Unsere Partner in Südafrika kennen die fatalen Folgen der Kohleförderung und setzen sich für die betroffenen Menschen und für kohlenstoffarme Entwicklung ein.
Südafrika – „Sie nennen es „Entwicklung“ und vergiften unsere Heimat“
Kohle ist für Südafrikas Wirtschaft ein wichtiger Faktor. Der südafrikanische Energieversorger Exkom sorgt für 94 Prozent der Stromerzeugung in Südafrika und diese kommt zu über 90 % aus Kohle. Zusätzlich wird etwa ein Drittel der in Südafrika geförderten Kohle in über 40 Länder weltweit exportiert – auch nach Deutschland.
Misereor-Partner Matthews Hlabane lebt in eMalahleni – früher „Witbank“- einer Gemeinde in der Provinz Mpumalanga. In dieser Region gibt es neun Kraftwerke und über 80 größere Kohleminen. Matthews Hlabane ist für das „South African Green Revolutionary Council“ tätig. Wie die Minenbetreiber mit den Menschen in der Region umgehen, macht ihn wütend.
Interview mit MISEREOR-Partner Matthews Hlabane
Wie hat sich die Region Mpumalanga durch die Kohleförderung und Kohlekraftwerke verändert?
Matthews Hlabane: Früher hatten wir hier Grasland und fruchtbare Böden. Als die Kohleförderung am Ende des 19. Jahrhunderts begann, wurden ganze Dorfgemeinschaften entwurzelt und umgesiedelt und die Stadt Witbank erlebte einen wirtschaftlichen Boom. Das zog viele Menschen an. Aber die Bergwerke bieten nur temporäre Jobs und mit der Kohleförderung geht die Zerstörung des Ökosystems einher, was sich dauerhaft auf das Leben der Menschen auswirkt. Die Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs war nur kurz.
Aber immer noch gewährt die südafrikanische Regierung der Kohleförderung Vorrang. Die Kohle-Unternehmen genießen viele Privilegien, obwohl sie den Menschen das Land wegnehmen und sie abhängig machen von der Ausbeutung in den Kohleminen. Gewalt und Kriminalität sind eine Folge. Die Kohle kann nicht ohne Unmengen von Wasser und folglich auch Abwasser weiterverarbeitet werden. Die Betreiber nutzen das Grundwasser, das immer weniger wird. Es kommt zu Wasserknappheit und Verschmutzung des Wassers und des Bodens durch Schadstoffe aus der Kohleverarbeitung. Die lokale Bevölkerung wird also weder in den Minen angestellt noch hat sie Land, durch das sie sich selbst mit Nahrungsmitteln versorgen könnte.
Welche Erkrankungen, führen Sie auf die Auswirkungen der Kohleförderung zurück?
Matthews Hlabane: Arme Menschen leiden besonders unter dem kontaminierten Wasser, welches häufig zu Nierenerkrankungen führt. Aufbereitetes und abgefülltes Wasser können sie sich nicht leisten. Zudem sind sie giftigen Gasen ausgesetzt, welche zu Kopfschmerzen und Atemwegserkrankungen führen. Das betrifft besonders Kinder und junge Menschen. In der Region ist die Sterberate folglich sehr hoch. Die Minenbetreiber entziehen sich aber dieser Verantwortung und machen HIV für die überdurchschnittliche Sterberate verantwortlich – eine willkommene Ausrede. Wenn Eltern möchten, dass ihre Kinder überleben, müssen sie Witbank verlassen. Und die, die an die Kohle glauben, sagen „mehr Kohleförderung bringt mehr wirtschaftliches Wachstum“ – wenn man betrachtet welchen Preis die Bevölkerung dafür zahlt, ist der Nutzen aber viel zu gering. Dass die Menschen mit ihrem Leben zahlen, ist aber nicht Teil der Berechnung von ökonomischem Wachstum.
Die Minenbesitzer leben nicht hier, sie sind nicht betroffen. Warum glauben sie, uns davon überzeugen zu können, Kohleförderung sei positiv? Die Minenbetreiber reden von Entwicklung, aber sie vergiften unsere Heimat. Diese Menschen vergiften unser Wasser und ohne Wasser gibt es kein Leben. Sie nehmen das Land, sodass wir uns nicht selbst mit Nahrungsmitteln versorgen können und verweigern uns jedes Recht zu leben. Das macht mich wirklich wütend.
Was bedeutet in diesem Zusammenhang der Bau des Kraftwerks Kusile ?
Das neue Kraftwerk Kusile wird unsere Probleme noch verschlimmern. Kusile wird Millionen Tonnen Kohle für den Betrieb verbrauchen. Die muss irgendwoher kommen: Das Kraftwerk ist abhängig von der Kohleförderung in der Umgebung. Wäre es abhängig von erneuerbarer Energie, sähe es anders aus. Aber Kusile nutzt die gleiche alte Technologie und braucht Kohle als fossilen Energieträger. In Folge dessen wird die Zahl der Minenbetreiber noch steigen. Die Regierung greift nicht ein, um die Kohleförderung zu überwachen und die Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen. Es gibt hier nicht einen Umweltbeauftragten, der eingreifen könnte.
Wie Sie wissen sind auch deutsche Unternehmen am Bau von Kusile beteiligt, 18 Unternehmen investieren in das Kraftwerk. Auch der deutsche Staat finanziert das Projekt über die KfW und importiert Kohle aus Südafrika, auch aus Witbank. Was möchten Sie der deutschen Öffentlichkeit, den Unternehmen und der deutschen Regierung sagen?
Ich möchte ihnen sagen, dass etwas, was von der deutschen Öffentlichkeit abgelehnt wurde, jetzt auch nicht in Südafrika umgesetzt werden darf. Warum wollen sie etwas unterstützen, was Leben in Südafrika zerstört? Mein Apell ist: Bitte helft uns im Kampf gegen die Kohle-Unternehmen! Setzt sie in eurem Heimatland unter Druck! Sagt ihnen „Menschen sterben in Südafrika, wegen deutschen Investitionen“. Die deutschen Banken kaufen kein Gift für Deutsche, und sie dürfen auch kein Gift für Südafrikaner finanzieren.
Kommen wir zur Arbeit des „South African Green Revolutionary Council“. Können Sie kurz erklären, wir Ihre Arbeit gegen Kohleförderung und Kraftwerke aussieht?
Unser Hauptanliegen ist die Veränderung der Einstellung gegenüber Kohleförderung in der gesamten Gesellschaft. Den betroffenen Menschen helfen wir, sich zu organisieren, sodass sie selbst wichtige Fragen stellen und sich an die Regierung wenden können. Wir haben festgestellt, dass sich unsere Regierungsvertreter viel mehr mit den Minenbetreibern befassen als mit den Betroffenen. Das wollen wir ändern. Wir klären die Regierung über die Thematik auf und stellen klar, dass die von Kohle abhängige Entwicklung nicht nachhaltig ist. Wir verteilen dafür Bildungsmaterial, organisieren Dialogveranstaltungen und Proteste. Wir selbst arbeiten mit anderen Organisationen zusammen, um unsere Arbeit abzustimmen.
Das Interview wurde von Anne Rickert transkribiert und übersetzt.
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