurch zwar einen offiziellen Rahmen für die Förderung, doch diese Knebelverträge gehen voll zu Lasten der kongolesischen Regierung, die eine zu schwache Position hat. Demgegenüber gibt es die „Inoffiziellen“, die die Bodenschätze noch mit den Händen gewinnen. Das sind häufig bewaffnete Banden und Millionen an Kleinschürfern aus der Bevölkerung, die überhaupt nicht organisiert sind. Und was macht die Regierung mit den Erträgen aus der Mineralförderung – und seien die Abgaben durch große Firmen auch bescheiden? Sie fallen in die Taschen einer kleinen Gruppe, die sie für sich behält und dienen nicht der Entwicklung des Landes.

Darüber hinaus gibt es massive Fehlentwicklungen im Bereich der nicht mechanisierten Förderung. Die Menschen suchen mit Schaufeln und Hacken nach Diamanten, Gold und Koltan und verkaufen die Mineralien an anonyme Zwischenhändler. Eine Kreislaufwirtschaft ist entstanden: die Zwischenhändler, die solche Waren weiterverkaufen, haben sich im Laufe der Zeit zu Teilen einer internationalen Mafia entwickelt. Manchmal sind das bewaffnete Gruppen, die die Förderung dann nach ihren Methoden organisieren, was den Menschen vor Ort am Bergbau nicht zu Gute kommt.“

Gibt es denn Möglichkeiten, diesen Fehlentwicklungen etwas entgegenzusetzen, dem System an Zwischenhändlern und der einseitigen Profitgewinnung?

Fridolin Ambongo: „Wir wollen durch ein neues Bergbaugesetz die Situation bei der Rohstoffförderung durch die großen Firmen verbessern. Die bisherigen Gesetze wurden während des Krieges verabschiedet und die Bedingungen wurden mehr oder weniger von den großen Firmen diktiert. Zusammen mit der Zivilgesellschaft haben wir Druck auf die Regierung ausgeübt, damit die Tücken des alten Bergbaugesetzes deutlich und neue Gesetzestexte erstellt werden – ohne die alten Fehler.

Was die inoffizielle Förderung durch Privatbanden angeht, muss die Regierung zusammen mit der internationalen Gemeinschaft eine Strategie entwickeln, um zunächst die Sicherheit in den Konfliktzonen wieder herzustellen. Denn die sogenannten Blutmineralien können nur gefördert werden, weil in der Gegend ein Klima der Unsicherheit und des Krieges herrscht. Wenn wir das Problem der bewaffneten Gruppen in den Abbaugebieten politisch und militärisch lösen, wird sich automatisch mehr als die Hälfte der Probleme von selbst erledigen. Aber die größte Schwierigkeit liegt darin, dass die kongolesische Regierung sehr schwach ist. Sie kann sich nicht gegen die Milizen behaupten, wie beispielsweise gegen die FDLR, die ruandischen Hutus, die im Wald leben und im Nordosten des Landes – in Ituri – bleiben. In letzter Zeit gibt es auch Probleme in der Gegend von Beni an der Grenze zu Uganda, wo die Gruppe ADF-Nalu – Allied Democratic Forces – wütet und die lokale Bevölkerung malträtiert. Unsere Regierung ist einfach zu schwach und kann ihre Kontrolle nicht auf das ganze Land erstrecken kann.“

Sie reisen das dritte Mal, unterstützt auch von MISEREOR, durch europäische Länder – nach Berlin, Paris und Brüssel. Der Anlass ist der europäische Gesetzesentwurf, der sich mit den Konfliktrohstoffen, also mit Zinn, Wolfram und Tantal plus Gold befasst. Was möchten sie erreichen?

Fridolin Ambongo: „Wir engagieren uns dafür, dass die EU endlich verbindliche Regelungen im Hinblick auf die Lieferketten von Konfliktmineralien verabschiedet. Die Gesetzgebung der USA – im Rahmen des Dodd Frank Acts – hat gezeigt, wie wirksam eine Nachweispflicht ist für Rohstoffe aus der Konfliktregion des Kongobeckens. Die Unternehmen, die an US-Börsen gelistet sind, müssen sicherstellen, dass sie in ihren Produkten nur Mineralien aus zertifizierten Minen verwenden. Jetzt wird von der deutschen Industrie behauptet, dass dieser Erlass Kleinschürfer bei uns arbeitslos gemacht habe. Das ist aus unserer Sicht nicht richtig. Das ist eher eine Folge davon, dass unsere Regierung den Erlass fehlerhaft umgesetzt und noch dazu mit dem Small Mining Act von 2010 den Kleinschürfern massiv geschadet hat.

Hier in Europa stehen wir jetzt vor der letzten Hürde, wenn die Staats- und Regierungschefs, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission sich einigen müssen, um das Gesetz endgültig zu verabschieden. Nach den vorliegenden Informationen scheint es so zu sein, dass die Staats- und Regierungschefs unter dem Druck der Europäischen Kommission stehen. Diese ihrerseits handelt unter dem Einfluss der großen Förderfirmen. Das Europäische Parlament dagegen positioniert sich entsprechend unserer Anliegen. Darum sind wir besorgt, was die Weiterentwicklung des Gesetzes angeht. Mit unserem Besuch wollen wir sowohl die Regierungen der EU als auch die Europäische Kommission sensibilisieren, damit sie im Sinne des Europäischen Parlaments und in unserem Sinne entscheiden. Die EU darf Afrika nicht im Stich lassen.“

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Eva Wagner arbeitete bis 2016 im Berliner Büro von MISEREOR.

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